TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/16 98/08/0173

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Veröffentlicht am 16.05.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §60;
AVG §67;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der A GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Pitzal, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 27. April 1998, Zl. 120.182/4-7/98, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. K in W, 2. Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19,

3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, 4. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, 5. Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien, 1011 Wien, Weihburggasse 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Unternehmensgegenstand der Beschwerdeführerin umfasst u.a. die Reinigung von Häusern und einzelner Objekte in Häusern. Am 1. April 1995 wurde zwischen der Beschwerdeführerin und dem Erstmitbeteiligten ein Werkvertrag mit folgendem Inhalt abgeschlossen:

"Die (Beschwerdeführerin) überträgt Ihnen und Sie übernehmen hiemit ohne Eingliederung in unseren Personalstand und ohne Begründung eines Dienstverhältnisses als einmaligen in sich begrenzten Auftrag die Erfüllung bestimmter Aufgaben, und zwar:

Hausreinigung laut Liste

 

vereinbartes Honorar

 

20 % MWSt

S 15.000,--/p.Monat

Bei Erfüllung dieses Auftrages sind Sie an keine festen Arbeitszeiten gebunden.

Sollte der Auftragnehmer verhindert sein, kann er eine Vertretung stellen. Dies ist der Firma bekannt zu geben.

Für die Versteuerung des vorgenannten Honorars haben Sie selbst aufzukommen bzw. Sorge zu tragen.

Es steht sowohl Ihnen als auch uns frei, Ihre Tätigkeit jederzeit als beendet zu betrachten.

Das Honorar beinhaltet außer der Leistung der geforderten Arbeit sämtliche Kosten der erforderlichen Materialien, Geräte sowie aller notwendigen Regien, die für die Erbringung der Arbeit aufgewendet werden müssen.

Dem Auftragnehmer wurde der Abschluss einer Unfallversicherung empfohlen."

Am 1. Juni 1995 wurde dazu von den vertragschließenden

Parteien Folgendes schriftlich festgehalten:

"VEREINBARUNGEN zu dem abgeschlossenen WERKVERTRAG mit:

Herrn (Erstmitbeteiligter)

Ich erkläre bzw. bin einverstanden mit:

1. Über eine gültige Aufenthaltsberechtigung zu verfügen bzw. bei Zeitablauf derselben, für eine Verlängerung zu sorgen.

2. Die Anmeldung meiner selbstständigen Tätigkeit beim zuständigen Finanzamt anzuzeigen, d.h. eine Steuernummer lösen, welche ich der Firma (Beschwerdeführerin) bekannt geben werde.

3. Die Verrechnung erfolgt im Sinne des Werkvertrages und gegen Legung einer monatlichen Honorarnote meinerseits.

4. Ausgefasste Handwerkzeuge bzw. Materialien werden mit der monatlichen Honorarnote gegenverrechnet.

5. Bei Inanspruchnahme eines von der Firma zur Verfügung gestellten Fahrzeuges erfolgt die Verrechnung wie in Pos. 4) erwähnt.

6. Verbilligte Handwerkzeuge bzw. Reinigungsmaterialien können jeweils nur am Montag um 8 Uhr - Lagerplatz:

Klosterneuburg - ausgefasst werden, an anderen Wochentagen ist der Lagerplatz aus organisatorischen Gründen gesperrt und es besteht keine Möglichkeit zur Materialausfassung."

Mit Bescheid vom 6. Oktober 1995 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, der Erstmitbeteiligte unterliege auf Grund seiner Beschäftigung als Hausreiniger bei der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 6. bis 12. Juni 1995 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht. In der Begründung wurde ausgeführt, auf Grund der Vorsprache und Bekanntgabe des Erstmitbeteiligten vom 14. Juni 1995 seien Ermittlungen geführt worden. Nach Wiedergabe der Niederschrift mit dem Erstmitbeteiligten, der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin und des Werkvertrages vom 1. April 1995 wurde ausgeführt, es komme nicht darauf an, wie das zu beurteilende Arbeitsverhältnis von den Vertragspartnern bezeichnet werde, sondern komme es auf die inhaltliche Gestaltung dieser Beschäftigung an. In den Vereinbarungen sei klar festgelegt, welches Haus wann und wo zu reinigen sei. Aus diesen Vereinbarungen sei für den "Werkvertragnehmer" eindeutig ersichtlich, welches Aufgabengebiet er erhalten habe. Der Erstmitbeteiligte habe erklärt, dass er zuerst von einem Mitarbeiter der Beschwerdeführerin eingeschult worden sei. Den Dienstplan - jeweils für eine Woche - erhalte am Anfang der Einschuler, später der bereits Eingeschulte selbst. Der Erstmitbeteiligte sei zur Reinigung verschiedener Häuser verpflichtet worden, wobei die Objekte von der Beschwerdeführerin bestimmt worden seien. Die ausgeführten Arbeiten seien durch spezielle Kontrollore überprüft worden. Der Erstmitbeteiligte habe nach einem festen, wöchentlichen Dienstplan gearbeitet und seine Arbeitsleistung sei von Kontrolloren des Dienstgebers geprüft worden. Somit ergebe sich, dass der Erstmitbeteiligte in den Betriebsorganismus eingegliedert und an Weisungen gebunden gewesen sei. Er habe ein monatliches Entgelt von S 15.000,-- erhalten.

Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch. Darin führte sie aus, der Erstmitbeteiligte habe mit einem Werkvertrag die Reinigung bestimmter Objekte übernommen. Demnach sei es dem Erstmitbeteiligten oblegen, wann er die Reinigung durchführe; wesentlich sei nur, dass einmal pro Woche gereinigt werde. Die Reinigungsmittel seien ihm nicht kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Die Schlüssel zu den Objekten seien dem Erstmitbeteiligten zu Beginn seiner Tätigkeit übergeben worden, ein spezielles Anlernen sei nicht erfolgt und werde er auch nicht überwacht. Kontrolliert werde lediglich, ob die Arbeiten überhaupt vorgenommen werden. Arbeitsberichte würden nicht abverlangt.

Entgegen der Bescheidbegründung durch die Gebietskrankenkasse sei nicht klar festgelegt, welches Haus wann und wo zu reinigen sei, es sei lediglich eine Liste der zu reinigenden Objekte übergeben worden. Wann diese zu reinigen sind, obliege ausschließlich dem Werkvertragspartner. Es gebe keinen Dienstplan, sondern nur eine Liste der in einer bestimmten Periode - im speziellen Fall eine Woche - zu reinigenden Objekte. Eine Einschulung sei nicht erfolgt, es seien dem Erstmitbeteiligten lediglich die Objekte gezeigt worden. Aus dem Umstand, dass die zu reinigenden Objekte von der Beschwerdeführerin bestimmt worden seien, ergäben sich keine Indizien für ein Dienstverhältnis. Für die Reinigungsarbeiten sei ein Pauschalhonorar vereinbart worden. Der Erstmitbeteiligte habe das Unternehmerrisiko deshalb getragen, weil die Objekte in manchen Wochen mehr, in anderen wieder weniger verschmutzt seien.

Der Landeshauptmann von Wien gab dem Einspruch statt und stellte fest, dass der Erstmitbeteiligte vom 6. bis 12. Juni 1995 in keinem die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden sei. In der Begründung wurde ausgeführt, der Erstmitbeteiligte habe am 14. Juni 1995 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angegeben, dass er eine Einschulung erhalten habe und ihm das Reinigungsmaterial kostenlos zur Verfügung gestellt werde. Derzeit erhalte noch der Einschuler den Dienstplan, später werde er diesen selbst erhalten und auch einen Arbeitsbericht erstatten müssen. Seine Arbeit werde fallweise kontrolliert. Bei seiner Einvernahme am 17. Juni 1996 vor der Einspruchsbehörde habe der Erstmitbeteiligte diese Angaben zunächst bestätigt aber zugleich eingeschränkt, dass er später erfahren habe, dass er die Reinigungsmittel selbst bezahlen und selbst zu den zu reinigenden Objekten fahren müsse. Deshalb habe er das Dienstverhältnis bereits nach einer Woche beendet. Über Wunsch des Erstmitbeteiligten habe am 19. Juni 1996 in Anwesenheit eines polnisch sprechenden Bekannten eine neuerliche Einvernahme stattgefunden. Der Erstmitbeteiligte habe dies damit begründet, dass er den Eindruck habe, auf Grund seiner mangelnden Deutschkenntnisse seien Missverständnisse entstanden. Bei dieser Einvernahme habe er ausgesagt, er habe von der Beschwerdeführerin eine Liste der zu reinigenden Objekte erhalten. Ein Bekannter habe sich bereit erklärt, ihn am ersten Arbeitstag zu begleiten, weil er sich damals in Wien noch nicht sehr gut ausgekannt habe. Er habe sich mit diesem am Lagerplatz der Beschwerdeführerin getroffen und dieser habe auch dafür gesorgt, dass ihm zumindest am ersten Tag ein Auto und Putzmittel zur Verfügung gestellt worden seien. Es sei aber ungeklärt geblieben, ob es sich dabei um ein Auto der Beschwerdeführerin gehandelt habe. Der Bekannte habe ihm erklärt, wie er die Häuser zu reinigen habe.

An einem der nächsten Tage sei er wieder zur Beschwerdeführerin gekommen und habe erwartet, dass ihn wiederum ein Auto samt Reinigungsmaterial zur Verfügung gestellt werde. Man habe ihm aber erklärt, dass er von nun an selbst für ein Fahrzeug und Reinigungsmaterial zu sorgen habe. Daraufhin sei er mit dem eigenen PKW zu den Häusern gefahren und habe eigene Reinigungsmaterialien benützt. Es habe zwar die Möglichkeit bestanden, Reinigungsmaterial von der Beschwerdeführerin zu beziehen, dann hätte er sie aber auch bezahlen müssen. Als ihm klar geworden sei, dass die Bereitstellung eines Fahrzeuges und der Reinigungsmaterialien nicht im Lohn enthalten seien, und daher sein Verdienst zu gering sein werde, habe er die Arbeit aufgegeben. Anlässlich seiner Tätigkeit seien ihm aber keine Weisungen erteilt worden. Auch habe ihm niemand vorgeschrieben, wann und in welcher Zeit er die Häuser zu reinigen habe. Er habe nur die auf der Liste angeführten Objekte innerhalb einer Woche zu reinigen gehabt. Aus diesen Aussagen ergebe sich aber eine Beschäftigung, die in persönlicher Unabhängigkeit, also frei von Weisungen und Kontrollen nach freier Zeiteinteilung ausgeübt worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Berufung. Darin wird im Wesentlichen geltend gemacht, auch aus der zweiten Aussage des Erstmitbeteiligten vor der Einspruchsbehörde komme noch immer deutlich zum Ausdruck, dass während der Zeit seiner Beschäftigung die Voraussetzungen der Pflichtversicherung gegeben gewesen seien. Der Erstmitbeteiligte habe seine Tätigkeit beendet, weil er darauf hingewiesen worden sei, dass er in Hinkunft mit einem selbst organisierten Kraftfahrzeug zu den Einsatzorten fahren müsse und sich das Reinigungsmaterial selbst zu organisieren habe. Dazu sei es aber durch die Beendigung der Tätigkeit nicht mehr gekommen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und stellte fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit als Hausreiniger bei der Beschwerdeführerin vom 6. bis 12. Juni 1995 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei. In der Begründung stellte die Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Gesetzeszitaten folgenden Sachverhalt fest: Der Erstmitbeteiligte sei in der Zeit vom 6. bis 12. Juni 1995 bei der Beschwerdeführerin tätig gewesen. Seine Tätigkeit habe die Reinigung von Gebäuden umfasst. Die Einteilung der zu reinigenden Objekte sei durch die Beschwerdeführerin erfolgt. Der Erstmitbeteiligte habe zu bestimmten Zeiten vorgegebene Arbeiten, die auch vom Dienstgeber regelmäßig kontrolliert worden seien, verrichtet. Die Beschwerdeführerin habe Arbeitsgeräte und Arbeitsmaterial kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Erstmitbeteiligte sei zur Erstellung eines Arbeitsberichtes verpflichtet gewesen.

Dieser Sachverhalt ergebe sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere den vier Einvernahmen des Erstmitbeteiligten, der Einvernahme der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin sowie den Einvernahmen des Eduard Z. und der Sabine H.

Der Erstmitbeteiligte habe bei seiner Niederschrift vor der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bei Umschreibung seiner Tätigkeit zusammengefasst von "Dienstplan für eine Woche", "Kontrollore" und "kostenloses Putzmaterial bereitgestellt" gesprochen. Solche Bezeichnungen würden für ein der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht entsprechendes Beschäftigungsverhältnis sprechen.

Bei seiner (ersten) Einvernahme vor der Einspruchsbehörde am 17. Juni 1996 habe er davon gesprochen, "jeden Morgen Treffpunkt auf dem Lagerplatz", "Verfügungstellung der Putzmittel etc. durch die Beschwerdeführerin", "Putzmittel nicht bezahlt".

Erst in der (zweiten) Einvernahme vor der Einspruchsbehörde am 19. Juni 1996 habe der Erstmitbeteiligte den Verdacht geäußert, es sei auf Grund seiner mangelnden Deutschkenntnisse zu Missverständnissen gekommen. Von seinen bisherigen Aussagen sei lediglich der Umstand des Vorliegens einer die zu reinigenden Objekte beinhaltenden Liste übrig geblieben. Die belangte Behörde habe den Erstmitbeteiligten unter Beiziehung eines Dolmetschers neuerlich vernommen. Die dabei getätigten Aussagen des Erstmitbeteiligten haben den Eindruck vorheriger Absprachen erweckt. Es sei zu berücksichtigen, dass die ersten Aussagen erfahrungsgemäß der Wahrheit am Nächsten kommen. Darüber hinaus erscheinen die ersten Aussagen des Erstmitbeteiligten glaubwürdig. Diese Angaben stünden darüber hinaus mit den Aussagen der Zeugin Sabine H. in Übereinstimmung. Von Sabine H. habe die belangte Behörde den Eindruck gewonnen, dass sie unvoreingenommen und ohne vorherige Absprachen die tatsächlichen Verhältnisse der Tätigkeit von Gebäudereinigern geschildert habe. Auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass - wie auch der Erstmitbeteiligte in seiner ersten Aussage geschildert habe - Kontrollore die Tätigkeit der Gebäudereiniger überwachen. Die Beschwerdeführerin sei nämlich auf Grund des zwischen ihr und dem jeweiligen Hauseigentümer abgeschlossenen Vertrages zur ordnungsgemäßen Reinigung der Objekte verpflichtet. In den jeweiligen Vereinbarungen seien detailliert die zu erbringenden Arbeitsleistungen geregelt. Es erscheine daher nicht der Wahrheit zu entsprechen, dass keine Kontrolle vorgesehen gewesen sei.

Aus der Aussage der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den Angaben des Erstmitbeteiligten ergebe sich, dass ein Angestellter der Beschwerdeführerin dem Erstmitbeteiligten die zu reinigenden Objekte gezeigt hat.

Dass angebliche Sprachschwierigkeiten zu Missverständnissen geführt hätten, vermöge nicht zu überzeugen. Auch der Zeuge Eduard Z. habe bestätigt, dass die Verständigung mit dem Erstmitbeteiligten gut gewesen sei.

Bemerkenswert sei auch, dass die Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme von "Kontrolloren" gesprochen habe. Grundsätzlich sei aber darauf hinzuweisen, dass ihre Aussage auf Grund ihres Interesses an der Verneinung der Versicherungspflicht zu würdigen sei.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, eine typische Ausprägung der Fremdbestimmtheit von Dienstverhältnissen liege in der Bindung an Ordnungsvorschriften über die Arbeitszeit. Aus den Feststellungen ergebe sich, dass sich die Gebäudereiniger jeden Tag in der Früh getroffen haben, um die anstehenden Arbeiten zu besprechen. Hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitsorte sei festzuhalten, dass den Gebäudereinigern eine Liste der betreffenden Objekte übergeben worden sei, welche einzuhalten gewesen sei. Darüber hinaus sei eine mit einfachen Arbeiten, großteils in Abwesenheit des Empfängers der Arbeitsleistung, beschäftigte Person im arbeitsbezogenen Verhalten nicht schon dadurch persönlich unabhängig, weil sich auf Grund ihrer Erfahrung und der Natur der zu verrichtenden Arbeiten Weisungen über die Reihenfolge und den näheren Inhalt dieser Arbeiten erübrigten und der Beschäftigte somit den Arbeitsablauf selbst bestimmen könne. Der Beschäftigte sei der stillen Autorität des Empfängers der Arbeitsleistung, d. h. einem Weisungs- und Kontrollrecht unterlegen. Nach den Feststellungen sei ein Arbeitsbericht zu erstellen gewesen und seien auch die vorgegebenen Arbeiten vom Dienstgeber regelmäßig kontrolliert worden.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich, dass ungeachtet der Bezeichnung der zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträge die Annahme eines Werkvertrages nicht in Betracht komme. Der Erstmitbeteiligte habe der Beschwerdeführerin seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, ohne einen bestimmten Erfolg, ein Werk oder Ähnliches zu garantieren. Die Vertragspflicht des Erstmitbeteiligten habe Dienstleistungen erfasst, sie habe sich also auf eine der Art nach umschreibbare Tätigkeit bezogen.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit sei eine zwangsläufige Folge der persönlichen Abhängigkeit. Hiezu sei lediglich noch zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin die Arbeitsgeräte und das Arbeitsmaterial kostenfrei zur Verfügung gestellt habe. Zusammenfassend sei daher davon auszugehen, dass nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Erstmitbeteiligten weitgehend ausgeschaltet und nicht nur beschränkt gewesen sei und die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung einer Erwerbstätigkeit überwogen hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von den mitbeteiligten Parteien hat lediglich die Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, es sei von einem Werkvertrag auszugehen. Hiezu komme noch, dass der Erstmitbeteiligte Werkvertragnehmer und nicht Dienstnehmer habe sein wollen.

Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass die Sozialversicherung nach dem ASVG und dem AlVG als Pflichtversicherung eingerichtet ist. Der Dienstnehmer wird durch die Erfüllung eines rein objektiven Tatbestandes versichert, sein darauf oder dagegen gerichteter Wille ist nicht entscheidend.

Im Übrigen ist für die Beurteilung der Frage, ob ein auf einem Vertrag beruhendes Beschäftigungsverhältnis (das ist das dienstliche Verhältnis in Bezug auf eine bestimmte andere Person, nämlich den Dienstgeber: vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A, und die Erkenntnisse vom 16. April 1991, Zl. 90/08/0153, und vom 2. Juli 1991, Zl. 89/08/0310) in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit besteht, nicht primär der Vertrag maßgebend, auf Grund dessen die Beschäftigung ausgeübt wird, sondern sind die "wahren Verhältnisse" entscheidend, d.h. ob bei der tatsächlichen und nicht bloß vereinbarten Art der Beschäftigung die Kriterien persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen. Dem Vertrag kommt allerdings zunächst die Vermutung seiner Richtigkeit zu, d.h. die Annahme, dass er den wahren Sachverhalt wiederspiegelt. Soweit ein Vertrag von den tatsächlichen Gegebenheiten nicht abweicht (d.h. soweit es sich nicht um einen Scheinvertrag handelt), ist er als Teil der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung (anhand der in der Judikatur herausgearbeiteten Kriterien) in diese einzubeziehen, weil er die von den Parteien in Aussicht genommenen Konturen des Beschäftigungsverhältnisses sichtbar werden lässt (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tag, 96/08/0200, mit zahlreichen Nachweisen). Die belangte Behörde hat daher zutreffend Feststellungen über die tatsächliche Ausführung der Tätigkeit des Erstmitbeteiligten getroffen.

In den Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft die Beschwerdeführerin die zu den Feststellungen im Bescheid führende Beweiswürdigung und macht eine gröbliche Verletzung des Parteiengehörs geltend.

Gemäß § 67 i.V.m. § 60 AVG hat auch die Rechtsmittelbehörde in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss sie in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dartun, welcher für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebende Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtete.

Davon ausgehend erweist sich zunächst die Beschwerdebehauptung, die belangte Behörde habe sich mit ihrem Vorbringen und den Angaben ihrer Geschäftsführerin nicht auseinander gesetzt, als unzutreffend. Im Rahmen der dargestellten Beweiswürdigung hat die belangte Behörde die Angaben der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin einer Würdigung unterzogen.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass die Würdigung der Beweise keinen bestimmten, insbesondere nicht gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Sie schließt zwar eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Bedenken gegen die Schlüssigkeit der diesbezüglichen Erwägungen der belangten Behörde werden in der Beschwerde aufgezeigt. Der Hinweis der Beschwerdeführerin, dass die Zeugin H. zur Lösung der Tatfrage keinen Beitrag zu leisten vermag, ist im Ergebnis berechtigt. Zunächst ist festzuhalten, dass die Angaben der Zeugin im Bescheid nicht zur Gänze, sondern nur auszugsweise wiedergegeben werden. So ist im Bescheid die Aussage, wonach der Zeugin in den Büroräumlichkeiten der Beschwerdeführerin, im Lager der Firma und bei einem Kunden der Firma tätig geworden sei, nicht enthalten. Daraus scheint sich aber zu ergeben, dass die Zeugin in einem anders gearteten Bereich als der Erstmitbeteiligte gearbeitet hat, womit sich die Behörde nicht auseinander gesetzt hat. Soweit sich daher die belangte Behörde zur Stützung ihrer Feststellungen auf diese Zeugin beruft, bleibt ihre Beweiswürdigung unschlüssig. Schon aus diesem Grunde ist der Bescheid aufzuheben.

Dazu kommt, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin weder zur Berufungsschrift der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse noch zur Einvernahme des Erstmitbeteiligten und des Zeugen Eduard Z. Parteiengehör gewährt hat.

Auf Grund dieser Erwägungen ist nicht auszuschließen, dass die Behörde bei Vermeidung dieser Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf den Ersatz von Stempelgebühren gerichtete Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende sachliche Gebührenbefreiung gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 16. Mai 2001

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit Dienstnehmer Begriff Wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998080173.X00

Im RIS seit

30.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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