RS UVS Oberösterreich 1991/11/21 VwSen-240016/2/Gf/Kf

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 21.11.1991
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Verweis auf VwSen-240017 vom 8.11.1991; VwSen-240014 vom 20.11.1991 Rechtssatz

Keine irreführenden und daher erlaubte Angaben

bei Kosmetikum (Haarwäsche): Bezeichnungen, die sich auf eine entzündungshemmende, pilzabtötende und regenerierende Wirkung beziehen, sind aus lebensmittelpolizeilicher Sicht unbedenklich. Stattgabe.

 

 

Gemäß § 74 Abs. 1 LMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, der falsch bezeichnete kosmetische Mittel in Verkehr bringt; gemäß § 26 Abs. 2 i. V.m. den §§ 1 Abs. 2, 8 lit. f und 9 Abs. 1 lit. a LMG liegt ein Inverkehrbringen falsch bezeichneter kosmetischer Mittel (im vorliegenden Fall: durch Lagern) insbesondere dann vor, wenn diese durch verbotene gesundheitsbezogene, d.h. sich auf irreführende physiologische oder pharmakologische - insbesondere jungerhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesunderhaltende - Wirkungen beziehende oder den Eindruck einer derartigen Wirkung erweckende Angaben gekennzeichnet sind.

 

Es gilt daher zu prüfen, ob es sich im vorliegenden Fall bei einer der Angaben "Versorgt den Haarboden mit funktionswichtigen Aufbaustoffen", "Können sie regeneriert werden", "Zur Pflege und Gesunderhaltung der Kopfhaut und zur Vorbeugung gegen Haar- und Kopfhautschäden", "Reaktivierend", "Bei Haarausfall", "Reaktivierung der für das Haarwachstum lebenswichtigen Kapillarfunktion", "Verstopfungen in den Haarbalgtrichtern können zu Haarausfall führen, der sich vermeiden läßt", "Fungizid", und "Hautverträglichkeit klinisch getestet" in Verbindung mit einer Haarwäsche um eine verbotene gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der eben genannten Bestimmungen handelt.

 

Dies trifft im Ergebnis jedoch nicht zu.

 

Die Tatsache, daß es solche Arten von Erkrankungen des Haarbodens gibt, die ein bloß Hautreizungen entgegenwirkende Stoffe enthaltendes Kosmetikum nicht verhindern kann, belegt nicht, daß dieses Produkt völlig ungeeignet wäre, wenigstens in spezifischen Bereichen zur Gesunderhaltung des Haarbodens beizutragen; dies wird auch im obzitierten Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung vom 17. Juni 1991, Zl.  175/91, nicht in Abrede gestellt. Die belangte Behörde meint vielmehr nur, daß der Hinweis "Zur Gesunderhaltung des Haarbodens" in seiner Allgemeinheit unzulässig wäre.

 

Dem ist entgegenzuhalten, daß die in Rede stehende Wendung in ihrem Gesamtzusammenhang betrachtet keineswegs allgemein gehalten ist, sondern daß sich daraus ergibt, daß zur Gesunderhaltung des Haarbodens durch die im gegenständlichen Kosmetikum enthaltenen durchblutungsfördernden Stoffe - nämlich Pflanzenextrakte (vgl. Anlage 2 Z. 8.2 zur KosmetikVO) beigetragen werden soll. Daß aber ein durchblutungsfördernder Stoff generell dazu geeignet ist, zur Gesunderhaltung beizutragen, kann als unbestritten gelten. Im Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung vom 17.6. 1991, Zl. 169/91, wird zugestanden, daß das vorliegende Produkt einen Stoff enthält, der pharmakologisch gegen Schuppen wirkt (vgl. Z. 2.8 der Anlage 1 zur KosmetikVO), nämlich Zink-Pyrithion (vgl. Z. 13.5 der Anlage 2 zur KosmetikVO). Unter Fungiziden werden allgemein pilzabtötende Stoffe verstanden (vgl. zB Duden, Das Fremdwörterbuch, 3. Auflage, Mannheim 1974, 253). Daß der "Wirkstoff-Komplex RSN-O" (Zink-Pyrithion) auch - wie vom Beschwerdeführer behauptet - einen pilzabtötenden Effekt zeitigt, wird durch das angesprochene Gutachten jedenfalls nicht ausgeschlossen. Da aber auch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses keine Nachweise hinsichtlich des Ausschlusses einer derartigen Wirkung beibringt, kann folglich auch nicht davon ausgegangen werden, daß es sich insoweit um eine irreführende Angabe handeln würde.

 

Gleiches gilt auch bezüglich der Produktangabe "Regenerierend", weil und soweit zunächst schon in den Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung vom 17.6. 1991, Zlen. 160/91 und 173/91, zugestanden wird, daß durch Kosmetika der Stoffwechsel bzw. die Epidermis und Dermis der Haut - wenngleich jeweils nicht signifikant - beeinflußt werden können. Daß es aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsbetrachters (vgl. VwSen-240007 v. 8.11. 1991) bei der Regeneration - wobei diesem Wort im allgemeinen Sprachgebrauch die Bedeutung der "Wiederauffrischung" zukommt (vgl. zB Duden, Das Fremdwörterbuch, 3. Auflage, Mannheim 1974, 621) - in erster Linie darum geht, ein vorteilhafteres Aussehen der Haut zu erzielen, liegt auf der Hand; ob dieser durch kosmetische Mittel unbestrittenermaßen erzielbare Effekt nun dadurch hergestellt wird, daß ihn das Kosmetikum unmittelbar selbst bewirkt oder bloß mittelbar dadurch, daß die selbsttätige Regeneration der Haut eingeschränkt wird, ist demgegenüber für den mit diffizilen wissenschaftlichen Zusammenhängen regelmäßig nicht vertrauten durchschnittlichen Verbraucher bloß von untergeordneter Bedeutung. Ist demnach das vorliegende Kosmetikum - was von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt wird - zur Erzielung eines wiederauffrischenden Effektes der Haut grundsätzlich geeignet, so kann in dem Hinweis "Regenerierend" auch keine Irreführung erblickt werden.

 

Inwieweit die Angabe "Hautverträglich klinisch getestet" unzulässig sein soll, ist schließlich überhaupt nicht ersichtlich.  Entgegen der Auffassung der belangten Behörde gilt das Verbot des § 9 LMG für Kosmetika gemäß § 26 Abs. 2 LMG nämlich nicht absolut, sondern bloß mit der Maßgabe, daß Hinweise auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder Gutachten im Zusammenhang mit Kosmetika nur dann unzulässig sind, wenn diese einen irreführenden Charakter haben. Da aber die Angabe "Hautverträglichkeit klinisch getestet" weder einen Hinweis auf eine Krankengeschichte noch auf eine ärztliche Empfehlung noch auf ein Gutachten enthält, sondern nur besagt, daß entsprechende Tests - deren Ergebnis offen bleibt - durchgeführt wurden, fehlt es schon insoweit an der Tatbestandsmäßigkeit, ohne daß der Frage nachgegangen werden mußte, ob diese Angabe irreführend ist.

 

Hinsichtlich des Tatvorwurfes, daß die Angaben "Reaktivierend", "Reaktivierung der für das Haarwachstum lebenswichtigen Kapillarfunktion", "Bei Haarausfall" und "Verstopfungen in den Haarbalgtrichtern können zu Haarausfall führen, der sich vermeiden läßt" eine Falschbezeichnung iSd LMG darstellen, findet sich in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses kein Anhaltspunkt. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in vergleichbaren Fällen wiederholt ausgesprochen (vgl. zuletzt VwSen-240014 v.  20.11. 1991 mwN), daß er es schon aufgrund seiner verfassungsmäßigen Konzeption und seiner einfachgesetzlichen Organisation nicht als seine Aufgabe ansehen kann, das diesbezüglich fehlende Ermittlungsverfahren der Erstbehörde zu substituieren. Da nach dem vorliegenden Sachverhalt aber auch kein offensichtlicher Bezug zum Tatbestand der von der belangten Behörde als übertreten erachteten Norm erkennbar ist, war insoweit bis auf weiteres von der Nichterfüllung des Tatbestandes durch den Beschwerdeführer auszugehen.

 

Handelte es sich damit aber im vorliegenden Fall im Ergebnis aus den genannten Gründen nicht um eine Falschbezeichnung iSd § 74 Abs. 1 LMG, so war das angefochtene Straferkenntnis mangels Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers aufzuheben.

Schlagworte
Neril Haarwäsche; Zur Gesunderhaltung des Haarbodens; Fungizid; Regenerierend; Hautverträglichkeit klinisch getestet.
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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