TE Vwgh Erkenntnis 2001/5/18 2001/18/0077

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Veröffentlicht am 18.05.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §48 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
StGB §84 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des S F, geboren am 27. März 1967, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. März 2001, Zl. SD 109/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. März 2001 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen tunesischen Staatsangehörigen, gemäß § 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei nach eigenen Angaben erstmals im Jahr 1990 nach Österreich eingereist. Am 19. August 1991 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. In weiterer Folge habe er sich teils in Tunesien und teils in Österreich aufgehalten, ohne über eine Aufenthaltsbewilligung für das Bundesgebiet zu verfügen. Am 19. Jänner 1993 sei gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren rechtskräftig erlassen worden. Grund dafür sei die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers sowie seine Verurteilung vom 14. Oktober 1992 wegen § 83 Abs. 1, § 84 Abs. 2 Z. 1 StGB gewesen. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 28. März 1992 einer anderen Person mit einem Messer (Klingenlänge 9,5 cm) an der linken Halsseite eine zwölf Zentimeter lange Schnittwunde zugefügt habe. Diese Körperverletzung habe er mit einem solchen Mittel und auf solche Weise begangen, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden sei.

Am 20. Jänner 1993 sei der Beschwerdeführer in Vollziehung des Aufenthaltsverbotes in seine Heimat abgeschoben worden. Nach eigenen Angaben sei er jedoch Ende August 1994 trotz aufrechtem Aufenthaltsverbot nach Österreich zurückgekehrt.

Am 10. April 1995 sei der Beschwerdeführer gemäß § 83 Abs. 1, § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 19. Oktober1994 seine (damalige) Gattin durch Schläge am Körper verletzt und die Eingangstüre des Wohnhauses seiner Gattin durch Fußtritte beschädigt habe.

Am 2. August 1997 habe der Beschwerdeführer in Tunesien eine (andere) österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Anschließend sei er am 9. April 1998 nach Österreich eingereist und habe in der Folge Aufenthaltstitel zum Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" bis 24. August 2000 erhalten.

Am 31. Mai 1999 sei der Beschwerdeführer gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er am 1. August 1998 eine andere Person durch Schläge, einen Kopfstoß und Fußtritte am Körper verletzt habe.

Am 27. Oktober 1999 sei der Beschwerdeführer wegen § 287 Abs. 1 (§§ 105 Abs. 1, 107 Abs. 1, 146) StGB zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass sich der Beschwerdeführer am 4. Oktober 1999 fahrlässig durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und in diesem Zustand unter Vorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Fahrgast zu sein, einen Taxifahrer zur Durchführung einer Taxifahrt verleitet, seine eigene Gattin durch die Äußerung, er werde sie umbringen, gefährlich bedroht sowie dadurch, dass er gegen den Taxifahrer ein Küchenmesser gerichtet und ihn gefragt habe, ob er jetzt noch immer Geld von ihm wolle, zur Abstandnahme von einem weiteren Inkassoversuch hinsichtlich der offenen Taxirechnung und zum Verlassen der Wohnung genötigt habe.

Am 13. Dezember 2000 sei der Beschwerdeführer wegen § 270 Abs. 1, § 125, § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass er am 10. November 2000 Sicherheitswachebeamte während einer Amtshandlung tätlich angegriffen habe. Einem Sicherheitswachebeamten habe er die Uniform beschädigt und eine andere Sicherheitswachebeamtin habe er durch die Äußerung, er werde sie umbringen, gefährlich bedroht.

Gegen den Beschwerdeführer als Gatten einer österreichischen Staatsangehörigen sei gemäß § 48 Abs. 1 FrG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur zulässig, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei. Auf Grund des dargestellten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers bestehe kein Zweifel, dass die Voraussetzungen des als Orientierungsmaßstab heranzuziehenden § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG und jene des § 48 Abs. 1 erster Satz leg. cit. gegeben seien.

Der Beschwerdeführer sei seit knapp drei Jahren (wieder) im Bundesgebiet aufhältig und lebe mit seiner Gattin im gemeinsamen Haushalt. Auf Grund seiner (fast) durchgehenden Erwerbstätigkeit sei er finanziell abgesichert. Das Aufenthaltsverbot sei daher mit einem Eingriff in das Privat- und Familienleben verbunden. Diese Maßnahme sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte, des Vermögens und der körperlichen Integrität Dritter) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, habe doch der Beschwerdeführer durch sein bisheriges Verhalten augenfällig dokumentiert, nicht in der Lage oder willens zu sein, die strafrechtlichen Normen seines Gastlandes einzuhalten.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich gemindert werde. Dazu komme, dass die Ehe des Beschwerdeführers offenbar zerrüttet sei. Mit einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 9. August 2000 sei dem Beschwerdeführer das Verlassen der Ehewohnung aufgetragen und die Rückkehr in das von seiner Gattin bewohnte Haus und dessen nähere Umgebung verboten worden. Diese einstweilige Verfügung zeige, dass die Ehe zerrüttet sei. "Dies auch unter dem Aspekt, dass die Ehegattin des Berufungswerbers ihre Scheidungsklage am 07.12.2000 zurückgezogen und um Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 09.08.2000 ersucht hat." Der Beschwerdeführer habe sein Verhalten im Lauf der Jahre seines Aufenthaltes in Österreich nicht verändert. In den Jahren 1998 bis 2000 sei er in kurzen Abständen insgesamt dreimal wegen Straftaten gegen fremdes Vermögen, die Freiheit sowie die körperliche Integrität verurteilt worden. Zu berücksichtigen sei, dass er auch bereits in den Jahren 1992 und 1994 Gewaltdelikte begangen habe. Seit seiner legalen Einreise in das Bundesgebiet im April 1998 habe er trotz des familiären Rückhaltes durch seine Ehegattin und sein geregeltes Einkommen die festgestellten strafbaren Handlungen begangen. Sein persönliches Verhalten lasse daher erkennen, dass er eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Vor dem Hintergrund der zahlreichen einschlägigen Verurteilungen des Beschwerdeführers sei seine Erklärung, vom Alkohol loskommen zu wollen, nicht geeignet, eine günstige Prognose zu erstellen, zumal es sich hiebei um eine bloße Absichtserklärung handle. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer hat am 28. März 1992 eine andere Person mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist (§ 84 Abs. 2 Z. 1 StGB), vorsätzlich verletzt. Am 19. Oktober 1994 hat er seine Gattin durch Schläge und Fußtritte am Körper verletzt und die Eingangstür von deren Haus beschädigt. Am 1. August 1998 hat er eine andere Person durch Schläge, Fußtritte und einen Kopfstoß vorsätzlich am Körper verletzt. Am 27. Oktober 1999 hat er im Zustand voller Berauschung einen Taxifahrer betrogen sowie seine Gattin und den Taxifahrer gefährlich bedroht. Schließlich hat er am 10. November 2000 Sicherheitswachebeamte bei einer Amtshandlung tätlich angegriffen und gefährlich bedroht. Dieses in letzter Zeit gehäufte Fehlverhalten des Beschwerdeführers zeigt deutlich dessen Neigung zu Aggressionshandlungen gegen andere Personen, wobei er auch vor Körperverletzungen nicht zurückschreckt.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass sämtliche Straftaten auf seinen Alkoholmissbrauch zurückzuführen seien. Derzeit befinde er sich erstmals für längere Zeit in Haft und werde dort "intensiv massiv betreut". Nach der Haftentlassung werde eine weitere Behandlung in Kalksburg stattfinden, sodass "berechtigte Hoffnung besteht", dass er sich vom Alkohol lösen werde.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die derzeitige Therapie des Beschwerdeführers keine Gewähr dafür bietet, in Hinkunft nicht mehr straffällig zu werden, bringt er doch selbst vor, sich bereits bisher "immer wieder bemüht" zu haben, "von dieser Sucht und Krankheit loszukommen und eine Therapie durchzuführen". Er sei aber immer wieder rückfällig geworden.

Da der Beschwerdeführer somit auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdet, kann die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz FrG gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde zugunsten des Beschwerdeführers die Aufenthaltsdauer, den gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin und die Berufstätigkeit berücksichtigt. Zu Recht hat sie darauf hingewiesen, dass die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration in ihrer sozialen Komponente durch die zahlreichen Straftaten des Beschwerdeführers gemindert wird. Das Gewicht der Ehe des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde auf Grund der Zerrüttung als relativiert angesehen.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die Gefährdung öffentlicher Interessen durch sein Gesamtfehlverhalten gegenüber. Der Beschwerdeführer hat insgesamt fünf strafbare Handlungen begangen, wobei er jedes Mal Gewalt gegen Personen ausgeübt oder angedroht hat. Die bisher letzte Straftat liegt erst vier Monate zurück. Auf Grund des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Gewaltkriminalität begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), selbst dann keinen Bedenken, wenn man das Vorbringen berücksichtigt, dass sich der Beschwerdeführer mit seiner Gattin ausgesöhnt hat, und das Gewicht der Ehe demnach nicht als gemindert ansieht.

Dem Beschwerdeführer gelingt es daher mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde habe die Vernehmung seiner Gattin unterlassen, nicht, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 18. Mai 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001180077.X00

Im RIS seit

13.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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