RS UVS Oberösterreich 1992/03/24 VwSen-400072/3/Gf/Kf

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 24.03.1992
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Verweis auf VwSen-400060 vom 19.2.1992 und VwSen-400067 vom 21.2.1992 Rechtssatz

Beschwerde gegen Ausdehnung der Schubhaft

auf die Höchstdauer von drei Monaten: Keine Beschwerde gegen die Verhängung der, sondern eine solche gegen die Anhaltung in Schubhaft - eigenständiger Beschwerdegegenstand. Belangte Behörde ist in diesem Verfahren nicht die erstinstanzliche Behörde, sondern die Sicherheitsdirektion. Im allgemeinen kann die Verlängerung der Schubhaft nicht allein darauf gestützt werden, daß die für die Verhängung der Schubhaft maßgeblichen Gründe von der Sicherheitsdirektion unbesehen übernommen wurde. Im konkreten Fall können diese Gründe jedoch derart gravierend sein, daß sie das Fortbestehen der Schubhaft rechtfertigen, und zwar auch bis zum gesetzlich zulässigen Höchstausmaß (völlige Mittellosigkeit, keine Unterkunft, keine Verpflichtungserklärung durch Verwandte, Bekannte oder Freunde). Keine Zuständigkeit des UVS, den Bescheid der Sicherheitsdirektion darüber hinaus zu prüfen, ob er in jeder Hinsicht der gesetzlichen Begründungspflicht entspricht. Abweisung. Zurückweisung des Antrages der erstinstanzlichen Behörde auf Kostenersatz mangels Parteistellung im gegenständlichen Verfahren.

 

Gemäß § 5a Abs. 1 FrPG hat derjenige, der in Schubhaft genommen oder angehalten wird, das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung durch Beschwerde anzurufen. Daraus geht - wie der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. zuletzt z.B. VwSen- 400066 v. 19.2.1992) - unmißverständlich hervor, daß es sich bei der auf Dauer gerichteten Maßnahme der Anhaltung in Schubhaft um einen von der (Festnahme zum Zweck bzw. von der) Verhängung der Schubhaft selbst verschiedenen und in diesem Sinne eigenständigen Beschwerdegegenstand handelt. Eine selbständige Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft ist daher stets dann und insoweit zulässig, als sich diese entweder gegen die Art und Weise der Haltung in Haft richtet oder darauf zu stützen vermag, daß sich die für die Verhängung der Schubhaft maßgeblichen Umstände seither in wesentlichen Punkten geändert haben. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn die Schubhaft - wie bei einer Verlängerung gemäß § 5 Abs. 2 FrPG - auf eine formell neue bescheidmäßige Grundlage gestellt wird. Dessen ungeachtet muß jedoch auch eine solcherart gegen die Verlängerung und damit gegen die Anhaltung in Schubhaft i.S.d. § 5a Abs. 1 FrPG gerichtete Beschwerde die in § 67c Abs. 1 und 2 AVG normierten Prozeßvoraussetzungen erfüllen, insbesondere also - von Fällen einer Behinderung abgesehen - binnen sechs Wochen ab Kenntnisnahme von der neuen Haftgrundlage eingebracht werden.

 

Da alle diese Erfordernisse im gegenständlichen Fall zutreffen, ist die vorliegende, gegen die Anhaltung in Schubhaft vom 16. März 1992 bis 15. April 1992 gerichtete Beschwerde somit als zulässig anzusehen.

 

Als im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat belangte Behörde fungiert dabei nunmehr die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, weil jener Bescheid, der die Erstreckung der Schubhaft über die Regelfrist von zwei Monaten hinaus anordnet, den ursprünglichen Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion Linz insoweit nicht etwa bloß ergänzt, sondern selbst die ausschließliche Grundlage (und rechtliche Voraussetzung i.S.d. § 5a Abs. 1 FrPG) für die weitere Anhaltung in Schubhaft bildet: Denn die materielle Entscheidung über die Ausdehnung der Schubhaft und damit über den eigentlichen Haftgrund, der in Fallkonstellationen wie der hier vorliegenden gemäß § 5a FrPG i.V.m. dem Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, den - ausschließlichen - Gegenstand der Haftprüfung durch den unabhängigen Verwaltungssenat bildet, hat nach der insoweit unzweifelhaften Absicht des Gesetzgebers gemäß § 5 Abs. 2 FrPG allein die Sicherheitsdirektion zu treffen.

 

In der Sache ist die vorliegende Beschwerde jedoch nicht begründet.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 FrPG darf die Schubhaft nicht über zwei Monate ausgedehnt werden; als gesetzlich vorgesehene Ausnahme von dieser Regel darf jedoch die Sicherheitsdirektion aus wichtigen Gründen eine Ausdehnung bis zur Höchstdauer von insgesamt drei Monaten bewilligen. Im gegenständlichen Fall ist sowohl das von dieser Rechtsvorschrift aufgestellte Erfordernis des Vorliegens "wichtiger Gründe" als auch jenes der Verhältnismäßigkeit der zeitlichen Ausdehnung der Schubhaft erfüllt.

 

Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich über die Ausdehnung der Schubhaft ließe tatsächlich keine wichtigen Gründe für diese Maßnahme erkennen, erweist sich als unzutreffend. Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugestehen, daß - abstrakt besehen - die für die Verhängung der Schubhaft durch die Unterbehörde maßgeblichen Gründe die Oberbehörde nicht allein schon deshalb und in diesem Sinne gleichsam "automatisch" zur Ausdehnung der Schubhaft gemäß § 5 Abs. 2 FrPG berechtigen. Im konkreten Einzelfall können diese über den Zeitraum von zwei Monaten hinaus fortbestehenden Gründe jedoch so gewichtig sein, daß objektiv besehen eine Aufrechterhaltung der Schubhaft gerechtfertigt erscheint. Gerade dies trifft aber im vorliegenden Fall zu. Denn selbst wenn man die den Beschwerdeführer durchwegs nicht begünstigenden behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen außer acht ließe - weil diese jeweils noch nicht rechtskräftig sind -, verbleibt immer noch der gravierende Aspekt, daß der Beschwerdeführer in Österreich weder Familienangehörige hat noch über einen Freundeskreis verfügt sowie ohne feste Unterkunft und überdies völlig mittellos ist. Davon ausgehend erscheint aber die der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende und explizit den Bescheid der belangten Behörde tragende Prognose, daß der Beschwerdeführer bis zur Abschiebung seinen Lebensunterhalt - da jedenfalls bis dato keine entsprechende Verpflichtungserklärung eines Dritten vorliegt - im Falle der Enthaftung entweder durch strafbare Handlungen zu bestreiten versuchen oder diesbezüglich der öffentlichen Hand zur Last fallen wird, nicht unvertretbar.  Beide Aspekte stellen aber zweifellos wichtige Gründe i.S.d. § 5 Abs.2 FrPG dar, die eine Ausdehnung der Schubhaft dem Grunde nach rechtfertigen.

 

Da im Zeitpunkt der Bescheiderlassung für die belangte Behörde jedenfalls nicht abzusehen war, wie lange es dauert, bis der Bundesminister für Inneres über die die Abschiebung hindernde Berufung des Beschwerdeführers gegen den negativen Asylbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich entschieden haben wird, erscheint im Hinblick auf die - wie dargelegt - gewichtigen Gründe, die für die weitere Erstreckung der Schubhaft sprechen, auch die Ausdehnung um die Höchstdauer von einem auf insgesamt drei Monate als verhältnismäßig i.S.d. § 5 Abs. 2 FrPG. Wenn und soweit die Berufungsentscheidung des Bundesministers für Inneres innerhalb dieses Ausdehnungszeitraumes ergeht, wird die belangte Behörde jedoch den Ausdehnungszeitraum den durch diese Berufungsentscheidungen geschaffenen Verhältnissen entsprechend unverzüglich anzupassen haben.

 

Ob die Begründung des Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich über den Aspekt der als zureichend befundenen Darlegung der Gründe für den Freiheitsentzug hinaus in jeder Hinsicht - insbesondere in bezug auf die Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung - den Anforderungen des § 58 Abs.2 i.V.m. § 60 AVG entspricht, hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Blick auf § 11 Abs.2 FrPG weder materiell noch gar formell zu entscheiden.

 

Da sich somit das Vorbringen des Beschwerdeführers aus den genannten Gründen als unzutreffend erwiesen hat, war die vorliegende Beschwerde abzuweisen.

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war auch der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz gemäß § 79a AVG abzuweisen.

 

Der Antrag der Bundespolizeidirektion Linz auf Ersatz des Aktenvorlage- und Schriftsatzaufwandes nach dieser Gesetzesstelle war in sinngemäßer Anwendung des § 67c Abs. 3 AVG zurückzuweisen, weil im gegenständlichen Verfahren nicht ihr, sondern nur der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich - wie oben - die Position einer Partei gemäß § 67c Abs. 4 AVG zukommt und deshalb mangels prozessualer Handlungsfähigkeit in diesem Verfahren eine dementsprechende - allenfalls für letztere stellvertretende - Antragstellung unzulässig ist (vgl. VwSen-400067 v. 21.2.1992).

Schlagworte
Schubhaftverlängerung; belangte Behörde - Kostenersatz; Zuständigkeitsabgrenzung UVS - Sicherheitsdirektion
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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