RS UVS Oberösterreich 1992/02/20 VwSen-250081/7/Gu/Bf

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Veröffentlicht am 20.02.1992
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Rechtssatz

Läßt eine Gesetzesbestimmung, die als Grundlage bzw. Anknüpfungspunkt für eine Strafnorm dient, nach der Verkehrsauffassung auch eine nicht pönalisierte Betrachtungsweise zu, dann kann auf Grund des im Strafrecht herrschenden besonderen Vertrauensschutzes der vom Beschuldigten glaubhaft dargetane Rechtsirrtum einen Schuldausschließungsgrund bilden. Verfassungs-(Art.6 Abs.2 EMRK-)konforme Interpretation des nicht unter dem Vorbehalt der Republik Österreich stehenden AuslBG verbietet Umkehr der Beweislast. Unklare Strafnormen dürfen, da ihre Sanktionen in Grundrechte (Freiheit und/oder Eigentum) eingreifen, nicht zum Nachteil des Beschuldigten ausgelegt werden. Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem angefochtenen Straferkenntnis den Berufungswerber schuldig erkannt, als verantwortlicher Geschäftsführer der Ing. C. S.  Bau GesmbH. den tschechischen Staatsbürger B.J. in der Zeit von 4.2.1991 bis 20.2.1991 als Bauhilfsarbeiter in seinem Betrieb beschäftigt zu haben, obwohl für den Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch eine Arbeitserlaubnis bzw. ein Befreiungsschein vorgelegen sei.

 

Wegen Verletzung des § 3 Abs.1 i.V.m. § 28 Abs.1 Z.1 lit.a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 i.d.g.F.  wurde über ihn in Anwendung der zitierten Norm eine Geldstrafe von 5.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen und ein Verfahrenskostenbeitrag von 500 S verhängt.

 

Aufgrund der in deren Rahmen erhobenen Beweise, insbesondere durch Einsichtnahme in Urkunden und zwar den Bescheid des Arbeitsamtes Freistadt vom 2. November 1990, AZ. 6702 B/156853, in den weiteren Bescheid derselben Behörde vom 6. März 1991, AZ. 6702 B/276774 und die Vereinbarung der Ing. C. S. BauGesmbH. vom 11.12.1990 mit J.B. ist folgender Sachverhalt erwiesen und unbestritten:

 

Der Ausländer war in dem vom Beschuldigten als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu vertretenden Baubetrieb in W bereits ab 5.9.1990 bis 2.11.1990 tätig.  Hiefür lag eine Bewilligung des Arbeitsamtes Freistadt vor.  Über Verlängerungsantrag wurde die Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Bauhilfsarbeiter für die Zeit von 3. November 1990 bis 2. November 1991 für den örtlichen Geltungsbereich des Arbeitsamtes Freistadt verlängert. Neben der Rechtsmittelbelehrung und den Auflagen findet sich unter der Rubrik "Zur Beachtung" der Hinweis "Die Beschäftigungsbewilligung erlischt mit Beendigung der bewilligten Beschäftigung."  Der Ausländer arbeitete tatsächlich bis 14.12.1990 im Betrieb.  Aufgrund des Vertrages vom 11.12.1990, welcher die Witterungsverhältnisse und die dadurch bedingte teilweise Betriebsstillegung zum Anlaß nahm, wurde einvernehmlich vereinbart, daß das Dienstverhältnis mit 14.12.1990 durch Dienstgeberkündigung aufgelöst wird. Dies deshalb, damit dem Dienstnehmer keine Zeiten für die Abfertigungs- und Weihnachtsgeldansprüche verloren gehen. Gleichzeitig wurde dem Ausländer die Wiedereinstellung im Frühjahr 1991 je nach Witterungsverhältnissen zugesichert.  Tatsächlich nahm er am 4.2.1991 die Arbeit auf, wurde nach Beanstandung durch das Arbeitsamt Freistadt am 20.2.1991 außer Dienst gestellt und nahm nach neuerlicher Bewilligung ab 8.3.1991 die Arbeit im Betrieb wieder auf.

 

Bei diesem Sachverhalt hat der unabhängige Verwaltungssenat zu der sich nicht schuldig bekennenden Verantwortung  des Beschuldigten, die sich dem Gehalt nach auf einem entschuldbaren Rechtsirrtum stützt, erwogen:

 

Gemäß § 3 Abs.1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit im Gesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.  Gemäß § 2 Abs.2 lit.a leg.cit. gilt als Beschäftigung die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis.

 

Gemäß § 7 Abs.6 leg.cit. Stammfassung erlischt die Beschäftigungsbewilligung mit Beendigung der bewilligten Beschäftigung.

 

Aufgrund der Novelle zum AuslBG, BGBl. Nr.684/92, wirksam ab 1.4.1992 der unter anderem diese gesetzliche Bestimmung ändert, erlischt die Beschäftigungsbewilligung 1. mit Beendigung der Beschäftigung des Ausländers, 2. wenn binnen 6 Wochen nach Laufzeitbeginn der Beschäftigungsbewilligung eine Beschäftigung nicht aufgenommen wird.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z.2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Nachdem die Sanktionen von Strafnormen stets in Grundrechte, wie Eigentum und persönliche Freiheit eingreifen, muß es dem Grundsatz "nulla poena sine lege" (§ 1 Abs.1 VStG) als wesensmäßig immanent betrachtet werden, daß der Gesetzgeber sich bei der Schaffung von Straftatbeständen auch einer klaren Ausdrucksweise bedient, die den Normunterworfenen soweit bindet, als die Formulierungen für einen in Beruf und Leben sozial integrierten durchschnittlich gebildeten Bürger auch verstanden werden können. Bei Schaffung und der Interpretation von Strafnormen genießt der Bürger einen besonderen Vertrauensschutz.

 

Diese Grundzüge einer nunmehr freiheitsbezogenen und die Rechte der Person achtenden Rechtsordnung bringen es mit sich, daß Relikte des Absolutismus und der Hörigkeit, die den Bürger bei jedem seiner Schritte zur Nachfrage bei der Obrigkeit verhielt, nicht als Ausgangspunkt für die Anwendung von Strafnormen betrachtet werden können. Unklare Strafbestimmungen dürfen nicht zum Nachteil des Normunterworfenen ausgelegt werden.

 

(Über die Auslegungsproblematik bei Strafnormen siehe Hans Joachim Koch "Die Auslegungslehre der Reinen Rechtslehre im Lichte der jüngeren sprachanalytischen Forschung", ZfV 1992, S.5 und die dort zitierte FN 29).

Was den konkreten Prüfungstatbestand anlangt, kann in der Tat nach der Verkehrsauffassung die Umschreibung "die Beschäftigungsbewilligung erlischt mit Beendigung der bewilligten Beschäftigung" bei vorheriger konkreter Angabe des Beginnes und Endes der Erlaubnis auch ein zeitlicher Rahmen verstanden werden, ungeachtet ob die Arbeit in einem fortwährt.

 

Nachdem dem Berufungswerber diese - im übrigen plausible - Information zur Verfügung stand und seinem Verständnis keine tiefschürfenden und im Ergebnis zwingenden Schlüsse gegenüberstanden, wonach die Formulierung des Begriffes "als Beschäftigung gilt die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis" nur als numerische Bedeutung und nicht als die mit einem unbestimmten Artikel versehene generalisierende Beschreibung von Lebenssachverhalten, wie dies Gesetze zu tun pflegen, verstanden werden darf, konnte ihm kein Verschulden unterlegt werden.

 

Das vom Beschuldigten gehegte Vertrauen wird dadurch bestätigt, daß es der Gesetzgeber in seiner Novelle zum AuslBG, BGBl. Nr. 684/92 notwendig erachtet hat, das Erlöschen der Beschäftigungsbewilligung mit Beendigung der Beschäftigung schlechthin zu normieren und klarzustellen.

 

Diese Novelle tritt jedoch erst mit 1.4.1992 in kraft und bildete im gegenständlichen Fall keine Grundlage für eine Bestrafung.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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