RS UVS Oberösterreich 1995/03/28 VwSen-260113/6/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 28.03.1995
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Rechtssatz

Gemäß § 137 Abs 4 lit.i WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern die Tat nicht nach Abs.5 einer strengeren Strafe unterliegt, und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 250.000,-- zu bestrafen, wer einem ihm gemäß § 138 Abs.1 erteilten Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nicht nachkommt. Nach dem gegenständlich relevanten § 138 Abs.1 lit.a WRG 1959 ist derjenige, der die Bestimmungen des WRG 1959 übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

Unter eigenmächtig vorgenommenen Neuerungen gemäß dem § 138 Abs.1 lit.a WRG 1959 sind (auch aufrechterhaltene) bewilligungslose Maßnahmen zu verstehen, die entweder einer Bewilligung nach dem Wasserrechtsgesetz bedürfen oder die gar nicht bewilligungsfähig sind (vgl dazu im einzelnen mit zahlreichen Judikaturnachweisen Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht (1993), 577 Rz 6 zu § 138 WRG). Es steht unbestritten fest, daß nach dem Inhalt der wasserrechtlichen Bewilligung vom 2. Februar 1991 zur Einleitung betrieblicher Abwässer in die Ortskanalisation von Enns lediglich für flüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe (BTX), nicht aber für flüchtige halogenierte aliphatische Kohlenwasserstoffe (AOX) wie 1.1.1.-Trichlorethan ein Grenzwert von 0,1 mg/l vorgesehen war. Die Ableitung dieser Kohlenwasserstoffe war nämlich überhaupt nicht bewilligt (vgl dazu Punkt F) 2. des Bewilligungsbescheides vom 2.2.1991). Da es sich bei 1.1.1.-Trichlorethan um einen stark wassergefährdenden Stoff handelt, war die Einleitung des kontaminierten Abwassers in die Kanalisation rechtswidrig und Anlaß für den wasserpolizeilichen Auftrag des Landeshauptmannes vom 20. Februar 1992.

Der wasserpolizeiliche Auftrag im Sinne des § 138 Abs.1 WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht demjenigen zu erteilen, der die Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes übertreten hat. Adressat für eine Leistungsverpflichtung ist regelmäßig der berechtigte Anlagenbetreiber (Eigentümer oder verfügungsberechtigter Dritter; näher dazu Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, 587 Rz 19f zu § 138 WRG). Gegenständlich wurde mit Bescheid vom 2. Februar 1991 der J. P. M. Ges.m.b.H. & Co KG die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer abgeänderten Abwasserbeseitigungsanlage sowie zur Einleitung nach Parametern beschriebener betrieblicher Abwässer in die Ortskanalisation der Stadt E. erteilt. Anlagenbetreiberin und Wasserberechtigte war demnach diese Kommanditgesellschaft, die auch allein als Adressatin für einen wasserpolizeilichen Auftrag gemäß § 138 Abs.1 WRG 1959 in Betracht kam. Dennoch hat der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 25. Februar 1992 den wasserpolizeilichen Auftrag gemäß § 138 Abs.1 WRG 1959 ohne ersichtlichen Grund der J. P. M. Ges.m.b.H. als der bloß persönlich haftenden und selbst nicht wasserberechtigten Gesellschafterin dieser Kommanditgesellschaft erteilt.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat zur Klarstellung Einsicht in das Firmenbuch genommen und festgestellt, daß die J. P. M. Gesellschaft m.b.H. als einzige persönlich haftende Gesellschafterin die J. P. M., Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co, Kommanditgesellschaft, seit 1. Februar 1966 selbständig vertritt. Geschäftsführerin der Gesellschaft m.b.H. ist die Bwin.

Im angefochtenen Straferkenntnis wird der wasserpolizeiliche Auftrag - so wie es im wasserpolizeilichen Administrativverfahren richtig gewesen wäre - mit der Kommanditgesellschaft in Verbindung gebracht und der Bwin die Nichterfüllung des bescheidmäßig bezeichneten wasserpolizeilichen Auftrages "als § 9 Verantwortliche der J. P. M. Ges.m.b.H. & Co KG" angelastet. Dem widerspricht allerdings der tatsächlich ergangene - und offensichtlich rechtskräftig gewordene - wasserpolizeiliche Auftrag an die Gesellschaft m.b.H., die damit formell als wasserrechtlich Leistungsverpflichtete anzusprechen ist.

Da die Strafbehörde ihrem Straferkenntnis einen Sachverhalt, nämlich die bescheidmäßige Leistungsverpflichtung der Kommanditgesellschaft, zugrundegelegt hat, der nach dem Bescheid des Landeshauptmannes tatsächlich nicht zutrifft, war das Straferkenntnis bereits deshalb ersatzlos aufzuheben. Zur Änderung entsprechend dem ergangenen wasserpolizeilichen Auftrag war der unabhängige Verwaltungssenat, der gemäß § 66 Abs.4 AVG (§ 24 VStG) an die Sache des Berufungsverfahrens (= Tatanlastung laut Straferkenntnis) gebunden ist, nicht befugt, weil dies im Hinblick auf die Leistungsverpflichtungen verschiedener juristischer Personen einer Auswechslung der Tat gleichgekommen wäre. Die Strafbehörde hat es ferner auch entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4.A (1990), 757) unterlassen, die Organfunktion der Bwin genau zu bezeichnen. Diese war zur Vertretung der Kommanditgesellschaft nach außen gemäß § 9 Abs.1 VStG als Geschäftsführerin der persönlich haftenden und vertretungsbefugten Ges.m.b.H-Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft berufen.

Schließlich ist noch zu bemängeln, daß im Straferkenntnis entgegen den Konkretisierungsanforderungen des § 44a Z1 VStG kein eindeutiger und unverwechselbarer Tatzeitraum für das angelastete fortgesetzte Delikt der Nichterfüllung des wasserpolizeilichen Auftrages angegeben wird.

Zum erstbehördlichen Vorwurf der Fahrlässigkeit:

Der unabhängige Verwaltungssenat kann auch auf der Grundlage des erstbehördlich angenommenen Sachverhalts die Ansicht der Strafbehörde nicht teilen, wonach die Bwin zweifelsfrei fahrlässig gehandelt hätte. Der wasserpolizeiliche Auftrag enthält nur die Anordnung zur Einstellung der Ableitung von 1.1.1-Trichlorethan in die öffentliche Kanalisationsanlage bis längstens 15. März 1992. Bereits am 9. März 1992 wurden die restlichen Bestände dieses Lösungsmittels zur Entsorgung an einen Abfallsammler übergeben. Nach der unwiderlegten Berufungsbehauptung wurde die Anlage vor der Umstellung auf alkalische Entfettung sogar einige Tage stillgelegt, damit Rückstände des Lösemittels 1.1.1.-Trichlorethan verdampfen konnten.

Die bescheidmäßige Leistungsverpflichtung war vernünftigerweise so zu verstehen, daß damit nicht eine bedenkliche Erfolgshaftung, sondern nur die Auflage erteilt werden sollte, im Produktionsprozeß nicht weiterhin das Lösemittel 1.1.1.-Trichlorethan zu verwenden. Besondere Beseitigungsmaßnahmen wurden mit dem wasserpolizeilichen Auftrag nicht vorgeschrieben. Dies unterblieb deshalb, weil sich auch der Amtssachverständige anläßlich der Überprüfung am 9. April 1992 über die für ihn überraschende Belastungssituation nicht im klaren war und den Kontaminationsherd nicht ermitteln konnte. Es wäre aber gerade der Sinn des § 138 Abs.1 lit.a WRG 1959, die Beseitigung der eigenmächtigen Neuerung bescheidmäßig genau vorzuschreiben und nicht bloß einen inhaltlich unzureichenden Verwaltungsbefehl zur Einstellung der Ableitung von einem bestimmten Stoff zu erlassen. Denn damit wurde die schon bestehende wasserrechtliche Verpflichtung, nicht entgegen dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 2. Februar 1991 Einleitungen in die Kanalisationsanlage vorzunehmen (vgl § 137 Abs.2 lit.h) WRG 1959) nur "verdoppelt". Man kann mit guten Gründen in Frage stellen, ob derartige überflüssige wasserpolizeiliche Aufträge, die bei materiell identischem Verstoß gegen wasserrechtliche Verpflichtungen nur zur Anwendung des qualifizierten Delikts gemäß § 137 Abs.4 lit.i WRG 1959 (Strafrahmen S 250.000,--) anstatt des § 137 Abs.2 lit.h WRG 1959 (Strafrahmen S 30.000,--) führten, überhaupt zulässig oder qualifikationsbegründend sein können. Es geht jedenfalls nicht an, unterlassene Beseitigungsmaßnahmen oder Vorkehrungen als Verstoß gegen einen wasserpolizeilichen Auftrag anzulasten, der diesbezüglich weder ausdrückliche Vorschreibungen noch die geringste Aussage enthält.

Im übrigen ist der unabhängige Verwaltungssenat der Ansicht, daß die Strafbehörde von einem verfehlten Sorgfaltsmaßstab ausgegangen ist. Es kommt insofern auf das Verhalten an, das von der differenzierten Maßfigur des einsichtigen und besonnenen Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters in der konkreten Situation erwartet werden durfte (vgl dazu näher mwN Burgstaller, Wiener Kommentar, § 6 Rz 36 und 38; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3.A (1992), § 6 Rz 6 und 12; Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil I, 3.A (1990), § 80 Rz 16) Die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht dürfen dabei nicht überspannt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Recht ausgesprochen, daß nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern erst die Verletzung von Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den Umständen vernünftigerweise auferlegen darf, das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit ausmacht (vgl VwSlg 12947 A/1989; VwGH 28.10.1980, 2244/80; VwSlg 9710 A/1978).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann auch die Unterlassung von vorbeugenden Maßnahmen der Bwin nicht als objektive Sorgfaltswidrigkeit angelastet werden, wenn doch sogar der Amtssachverständige für Chemie die Belastung der Abwässer mit rückständigem 1.1.1.-Trichlorethan als Überraschung empfand und sich die Kontamination der Abwasserbeseitigungsanlage nicht erklären konnte. Die grundsätzliche Möglichkeit der Belastung des Abwassers mit 1.1.1.-Trichlorethan nach dem 15. März 1992 trotz der erfolgten Umstellung des Entfettungsvorganges auf alkalische Lösemittel war schon objektiv nicht vorhersehbar. Da nicht einmal der Amtssachverständige für Chemie mit Rückständen gerechnet hatte, brauchte dies die Bwin umso weniger tun. Deshalb waren entgegen der Ansicht der Strafbehörde auch von einer einsichtigen und besonnenen Geschäftsführerin keinerlei Maßnahmen zur Feststellung einer nicht vorhersehbaren Quelle der Verunreinigung zu erwarten. Schon aus diesen Überlegungen ist die Berufung im Recht.

Demgegenüber laufen die weiteren unsubstantiierten Berufungsbehauptungen zur Frage möglicher dritter Verursacher von Kontaminationen, die erstmals im Berufungsverfahren aufgestellt werden, auf bloße Erkundungsbeweise hinaus, die von der Strafbehörde nicht aufgenommen werden mußten (vgl dazu und zur Mitwirkungspflicht ua VwGH 15.9.1994, 94/09/0139; VwGH 30.8.1991, 91/09/0056; VwSlg 12936 A/1989). Aus der Aktenlage sind keine Anhaltspunkte für denkbare fremde Verunreinigungen mit 1.1.1.-Trichlorethan innerhalb der betrieblichen Abwasseranlage der J. P. M. GesmbH & Co KG - die kontaminierten Proben wurden dort und nicht etwa in der öffentlichen Kanalisation gezogen - zu entnehmen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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