TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/6 98/09/0149

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Veröffentlicht am 06.06.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
AVG §70 Abs3;
BDG 1979 §94 Abs1 Z1 idF 1994/016;
BDG 1979 §94 Abs1 Z2 idF 1994/016;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 23. März 1998, Zl. 92-22- DK/13/94, betreffend amtswegige Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens und Verhandlungsbeschluss nach dem BDG 1979,

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, soweit sie gegen die amtswegige Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens erhoben wird, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird im Übrigen, soweit sie gegen den Verhandlungsbeschluss erhoben wird, als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand ab 1. September 1993 bis zur Erlassung des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 22. Juni 1995, Zl. 116.814/3-II/2/95, mit dem die von der Dienstbehörde zum 28. Februar 1995 unter Einhaltung einer zweimonatigen Kündigungsfrist ausgesprochene Kündigung seines provisorischen Dienstverhältnisses rechtskräftig bestätigt worden war, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war der Schulabteilung der Sicherheitswache der Bundespolizeidirektion Wien zugeteilt.

Mit Beschluss vom 18. Jänner 1995 hat die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes, "er habe am 29. Jänner 1994 um 16.10 Uhr privat und außer Dienst in Wien 19., H-Straße Nr. 129, Telefonzelle, durch Selbstbefriedigung öffentliche unzüchtige Handlungen gesetzt, er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 43/2 BDG iVm § 91 BDG 1979 idgF begangen", gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Dieser, dem Beschwerdeführer am 8. Februar 1995 zugestellte Einleitungsbeschluss ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit Aktenvermerk vom 17. August 1995 hat die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres das Disziplinarverfahren gemäß § 118 Abs. 2 BDG 1979 deshalb eingestellt, weil das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschwerdeführers auf Grund der rechtskräftigen Kündigung mit 4. Juli 1995 endete.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1997, Zl. 95/12/0209, wurde der (im Kündigungsverfahren ergangene) Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juni 1995 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Beschwerdeführer wurde solcherart rückwirkend wieder Beamter bzw. in den Dienststand versetzt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 23. März 1998 hat die belangte Behörde wegen des im Einleitungsbeschluss vom 18. Jänner 1995 umschriebenen Verdachtes im Disziplinarverfahren des Beschwerdeführers verfügt,

"1. das mit 17.8.1995 GZ 92-16-DK/13/94 gemäß § 118/2 BDG eingestellte Disziplinarverfahren gemäß § 69/1/3 AVG 1991 i.d.g.F. i. V.m. § 690/3 AVG von Amts wegen wieder aufzunehmen sowie

2. gemäß § 124/1 BDG eine Disziplinarverhandlung für den 13.8.1998, 9.00 Uhr im Verhandlungssaal der Disziplinarkommission, Außensenat Wien, Konferenzzentrum 1220 Wien, Am Hubertusdamm 6, anzuberaumen".

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes aus, die amtswegige Wiederaufnahme sei deshalb verfügt worden, weil der Verwaltungsgerichtshof die rechtskräftige Kündigung (des provisorischen Dienstverhältnisses) aufgehoben und somit eine Vorfrage anders entschieden habe. Der Verdacht, schwer wiegende Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, bestehe auch vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1997 weiterhin gegen den Beschwerdeführer. Bei der Beurteilung des disziplinarrechtlichen Aspektes sei die belangte Behörde nicht an eine wegen Fehlens eines strafrechtlichen Tatbestandes gemäß § 90 StPO getroffene Entscheidung der Staatsanwaltschaft oder des Strafgerichtes gebunden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, "dass das mit 17. August 1995, GZ. 92-16-DK/13/94 gemäß § 118 Abs. 2 BDG 1979 eingestellte Disziplinarverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG 1991 in der Fassung mit § 69 Abs. 3 leg. cit. von Amts wegen nicht wieder aufgenommen und gemäß § 124 Abs. 1 BDG 1979 eine Disziplinarverhandlung nicht anberaumt wird". Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte - nach dem Abschluss des bei der Berufungskommission beim Bundeskanzlersamt gleichzeitig anhängig gemachten Berufungsverfahrens - die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erklärte, dass keine Gegenschrift erstattet werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen und erwogen:

1. Zur Beschwerde gegen die amtswegige Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens:

Voraussetzung für die Beschwerdeberechtigung im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter anderem die Erschöpfung des Instanzenzuges. Beschwerden können daher nur gegen letztinstanzliche Bescheide erhoben werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist (seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. März 1977, Slg. N.F. Nr. 9277/A) die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt (bewilligt) wurde, dann mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen, wenn gegen diesen Bescheid noch eine - wenn auch keine abgesonderte - Berufung zusteht, wie dies gemäß § 70 Abs. 3 zweiter Satz AVG (hier: in Verbindung mit § 105 Z. 1 BDG 1979) bei nicht letztinstanzlichen Wiederaufnahmsbescheiden der Fall ist (vgl. die hg. Beschlüsse vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/11/0433, und vom 28. April 1992, Zl. 92/07/0045, sowie Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 7. Auflage 1999, Rz 603). Der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides ist im Übrigen zutreffend zu entnehmen gewesen, dass gemäß § 70 Abs. 3 AVG gegen die Verfügung der Wiederaufnahme "eine abgesonderte Berufung nicht zulässig ist".

Die vorliegende Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides richtet, mangels Erschöpfung des Instanzenzuges gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

2. Zur Beschwerde gegen den Verhandlungsbeschluss:

Der Beschwerdeführer macht geltend, wegen der ihm angelasteten Tat vom 29. Jänner 1994 sei nicht "innerhalb von drei Jahren" das Disziplinarverfahren gemäß "§ 94 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979" eingeleitet worden, er dürfe daher nicht mehr bestraft werden. Ein nunmehr gefasster Einleitungsbeschluss wäre auf Grund eingetretener Verjährung rechtswidrig. Dies müsse umsomehr für einen "ohne Einleitungsbeschluss" gefällten Verhandlungsbeschluss gelten.

Bei diesen Ausführungen lässt der Beschwerdeführer allerdings unberücksichtigt, dass wegen der ihm angelasteten Tat Verfolgungsverjährung nicht eingetreten ist, weil die Disziplinarkommission mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 18. Jänner 1995 das Disziplinarverfahren fristgerecht eingeleitet hat. Die Behauptung, es sei kein Einleitungsbeschluss gefasst worden, ist unzutreffend und widerspricht der Aktenlage.

Gemäß § 243 Abs. 4 BDG 1979 ist auf Dienstpflichtverletzungen, die vor dem 1. Jänner 1994 begangen worden sind, der § 94 in der bis 31. Dezember 1993 geltenden Fassung anzuwenden. Auf Dienstpflichtverletzungen, die nach dem 30. Juni 1994 begangen wurden, ist zufolge Abs. 5 leg. cit. der § 94 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 656/1994 anzuwenden.

Auf die dem Beschwerdeführer im Verdachtsbereich vorgeworfene Dienstpflichtverletzung vom 29. Jänner 1994 ist demnach § 94 BDG 1979 in der Fassung der 2. BDG-Novelle 1993 (BGBl.

Nr. 16/1994) anzuwenden.

     § 94 Abs. 1 BDG 1979, in der im Beschwerdefall maßgebenden

Fassung, lautet daher:

     "Der Beamte darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht

mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist oder

2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,

eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 123 Abs. 1 zweiter Satz), verlängert sich die unter Z. 1 genannte Frist um sechs Monate."

In der Beschwerde wird nicht behauptet, dass die Frist des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 - die sich vorliegend zufolge der offenbar notwendig gewesenen Ermittlungen nach dem letzten Satz des § 94 Abs. 1 leg. cit. um sechs Monate verlängerte bzw. wegen anhängig gewesener Strafverfahren gehemmt war - nicht gewahrt wurde. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Verwaltungsakten nicht finden, dass der Einleitungsbeschluss vom 18. Jänner 1995 nicht fristgerecht erlassen wurde und Verfolgungsverjährung deshalb eingetreten sei.

Hat die Disziplinarkommission mit dem in Rechtskraft erwachsenen Einleitungsbeschluss aber das Disziplinarverfahren im Sinne des § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 fristgerecht eingeleitet, dann wurde dadurch auch die Frist des § 94 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 gewahrt.

Auf der Grundlage des dem Rechtsbestand angehörenden Einleitungsbeschlusses vom 18. Jänner 1995 ist im Hinblick auf die mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1997 rückwirkend erfolgte Wiederherstellung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses eine disziplinäre Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der im Einleitungsbeschluss umschriebenen Tat möglich geworden, zumal eine Bestimmung über die Strafbarkeitsverjährung, wie dies Ziffer 1a des § 94 Abs. 1 BDG 1979 (in der Fassung BGBl. I Nr. 61/1997) mit - zufolge § 278 Abs. 25 Z. 7 BDG 1979 - Wirkung ab 1. Juli 1997 vorsieht, im Beschwerdefall deshalb nicht anwendbar ist, weil das vorliegende (seit 1995 andauernde) Disziplinarverfahren - ungeachtet der ausgesprochenen Wiederaufnahme - vor dem und auch am 30. Juni 1997 anhängig war, sodass zufolge § 243 Abs. 6 BDG 1979 dieses Gesetz in der bis 30. Juni 1997 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist. Da im vorliegenden Disziplinarverfahren somit eine Strafbarkeitsverjährung nicht vorgesehen ist, war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde einen auf dem Einleitungsbeschluss vom 18. Jänner 1995 aufbauenden Verhandlungsbeschluss im vorliegenden Disziplinarverfahren erlassen hat.

Die Beschwerde war, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die belangte Behörde hat keinen Aufwandersatz begehrt (vgl. § 59 Abs. 1 VwGG).

Wien, am 6. Juni 2001

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998090149.X00

Im RIS seit

02.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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