RS UVS Oberösterreich 1995/03/27 VwSen-230416/7/Br/Bk

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 27.03.1995
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VwSen-260022 v. 6.7.1992; VwSen-102629 v. 10.3.1995 Rechtssatz

Beim gegenständlichen Deliktstypus handelt es sich um ein sogenanntes Dauerdelikt, bei dem nicht nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert ist (VwGH 8.4.1987, 87/01/0007, vgl. VwSlg 3156/A/1953). Es ist daher grundsätzlich verfehlt, dieses Delikt bloß auf einen Zeitpunkt (28.10.1994, 11.30 Uhr) anzulasten. Hiedurch kann einerseits nicht der mit der Dauer des aufrechterhaltenen strafbaren Zustandes verschiedene Tatunwert zum Ausdruck gelangen, andererseits könnte dadurch gleichsam durch beliebig viele Tatanlastungen dem Grundsatz des Verbotes einer Doppelbestrafung (ne bis in idem) zuwidergehandelt werden. Für den gegenständlichen Fall mußte als Tatzeitraum die Zeit vom 28.10.1994 bis zum 30.1.1995 umfaßt sein. Was die Konkretisierung des Spruches im Hinblick auf die Tatzeit bei einem nicht bloß punktuell strafbaren Verhalten, sondern bei einem Dauerdelikt bzw. fortgesetzten Delikt - ein solches sollte dem Berufungswerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis wohl zur Last gelegt worden sein - betrifft, so sind diesbezüglich sowohl der Anfang als auch das Ende des strafbaren Verhaltens anzuführen; der Tatzeitraum ist also präzise einzugrenzen (vgl. zB VwGH v. 8.9.1981, Zl. 81/05/0052; v. 10.6.1983, Zl. 82/04/0192; v. 20.6.1983, Zl. 82/10/0047; v. 18.11.1983, Zl. 82/04/0156; v. 21.11.1983, Zl. 82/10/0129; v. 27.6.1989, Zl. 89/04/0002; v. 10.9.1991? Zl. 91/04/0104; v. 19.5.1992, Zl. 92/04/0035; v. 22. September 1992, Zl. 92/06/0087;

v. 21.10.1992, Zl. 92/02/0165; jeweils mwN, uva). Hinsichtlich einer diesbezüglichen Anpassung des Spruches hat der O.ö. Verwaltungssenat in ständiger Rechtsprechung (vgl. statt vieler VwSen-260022 v. 6.7.1992 und VwSen-102629 v. 10.3.1995) bereits mehrfach betont, daß es ihm schon von Verfassungs wegen verwehrt ist, substantielle Versäumnisse des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens aus eigenem zu substituieren und so die Rolle des unparteiischen Richters zu verlassen und stattdessen (auch) in die Position des Anklägers zu schlüpfen. Denn Art.6 Abs.1 MRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozeß (vgl Art.90 Abs.2 B-VG) und damit eine strikte Trennung der richterlichen von der anklagenden Funktion voraussetzt. Diese Rechtsansicht des O.ö. Verwaltungssenates ist so zu verstehen, daß auch eine Ausdehnung des Tatvorwurfes nicht erst im Berufungsverfahren begonnen werden kann; denn ein vom unabhängigen Verwaltungssenat gemäß 51g Abs.1 VStG durchgeführtes Beweisverfahren kann von vornherein nur ergänzender bzw. korrigierender Art sein.

Für den rechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet bedarf es entweder einer Bewilligung im Sinne des § 1 Aufenthaltsgesetz oder eines von der Sicherheitsbehörde erteilten Sichtvermerkes (§ 15 Abs.1 Z2 FrG (Fremdengesetz). Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Berufungswerber

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wenn auch irrtümlich - nicht vor dem Ablauf seines Sichtvermerkes die Erteilung einer weiteren Bewilligung zum Aufenthalt im Bundesgebiet beantragt (VwGH 28. 1. 1991, 90/19/0114 u.a). Zutreffend wird von der Erstbehörde darauf hingewiesen, daß mit dem Ablauf des alten Sichtvermerkes der neue bereits erteilt sein muß (VwGH 23.4.1990, 90/19/0155, sowie VwGH 30.9.1993, 93/18/0386). Im Sinne des Legalitätsgrundsatzes könnte selbst eine zwischenzeitig erteilte Berechtigung zum Aufenthalt nicht - gleichsam rückwirkend

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den zwischenzeitig, ohne Bewilligung gepflogenen Aufenthalt, (ex tunc) sanieren und diesen Aufenthalt nicht seiner Rechtswidrigkeit zu entledigen. Aus dieser Sicht würde der Aufenthalt selbst dann nicht legal sein, wenn die Nichterteilung der Bewilligung - was hier nicht zu beurteilen ist und somit dahingestellt bleiben kann - auf der Stufe der Gesetzeslosigkeit zu qualifizieren wäre. Umgekehrt entfaltet, im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, etwa auch ein im nachhinein von Amts wegen aufzuhebender Bescheid (strenge Akzessorietät) Bindungswirkungen (E. Steininger in Triffterer - StGB-Kommentar, Wien 1993, 1 RZ 136, sowie Zehetner/Weiss, Verwaltungsakzessorietät der Neutralitätsgefährdung, 45ff). Dies gilt analog zum gerichtlichen Strafverfahren auch für das Verwaltungsstrafverfahren. Umsomehr muß dies zutreffen, wenn, so wie hier, eine Bewilligung - aus welchen Gründen immer - (noch) nicht einmal erteilt worden ist. Der § 5 Abs.1 VStG normiert, daß, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn - so wie hier - zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (den sog. Ungehorsamsdelikten) und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Hier ist von einem geringen Verschulden auszugehen, welches darin gründet, daß der anwaltlich vertretene Berufungswerber sich offenbar nicht authentisch genug über die rechtliche Situation informiert hat. Der Berufungswerber hat zwar glaubhaft gemacht, daß er der Meinung gewesen sei, daß er mit seinem Antrag beim Arbeitsamt auch die Frist für die hier fragliche Bewilligung gewahrt hätte. Dabei ist durchaus auch zu bedenken, daß die mangelnde Sprachkenntnis des Berufungswerbers seinen Irrtum glaubhaft begünstigt hat. Eine ihn vom Gegenteil überzeugen müssende rechtskräftige Entscheidung lag ihm zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht vor. Der hier im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung gewonnene unmittelbare Eindruck hat zu einem anderen Beweisergebnis hinsichtlich der Schuldfrage geführt als dies offenbar im Berufungsverfahren betreffend den inhaltlich gleichen Tatvorwurf vom 17. Mai 1994 der Fall gewesen ist.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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