TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/1 2000/19/0098

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.06.2001
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §65;
AVG §68 Abs2;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
FrG 1997 §14 Abs3;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/19/0099

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde 1. des am 4. September 1966 geborenen Fouldi B, und 2. der am 11. Mai 1994 geborenen F B, beide in Wien, beide vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 23. Februar 2000,

1. Zl. 104.952/10-III/11/98, und 2. Zl. 104.952/11-III/11/98, jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. zu Recht erkannt:

Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres jeweils vom 23. Februar 2000 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 28. Jänner 1998 gemäß § 14 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Mit diesen Bescheiden waren die gemäß § 112 FrG 1997 als solche auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gewerteten Anträge der Beschwerdeführer vom 26. Juni 1996 gemäß § 14 Abs. 3 leg. cit. zurückgewiesen worden.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen im Wesentlichen wortgleich aus, die erstinstanzliche Behörde habe mit Ladungsbescheid vom 19. Juli 1996, welcher ordnungsgemäß am 25. Juli 1996 zugestellt worden sei, verlangt, dass der Erstbeschwerdeführer (auch als Vertreter der Zweitbeschwerdeführerin) am 29. Juli 1996 persönlich erscheinen möge. Das Verlangen der erstinstanzlichen Behörde vor dieser persönlich zu erscheinen, sei deshalb erfolgt, damit der Erstbeschwerdeführer einen gültigen Reisepass, in dem die Zweitbeschwerdeführerin eventuell eingetragen sei, und den Auszug der Wiener Gebietskrankenkasse über die Versicherungszeiten bei der Behörde vorlegen könne. Da die Beschwerdeführer keinen gültigen Reisepass hätten vorlegen können, seien ihre Anträge auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels von der Behörde erster Instanz zurückgewiesen worden. Die Beschwerdeführer seien im Berufungsverfahren mit Schreiben vom 30. Oktober 1998, zugestellt durch Hinterlegung am 6. November 1998, neuerlich aufgefordert worden, ein gültiges Reisedokument vorzulegen. Dies sei dem Erstbeschwerdeführer bis dato nicht möglich gewesen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe erst im Berufungsverfahren ein gültiges Reisedokument vorgelegt.

Da beide Beschwerdeführer jedoch im Verfahren der ersten Instanz kein gültiges Reisedokument vorgelegt hätten, sei die erstinstanzliche Entscheidung jeweils zu bestätigen und die Berufung abzuweisen gewesen. Im Fall der Zweitbeschwerdeführerin dürfte bei einer neuerlichen Antragstellung und bei Vorliegen der Voraussetzungen der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels nichts entgegenstehen.

Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers:

Der Bundesminister für Inneres erließ mit Datum vom 26. Mai 2000, Zl. 104.952/14-III/11/00, dem Erstbeschwerdeführer zugestellt am 19. Dezember 2000, einen Bescheid, mit dem er den obgenannten erstangefochtenen Bescheid vom 23. Februar 2000 gemäß § 68 Abs. 2 AVG abänderte und in Stattgebung der Berufung den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. Jänner 1998 behob. Der Erstbeschwerdeführer erklärte mit Schreiben vom 19. Februar 2001, durch diesen Bescheid klaglos gestellt zu sein.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde. Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

Durch die Abänderung des Bescheides der belangten Behörde vom 26. Mai 2000 durch die belangte Behörde selbst in Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG ist ein derartiger Fall der formellen Klaglosstellung eingetreten. Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Februar 2000 war daher als gegenstandslos geworden zu erklären.

Da die Klaglosstellung erst nach Ablauf der gemäß § 36 Abs. 1 VwGG gesetzten Frist erfolgte, stützt sich der Kostenersatz auf § 56 erster Satz VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:

Unstrittig ist, dass die Zweitbeschwerdeführerin im Berufungsverfahren ein gültiges Reisedokument vorgelegt hat.

Die dem zweitangefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Rechtsansicht der belangten Behörde, die Vorlage dieses Reisedokuments hätte bereits (und offensichtlich ausschließlich) im erstinstanzlichen Verfahren erfolgen müssen, um nicht die Rechtsfolge der Zurückweisung des Antrages gemäß § 14 Abs. 3 letzter Satz FrG 1997 nach sich zu ziehen, ist jedoch als verfehlt anzusehen. Auf Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ist das AVG anzuwenden, dem ein Neuerungsverbot im Berufungsverfahren fremd ist. Die Berufungsbehörde hat auf neue Tatsachen und Beweismittel, mag sie aus welchem Grund immer davon Kenntnis erlangt haben, Bedacht zu nehmen. Der Partei ist es daher keineswegs verwehrt, im weiteren Verlauf des Verfahrens, solange der Berufungsbescheid nicht ergangen ist, neue Tatsachen und Beweise vorzubringen, mit denen sich die Berufungsbehörde auf jeden Fall auseinander zu setzen hat (vgl. dazu etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 65 AVG zitierte hg. Judikatur).

Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den zweitangefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 1. Juni 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000190098.X00

Im RIS seit

13.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten