RS UVS Oberösterreich 1991/07/04 VwSen-400039/1/Kl/Bf

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Veröffentlicht am 04.07.1991
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Rechtssatz

Schubhaftbeschwerde: Voraussetzung vollstreckbarer Schubhaftbescheid. Zuständigkeitsabgrenzung zwischen dem unabhängigen Verwaltungssenat und der Sicherheitsdirektion. Zuständigkeit zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Inhaftierung. Mehrere grobe Verstöße gegen öffentliche Ordnung und Mißachtung der melderechtlichen Vorschriften begründen den Verdacht, sich der Ausweisung und Abschiebung zu entziehen. Asylantrag hemmt nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes, hindert aber nicht die Erlassung und Vollstreckung eines Schubhaftbescheides. Schubhaftbescheid ist nicht denkunmöglich, offensichtlich gesetzlos oder willkürlich, Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit nicht verletzt.

 

 

Gemäß Art.1 Abs.2 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, darf niemand aus anderen als den in dem zitierten Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.  Gemäß Art.2 Abs.1 Z.7 leg.cit darf die persönliche Freiheit einem Menschen dann entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.  Dies erfordert gemäß § 5 FrPG einen vollstreckbaren individuellen Verwaltungsakt.

 

Gemäß § 5a Abs.1 FrPG hat, wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme und Anhaltung anzurufen.

 

Festgehalten wird, daß durch die Novelle des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 21/1991, die Anordnung des § 11 Abs.2 FrPG jedenfalls formell unangetastet blieb. Dem unabhängigen Verwaltungssenat ist gemäß Art. 129 B-VG von Verfassungs wegen die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung aufgetragen.  Im Sinne des § 5a FrPG und unter Bedachtnahme auf den Art.6 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit 1988 ist die Kompetenz des unabhängigen Verwaltungssenates dahingehend vorgesehen, daß er die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung einer Person, nämlich insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Inhaftierung, zu überprüfen hat.  Eine Prüfung des Bescheides kommt ihm dabei nur insoweit zu, als dieser an einem schweren und offenkundigen inhaltlichen Mangel leidet (Willkür, Denkunmöglichkeit, Gesetzlosigkeit im Sinne einer ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes) und ob daher aus diesem Grund der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt ist.

 

Das vom Beschwerdeführer an den Tag gelegte Verhalten, nämlich die Einreise nach Österreich über die grüne Grenze ohne gültiges Reisedokument und unter Umgehung der Grenzkontrollstellen, der weitere Aufenthalt in Österreich ohne gültiges Reisedokument (anläßlich der Beschaffung des Ehefähigkeitszeugnisses wäre jedenfalls auch die Beschaffung eines Reisedokumentes bzw. eines Reisepasses bei der ausländischen Vertretungsbehörde möglich und zumutbar gewesen), die Nichteinhaltung der Verpflichtung, sich innerhalb von drei Tagen bei der Meldebehörde anzumelden, stellt grobe Verstöße gegen die öffentliche Ordnung dar. Weiters gibt gerade die Mißachtung der melderechtlichen Vorschriften Grund für den Verdacht, daß sich der Beschwerdeführer einem weiteren Vorgehen der Behörden, nämlich einer Ausweisung und Abschiebung zu entziehen sucht.  Aus diesem Grund war auch Gefahr im Verzug anzunehmen und zur Erlassung einer unaufschiebbaren Maßnahme nach § 57 AVG ohne weiteres Ermittlungsverfahren ein Bescheid zu fällen, an den aus dem Verständnis der besonderen Dringlichkeit und der raschen Entscheidungsfindung heraus lediglich geringere Anforderungen hinsichtlich der Bescheidbegründung gestellt werden.

 

Es erscheint daher dem unabhängigen Verwaltungssenat der der Anhaltung zugrundeliegende Schubhaftbescheid, auf den sich die Verwahrungsmaßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sowie zur Sicherung der Abschiebung stützt, nicht denkunmöglich, offensichtlich gesetzlos oder willkürlich, und daher der Beschwerdeführer nicht in seinem Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit verletzt.

 

Wenn auch der Beschwerdeführer innerhalb von zwei Wochen ab seiner Einreise einen Antrag auf Asylgewährung an die Sicherheitsbehörde gestellt hat und damit bis zum rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsverfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist (§ 5 Abs.1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge, in der geltenden Fassung), so steht einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz nicht entgegen. Nach § 5 Abs.2 leg.cit. ist nämlich nur die Vollstreckbarkeit eines Aufenthaltsverbotes gehemmt. Die Erlassung eines Schubhaftbescheides bleibt hievon gänzlich unberührt.

 

Die vorläufige Verwahrung in Schubhaft dient nur zur Vorbereitung eines Aufenthaltsverbotes und einer Ausweisung; zu diesem Zeitpunkt ist aber noch nicht verlangt, daß alle Voraussetzungen eines Aufenthaltsverbotes bereits geprüft und als erwiesen festgestellt sind. Der Nachweis der Mittel zur Bestreitung des Unterhaltes genügt daher erst im weiteren Verfahren.

Schlagworte
Schubhaftbescheid; Bindung des UVS; grobe Verstöße gegen öffentliche Ordnung; keine polizeiliche Meldung; Gefahr im Verzug; geringere Bescheidbegründungspflicht; Gesetzlosigkeit; Denkunmöglichkeit; Asylantrag; Hemmung der Vollstreckbarkeit des Aufenthaltsverbotes; Voraussetzungen für Aufenthaltsverbot; Nachweis der Mittel.
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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