TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/11 2000/02/0299

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Veröffentlicht am 11.06.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
41/01 Sicherheitsrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art131 Abs2;
FrG 1993 §33;
MRK Art5 Abs1 litf;
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z7;
SPG 1991 §2 Abs2;
SPG 1991 §91;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/02/0300 2000/02/0301

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 23. Mai 2000 in der Fassung der Berichtigungsbescheide vom 22. Juni 2000, Zlen. Senat-F-99-791 (und 791/2), 792 und 793, betreffend unmittelbare sicherheitsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt (mitbeteiligte Parteien: 1. M, 2. S und 3. S, alle vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in Wien I, Stubenring 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden, soweit darin den an die belangte Behörde gerichteten Beschwerden gegen die Anweisung, sich vom 4. November 1997 bis zum 10. November 1997 im Sondertransitraum des Flughafens Wien aufzuhalten, Folge gegeben und die Anhaltung in dem genannten Teil des Grenzkontrollbereiches für rechtswidrig erklärt wurde sowie hinsichtlich der dem Bund auferlegten Verpflichtung zum Kostenersatz, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit im Wesentlichen gleich lautenden Bescheiden vom 5. Mai 1998 wies die belangte Behörde die Beschwerden der mitbeteiligten Parteien (indischer Staatsangehöriger) gegen die Anordnung der Sicherheitsorgane, sich im Zeitraum vom 9. Oktober 1997 bis zum 10. November 1997 gemäß § 33 Abs. 1 FrG 1992 zur Sicherung der Zurückweisung an einem bestimmten Ort im Grenzkontrollbereich, nämlich vom 9. Oktober 1997 bis zum 4. November 1997 im allgemeinen Transitraum des Flughafens Wien und vom 4. November 1997 bis zum 10. November 1997 im Sondertransitbereich, aufzuhalten, ab.

Dagegen erhoben die mitbeteiligten Parteien gleich lautende auf Art. 144 B-VG gestützte Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, der die angefochtenen Bescheide wegen Verletzung des Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander mit Erkenntnis vom 11. März 1999, B 1159/98, B 1160/98 und B 1161/98 (= Slg. Nr. 15 465/1999), aufgehoben und in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, dass die angefochtenen Bescheide grundsätzlich der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entsprächen, wonach Art. 8 StGG und das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit - nunmehr das BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit - ebenso wie Art. 5 EMRK nicht vor jeglicher Beschränkung der Bewegungsfreiheit schlechthin schützten, sondern nur vor willkürlicher Verhaftung, rechtswidriger Inverwahrnahme sowie rechtswidriger Internierung und Konfinierung. Eine "Verhaftung" liege nach dieser Rechtsprechung nur dann vor, wenn Amtsorgane im Zuge der Amtshandlung unter Anwendung physischen Zwanges persönliche Ortsveränderungen entweder überhaupt unterbinden würden oder auf bestimmte, nach allen Seiten hin begrenzte Örtlichkeiten oder Gebiete, die nicht verlassen werden dürften, einschränkten.

Der Verfassungsgerichtshof bleibe grundsätzlich bei dieser Rechtsprechung, zumal ihr auch die Europäische Kommission für Menschenrechte in ihrer Entscheidung vom 5. April 1993, Beschwerde Nr. 19.066/1991 (ÖJZ 1994, 57ff), gefolgt sei. Die Kommission habe gemeint, dass die damaligen Beschwerdeführer aus freiem Willen auf dem Flughafen Wien angekommen und frei gewesen wären, Österreich jederzeit zu verlassen. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass den bekämpften Bescheiden jedenfalls insoweit keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler anzulasten seien, als sie über die Anordnungen der Sicherheitsorgane, dass sich die mitbeteiligten Parteien im allgemeinen Transitraum aufzuhalten hätten, entschieden und diesen Anordnungen keine die persönliche Freiheit einschränkenden Charakter beigemessen hätten.

Hinsichtlich der Anordnungen, sich im Sondertransitraum aufzuhalten, gelte jedoch, dass der Verfassungsgerichtshof in dem den Aufenthalt von Fremden im Transitraum des Flughafens Wien - Schwechat betreffenden Erkenntnis VfSlg. 12.523/1990 auf die "Natur und Beschaffenheit" der bekämpften Amtshandlung abgestellt habe. Inzwischen habe aber der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 25. Juni 1996, Zl. 17/1995/523/609, Amuur gegen Frankreich (EuGRZ 1996, 577ff.) erkannt, dass bei der Beurteilung der Frage, ob jemandem im Sinne des Art. 5 Abs. 1 MRK die Freiheit entzogen worden sei, auch von der konkreten Situation auszugehen sei und eine ganze Reihe von Kriterien berücksichtigt werden müssten, wie z.B. die Art, Dauer, Auswirkungen und die Art der Durchführung der betreffenden Maßnahme. Der Unterschied zwischen Entzug und Beschränkung der Freiheit sei lediglich eine Frage des Grades oder der Intensität und nicht eine der Natur oder der Substanz. Das Festhalten von Fremden in der internationalen Zone beinhalte in der Tat eine Freiheitsbeschränkung, jedoch keine, die in jeder Hinsicht derjenigen, die in Zentren für das Festhalten von Fremden, die ausgewiesen würden, vergleichbar sei. Eine solche Einschränkung, die mit angemessenen Garantien für die betroffenen Personen einhergehe, sei nur zum Zwecke hinnehmbar, es den Staaten zu ermöglichen, illegale Einwanderungen zu verhindern. Ein solches Festhalten sollte nicht exzessiv verlängert werden. Andernfalls bestehe das Risiko, eine bloße Freiheitsbeschränkung in eine Freiheitsentziehung zu verwandeln. Unter Gesamtwürdigung aller Aspekte sei der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zum Ergebnis gekommen, dass das Festhalten der damaligen Beschwerdeführer in der Transitzone des Flughafens Paris - Orly im Hinblick auf die erlittenen Einschränkungen einer Freiheitsentziehung gleichgekommen sei; Art. 5 Abs. 1 EMRK sei also auf diesen Fall anwendbar.

Der Verfassungsgerichtshof folge dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in dessen Bewertung von Art. 5 Abs. 1 MRK; für die Beschwerden der Mitbeteiligten ergebe sich daraus, dass die belangte Behörde, weil sie von einer unzutreffenden Rechtsanschauung ausgegangen sei, entsprechende Erhebungen im Sinne der genannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte über die genauen Umstände (Ursache und Ablauf) der Verbringung der Mitbeteiligten in den Sondertransitraum und über ihre konkrete Situation im Sondertransitraum überhaupt nicht gepflogen habe (diesbezüglich enthielten die Bescheide nur allgemeine Hinweise). Zu diesen maßgeblichen Fakten zähle etwa auch die Klärung der Fragen, ob die Mitbeteiligten auch im Sondertransitraum im Grunde jederzeit die Möglichkeit gehabt hätten, den Ort zum Zweck des Abfluges zu verlassen, und ob sie die Möglichkeit gehabt hätten, ihre Ausreise selbst zu organisieren (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof).

Die belangte Behörde hat daraufhin mit den inhaltlich gleich lautenden Bescheiden vom 23. Mai 2000 die Beschwerden, soweit sie sich gegen die Anweisung richteten, sich vom 9. Oktober 1997 bis zum 4. November 1997 im allgemeinen Transitraum des Flughafens Wien aufzuhalten, gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen. Hingegen gab sie den Beschwerden gegen die Anweisung, sich vom 4. November 1997 bis zum 10. November 1997 im Sondertransitraum des Flughafens Wien aufzuhalten, Folge und erklärte die Anhaltung in dem genannten Teil des Grenzkontrollbereiches für rechtswidrig.

In den (gleich lautenden) Bescheidbegründungen verwies die belangte Behörde hinsichtlich des ihrer Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhaltes zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Bescheide vom 5. Mai 1998 und führte aus, den angefochtenen Bescheiden lägen ferner die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes aus dem in der Sache ergangenen Erkenntnis vom 11. März 1999 zu Grunde, wobei hinsichtlich der Abweisung der Beschwerden betreffend die Anordnung, sich im allgemeinen Transitraum aufzuhalten, ausdrücklich auf die im genannten Erkenntnis erfolgten Feststellungen und rechtlichen Würdigungen verwiesen werde.

Hinsichtlich der Unterbringung der Mitbeteiligten im Sondertransitraum des Flughafens Wien vom 4. November 1997 bis zum 10. November 1997 sei die belangte Behörde nunmehr zur Auffassung gelangt, dass es sich hiebei um Anhaltungen gehandelt habe, welche deutliche Züge einer Schubhaft aufwiesen. Insbesondere die Tatsache, dass ein Verlassen des Sondertransitbereiches nur zu bestimmten Zeiten und dann nur in Begleitung eines Sicherheitsorganes möglich gewesen sei, unterstreiche den haftähnlichen Charakter. Letztlich zeige auch die Tatsache, dass über die Mitbeteiligten auf Grund einer Weisung des Bundesministeriums für Inneres vom 10. November 1997 bescheidmäßig die Schubhaft verhängt worden sei, dass die Konfinierung im Sondertransitraum bereits vor der Erlassung der Schubhaftbescheide Zwecke verfolgt habe, die an und für sich durch die Verhängung der Schubhaft erreicht werden sollten.

Dies müsse jedoch konsequent weitergedacht zur Annahme führen, dass eine zwangsweise Unterbringung von Fremden im Sondertransitbereich des Flughafens Wien auf Grund des damit verbundenen Haftcharakters auch in Hinkunft die Schaffung eines entsprechenden Hafttitels voraussetzen werde. Wohl bleibe aber hievon derjenige Fall zu unterscheiden, in dem sich ein Fremder freiwillig beziehungsweise ohne imperatives staatliches Handeln dem Sondertransitregime unterwerfe (Unterbringung auf eigenen Wunsch oder etwa auf Betreiben der Caritas,...). Diesfalls wäre nicht von dem Vorliegen einer Haft auszugehen.

Mit den weiteren (gleich lautenden) Bescheiden vom 20. Juni 2000 "berichtigte" die belangte Behörde den Kostenzuspruch der Bescheide vom 23. Mai 2000, deren Inhalt sie im Übrigen unverändert übernahm.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der beschwerdeführende Bundesminister beruft sich bezüglich seiner Beschwerdelegitimation ausdrücklich auf § 91 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991 (kurz: SPG 1991).

Hinsichtlich der Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerden kann auf das hg. Erkenntnis vom 23. September 1998, Zl. 97/01/1065, verwiesen werden, wonach die Befugnis, gemäß § 91 SPG Amtsbeschwerde zu erheben den gesamten Bereich der Sicherheitsverwaltung, zu welcher auch die Fremdenpolizei zählt, umfasst.

Die vorliegenden Amtsbeschwerden richten sich erkennbar nur gegen jenen Spruchteil der angefochtenen Bescheide, mit dem den an die belangte Behörde gerichteten Beschwerden der mitbeteiligten Parteien gegen die Anweisung, sich vom 4. November 1997 bis zum 10. November 1997 im Sondertransitraum des Flughafens Wien aufzuhalten, Folge gegeben und die Anhaltung in dem genannten Teil des Grenzkontrollbereiches für rechtswidrig erklärt wurde, sowie gegen den dem Bund in diesem Zusammenhang auferlegten Kostenersatz, weshalb sich die verwaltungsgerichtliche Prüfung einer allfälligen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ausschließlich auf diese Spruchteile zu beschränken hat.

Nach § 32 Abs. 1 Fremdengesetz 1992 (FrG 1992) sind Fremde bei der Grenzkontrolle am Betreten des Bundesgebietes zu hindern (Zurückweisung), wenn Zweifel an ihrer Identität bestehen, wenn sie der Pass- oder Sichtvermerkspflicht nicht genügen oder wenn ihnen die Benützung eines anderen Grenzüberganges vorgeschrieben wurde (§§ 9 und 24). Eine solche Zurückweisung hat zu unterbleiben, soweit dies einem Bundesgesetz, zwischenstaatlichen Vereinbarungen oder internationalen Gepflogenheiten entspricht. (...)

Erfolgt die Grenzkontrolle im Bundesgebiet, so hat gemäß § 33 Abs. 1 FrG 1992 das Grenzkontrollorgan einen Fremden, der zurückzuweisen ist, zur unverzüglichen Ausreise aufzufordern; ist diese nicht sofort möglich, kann ihm vom Organ aufgetragen werden, sich für die Zeit bis zur Abreise an einem bestimmten Ort im Grenzkontrollbereich aufzuhalten.

Nach § 33 Abs. 3 FrG 1992 ist der Beförderungsunternehmer, der einen Fremden mit einem Luft- oder Wasserfahrzeug nach Österreich gebracht hat, verpflichtet, der Grenzkontrollbehörde auf Anfrage die Identitätsdaten des Fremden (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnort und Staatsangehörigkeit) und die Daten der zur Einreise erforderlichen Dokumente (Art, Gültigkeitsdauer, ausstellende Behörde und Ausstellungsdatum) unverzüglich bekannt zu geben.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, dass einem Fremden, der zurückzuweisen sei und der den Grenzkontrollbereich aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht sofort verlassen könne, aufgetragen werden könne, sich für die Zeit dieses Aufenthaltes an einem bestimmten Ort innerhalb dieses Bereiches aufzuhalten (§ 33 FrG 1992). Der Sondertransit zähle zweifelsfrei zum Grenzkontrollbereich des Flughafens Wien - Schwechat und könne daher zulässigerweise zur Sicherung der Zurückweisung nicht einreiseberechtigter Asylwerber für die Dauer des "Flughafenverfahrens" benutzt werden.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe in seinem Urteil Amuur gegen Frankreich vom 25. Juni 1996 erkannt, dass bei der Beurteilung der Frage, ob jemandem im Sinne des Art. 5 Abs. 1 MRK die Freiheit entzogen worden sei, von der konkreten Situation auszugehen sei und eine ganze Reihe von Kriterien berücksichtigt werden müssten, wie z.B. die Art und Dauer sowie die Auswirkungen und die Art der Durchführung der betreffenden Maßnahme. Der Unterschied zwischen Entzug und Beschränkung der Freiheit sei eine Frage des Grades und der Intensität und nicht eine der Natur oder der Substanz.

Im konkreten Fall habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf eine durch die Unterbringung im Sondertransit des Flughafens Paris - Orly verursachte Verletzung des Art. 5 MRK erkannt, weil den Betroffenen 20 Tage hindurch keine - insbesondere im Hinblick auf die bei einem Asylantrag einzuhaltenden Formalitäten - rechtliche oder soziale Hilfe zuteil geworden und entgegen den innerstaatlichen Vorschriften in dieser Zeit weder die Dauer noch die Notwendigkeit der Anhaltung von einem Gericht überprüft worden sei.

Vor dem Hintergrund der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Verfassungsgerichtshofes komme es somit bei der Frage, ob es sich bei dem angeordneten Aufenthalt im Sondertransitbereich um eine - zulässige - Freiheitsbeschränkung handle, auf die konkreten Umstände an. Insbesondere sei die Frage zu klären, inwieweit der Fremde (auch im Sondertransitraum) die Möglichkeit gehabt habe, seine Ausreise zu betreiben.

Mit diesen Fragen habe sich die belangte Behörde in den angefochtenen Bescheiden nur sehr allgemein auseinander gesetzt und es seien weder Feststellungen zu den allgemeinen Bedingungen im Sondertransit noch zur konkreten Situation der indischen Staatsangehörigen während ihres Aufenthaltes im Sondertransit getroffen worden.

Insbesondere sei nicht auf den Umstand eingegangen worden, dass der Sondertransit geschaffen worden sei, um die persönliche Situation von Fremden, die nicht einreiseberechtigt seien und sich zur Sicherung der Zurückweisung in einem bestimmten Bereich des Grenzkontrollgebietes aufhielten bzw. die den Ausgang des Asylverfahrens dort abwarten müssten, im Hinblick auf deren Verpflegung und Unterbringung gegenüber den diesbezüglichen Möglichkeiten im allgemeinen Transit zu verbessern. So würden Fremden gegenüber dem allgemeinen Transit, wo eine Nächtigung lediglich auf gewöhnlichen Sitzbänken möglich sei, im Sondertransit Betten und entsprechende Sanitäreinrichtungen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus erfolge - wie im Beschwerdefall - eine regelmäßige Betreuung durch Mitarbeiter der Caritas. Damals wie heute würden die Mitarbeiter der Caritas bzw. anderer Betreuungseinrichtungen in ständigem Kontakt mit der Bundespolizeidirektion Schwechat stehen, sodass die Möglichkeit der Fremden, den Wunsch nach Ausreise zu äußern, gewährleistet sei. Es entspreche der Praxis, welche von allen beteiligten Stellen (Behörde und Betreuungsorganisation) bestätigt werden könne, im Sondertransit aufhältigen Personen, die angeben ausreisen zu wollen, die Ausreise bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen auch faktisch zu ermöglichen. Die Mitbeteiligten hätten aber lediglich den Wunsch geäußert, in den allgemeinen Transitbereich verlegt zu werden, nicht aber dass sie beabsichtigten, von dort ihre Ausreise zu betreiben.

Unter Bezugnahme auf die konkrete Situation der Mitbeteiligten sei auszuführen, dass nach Stellung eines Asylantrages in Vollziehung des Dubliner Übereinkommens die Niederlande um Rücknahme der Mitbeteiligten (welche über Amsterdam eingereist seien) ersucht worden seien. Die Anordnung des beschwerdeführenden Bundesministers, die Genannten in den Sondertransit zu verlegen, sei nicht zuletzt deshalb erfolgt, um eine Unterbringung der Fremden unter menschenwürdigen Bedingungen sicherzustellen. Darüber hinaus sei es zur Erreichung der in § 33 FrG 1992 normierten Ziele auch erforderlich, eine illegale Ein- oder Weiterreise vom allgemeinen Transit aus zu verhindern, welche damals auf Grund der am Flughafen vorgenommenen Umbauarbeiten leicht möglich gewesen und auch tatsächlich vorgekommen sei. Nach Ablehnung der Rückübernahme der Mitbeteiligten nach dem Dubliner Übereinkommen durch die Niederlande sei in Österreich das Asylverfahren durchgeführt worden; am 7. November 1997 seien die Asylanträge der Mitbeteiligten in erster Instanz abgewiesen worden. In weiterer Folge sei daher zur Sicherung der Durchführung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie zur Abschiebung die Schubhaft verhängt worden.

Bei entsprechender Würdigung dieser Umstände hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass der Aufenthalt der Mitbeteiligten im Sondertransit zulässig gewesen sei. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die belangte Behörde - wie auch der Verfassungsgerichtshof - den Aufenthalt im allgemeinen Transit, der eine ungleich schlechtere Ausstattung und Betreuungsmöglichkeit aufweise, als rechtmäßig angesehen habe.

Hingegen habe die belangte Behörde ganz allgemein festgestellt, dass die Anhaltung im Sondertransit deutliche Züge einer Schubhaft aufweise, was insbesondere durch den Umstand unterstrichen werde, dass ein Verlassen des Sondertransitbereiches nur zu bestimmten Zeiten und dann nur in Begleitung eines Sicherheitsorganes möglich gewesen sei. Letztlich würde auch die am 10. November 1997 angeordnete Schubhaft zeigen, dass die Konfinierung im Sondertransitraum bereits vor der Erlassung des Schubhaftbescheides Zwecke verfolgt habe, die an und für sich durch das Institut der Schubhaft erreicht werden sollten.

Diese Auffassung stehe im Widerspruch zum konkreten Sachverhalt: Die Schubhaft sei erst nach Scheitern der Rückstellung nach dem Dubliner Übereinkommen und nach Abweisung des Asylantrages zur Sicherung der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen bzw. zur Sicherung der Abschiebung verhängt worden und habe daher eine andere Zielrichtung als der Aufenthalt im Sondertransit, der lediglich dem Abwarten der asylrechtlich relevanten Entscheidungen bzw. der Sicherung der Zurückweisung diene.

Die Beschwerde ist berechtigt:

Als Rechtsgrundlage für die von den Sicherheitsorganen verfügte Anordnung des Aufenthaltes der Mitbeteiligten im Sondertransitbereich des Flughafens Wien - Schwechat, kommt § 33 FrG 1992 in Betracht. Die Zulässigkeit einer derartigen Maßnahme orientiert sich an den verfassungsrechtlichen Garantien des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK und des Art. 2 Abs. 1 Z 7 BVGPersFr.

Wie bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem mehrfach zitierten Erkenntnis vom 11. März 1999 ausgesprochen hat, ergibt sich für den Beschwerdefall daraus, dass die belangte Behörde verpflichtet war, entsprechende Erhebungen im Sinne der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte über die genauen Umstände (Ursache und Ablauf) der Verbringung der Mitbeteiligten in den Sondertransitraum und über ihre konkrete Situation im Sondertransitraum zu pflegen. Zu diesen maßgeblichen Fakten zählt etwa auch die Klärung der Fragen, ob die Mitbeteiligten auch im Sondertransitraum im Grunde jederzeit die Möglichkeit hatten, den Ort zum Zweck des Abfluges zu verlassen, und ob sie die Möglichkeit hatten, ihre Ausreise selbst zu organisieren, wozu nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch die Möglichkeit, hiezu die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, zählt.

Diesbezüglich hat die belangte Behörde jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen; die angefochtenen Bescheide enthalten - worauf die beschwerdeführende Partei zu Recht verweist - nur Feststellungen zur Frage, ob den Mitbeteiligten ein Verlassen des Sondertransitraumes "nach Belieben" gestattet war. Dass dies nicht der Fall sein konnte, ergibt sich bereits aus der Natur einer Anordnung im Sinne des § 33 Abs. 1 FrG 1992.

Die Unterlassung der Erhebung der bereits im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1999 ausdrücklich als entscheidungswesentlich erkannten Sachverhaltselemente belastet die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis gelangen hätte können.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG im dargestellten Umfang als rechtswidrig aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Wien, am 11. Juni 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000020299.X00

Im RIS seit

31.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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