TE Vfgh Beschluss 1998/9/29 G39/98 ua

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Veröffentlicht am 29.09.1998
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/02 Gehaltsgesetz 1956

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GehG 1956 §101
GehG 1956 §40b
VertragsbedienstetenG 1948 §68a

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Regelung der Vergütung für Bedienstete im militärluftfahrttechnischen Dienst mangels Legitimation; Einklagbarkeit des fraglichen Anspruchs durch Vertragsbedienstete; Beschreitung dieses Rechtsweges durch den Antragsteller bereits erfolgt; Aussichtslosigkeit dieses Rechtsweges für Frage der Zumutbarkeit belanglos

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Antragsteller ist Vertragsbediensteter des Bundes im Planstellenbereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Er ist in das Entlohnungsschema II eingereiht und wird gemäß §11 WehrG in Unteroffiziersfunktion verwendet. Er ist zur Ausübung von Tätigkeiten im militärluftfahrttechnischen Dienst, und zwar als "Wart I. Klasse mit Grundbefähigung", berechtigt und übt diese Tätigkeit auch tatsächlich aus. Dementsprechend bezieht er die in §68a VertragsbedienstetenG vorgesehene "Vergütung im militärluftfahrttechnischen Dienst" in dem für diese Tätigkeit vorgesehenen Ausmaß.

2.1. Mit seinem auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter, der Verfassungsgerichtshof möge

"nachstehende Passagen des §101 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl Nr. 54/1956, zuletzt geändert durch BGBl Nr. 392/1996, und der §§68a und 76 Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl Nr. 86/1948, idgF, als verfassungswidrig aufheben:

A) Hauptbegehren:

1.

den gesamten Absatz 2 des §101 Gehaltsgesetz 1956 und 2. die Wendung 'Abs3 bis 5' aus dessen Absatz 3;

B) Erstes Eventualbegehren:

1.

aus dem Einleitungssatz des Absatzes 2 des §101 Gehaltsgesetz 1956 die Worte 'für die Verwendung',

2.

aus Absatz 2 Ziffer 1 des §101 Gehaltsgesetz 1956 die Worte '1. im luftfahrttechnischen Assistenzdienst' und den Verweis auf 'Z1' des §40b Abs2,

3.

Ziffern 2 bis 6 des Absatzes 2 des §101 Gehaltsgesetz 1956 zur Gänze;

C) Zweites Eventualbegehren:

1.

Absatz 2 Ziffer 3 des §101 Gehaltsgesetz 1956 zur Gänze und

              2.              die Wendung 'Abs3 bis 5' aus dessen Absatz 3;

D) Drittes Eventualbegehren:

Absatz 2a des §68a Vertragsbedienstetengesetz 1948 zur Gänze;

E) Viertes Eventualbegehren:

Absatz 15 Ziffer 1 des §76 Vertragsbedienstetengesetz 1948 zur Gänze."

2.2. Begründend wird dazu u.a. folgendes ausgeführt:

2.2.1. Nach der bestehenden Gesetzeslage erhielten Vertragsbedienstete, die zu einer Unteroffiziersfunktion herangezogen werden, eine deutlich niedrigere Vergütung im militärluftfahrttechnischen Dienst als Vertragsbedienstete, die nicht zu einer Unteroffiziersfunktion herangezogen werden. Die Differenz betrage je nach Verwendung zwischen ATS 1.054,-- und ATS 1.530,-- monatlich.

Bis zu der mit der 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I 61, bewirkten Änderung des VertragsbedienstetenG sei demgegenüber gemäß §68a Abs2 leg. cit. auf die Höhe dieser Vergütung in jedem Fall §40b Abs2 GehaltsG anzuwenden gewesen. Dies habe bedeutet, daß Vertragsbediensteten in jedem Falle die höhere Zulage zustand, die im §40b Abs2 GehaltsG für Beamte des Allgemeinen Verwaltungsdienstes normiert ist, und zwar unabhängig davon, ob sie "echte" Zivilbedienstete waren oder ob sie gemäß §11 WehrG zur Ausübung einer Unteroffiziersfunktion herangezogen wurden und somit Soldaten waren.

Ungeachtet dieser vollkommen eindeutigen Rechtslage habe jedoch das Bundesministerium für Landesverteidigung durch Jahre hindurch jenen Vertragsbediensteten, die zur Ausübung einer Unteroffiziersfunktion herangezogen wurden, die ihnen gesetzlich in gleicher Höhe wie Zivilbediensteten zustehende Vergütung im militärluftfahrttechnischen Dienst verweigert. Statt dessen habe das Bundesministerium für Landesverteidigung entgegen dem vollkommen klaren Gesetzeswortlaut des §68a VBG, der bezüglich der Höhe der Vergütung einzig und allein auf §40b GehaltsG verwies, diesen Vertragsbediensteten nur die niedrigere Vergütung analog §101 GehaltsG ausbezahlt.

Eine vom nunmehrigen Antragsteller mit Datum 22.11.1996 an den Dienstgeber gerichtete Aufforderung, ihm die Vergütung im militärluftfahrttechnischen Dienst in der ihm gesetzlich zustehenden Höhe auszubezahlen, sei unbeantwortet geblieben. Daraufhin habe er die Bezugsdifferenz beim Landesgericht St. Pölten eingeklagt. Das Verfahren erster Instanz sei jedoch erst im September 1997, somit nach Inkrafttreten der 1. BDG-Novelle 1997 (am 30.6.1997) abgeschlossen worden. Dementsprechend habe das Landesgericht St. Pölten mit Urteil vom 3.9.1997 im Verfahren 30 Cg 42/97 g seine Klage abgewiesen. Die vom Antragsteller dagegen erhobene Berufung sei derzeit beim Oberlandesgericht Wien zur Zahl 7 Ra 5/98 a anhängig.

Die Abweisung seiner Klage sei aufgrund der durch die

l. BDG-Novelle 1997 angeordnete Änderung des §68a VertragsbedienstetenG erfolgt. Durch die Novelle sei nämlich in diese Bestimmung ein Abs2a eingefügt worden, demzufolge für Vertragsbedienstete, die gemäß §11 WehrG zu einer Unteroffiziersfunktion herangezogen werden, auf die Höhe der Vergütung §101 Abs2 GehaltsG anzuwenden ist. Gemäß ArtV Z39 der l. BDG-Novelle 1997 sei diese Neufassung des §68a VertragsbedienstetenG rückwirkend mit 1. Jänner 1995 - also mit einer Rückwirkung von zweieinhalb Jahren bezogen auf seine Kundmachung, welche am 30.6.1997 erfolgte - in Kraft getreten.

2.2.2. Zu seiner Antragslegitimation führt der Einschreiter folgendes aus:

"a) Direkte Wirksamkeit:

Das Gehaltsgesetz 1956, insbesondere dessen §101 im angefochtenen Umfang, und das Vertragsbedienstetengesetz 1948, insbesondere dessen §68a im angefochtenen Umfang (in der Folge zusammen auch als 'das angefochtene Gesetz' bezeichnet), regeln meine Bezüge als Vertragsbediensteter, und zwar hinsichtlich der mir zustehenden Vergütung im militärluftfahrttechnischen Dienst. Das angefochtene Gesetz ist ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides für mich wirksam geworden.

b) Verletzung einer rechtlichen Position:

Das angefochtene Gesetz verletzt mich aktuell und unmittelbar in meinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht darauf, hinsichtlich der Vergütung im militärluftfahrttechnischen Dienst gleich behandelt zu werden, insbesondere in gleicher Höhe entlohnt zu werden, wie ein hinsichtlich Ausbildung, Qualifikation und Tätigkeit im militärluftfahrttechnischen Dienst vergleichbarer Vertragsbediensteter, der nicht zu einer UO-Funktion herangezogen wird, bzw wie ein Beamter des Allgemeinen Verwaltungsdienstes.

c) Unzumutbarkeit bzw. Unmöglichkeit eines 'anderen Weges':

Ein anderer Weg zur Erlangung der Gleichbehandlung steht nicht zur Verfügung. Insbesondere steht mir als Vertragsbedienstetem nicht die Möglichkeit zu Gebote, von meinem Dienstgeber einen Feststellungsbescheid zu begehren, den ich in weiterer Folge im Wege einer Beschwerde gem. Art144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfen könnte. Im Gegenteil, ich habe mit der von mir eingebrachten Klage beim Landesgericht St. Pölten alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die mir zustehenden Bezüge zu erlangen. Die Reaktion des Gesetzgebers auf das von Herrn M.W. (bei identischer Rechtslage!) ersiegte klagsstattgebende Urteil war die rückwirkende Novellierung des §68a VBG 1948. Diese bewirkte in meinem Fall bereits ein Unterliegen im erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG St. Pölten. Mit meinem Obsiegen ist aufgrund der geänderten Rechtslage auch im Berufungsverfahren nicht zu rechnen."

3. Die Bundesregierung erstattete zu diesem Antrag eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Individualantrages bestreitet und seine Zurückweisung begehrt. Begründend wird dazu vor allem ausgeführt, dem Antragsteller wäre ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung gestanden, seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen:

"Wie der Antragsteller in der Sachverhaltsdarstellung seines Individualantrages (Seite 5) ausführt, ist bezüglich der Frage der Gebührlichkeit der gegenständlichen Vergütung, sei es nach §40b oder nach §101 GG 1956, ein arbeitsgerichtliches Verfahren beim Oberlandesgericht Wien, das in diesem Verfahren zur Entscheidung in zweiter Instanz berufen ist, zur GZ 7 Ra 5/98, anhängig.

In ständiger Rechtsprechung vertritt der Verfassungsgerichtshof die Auffassung (vgl. z.B. VfSlg. 10632/1985), daß dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von einem Gesetz Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof bietet, nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände der Partei das Recht zur Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages eingeräumt ist; andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde.

Ein solcher außergewöhnlicher Umstand, der ungeachtet des laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahrens die Zulässigkeit des gegenständlichen Individualantrages bewirken würde, ist nicht hervorgekommen und wird vom Antragsteller auch nicht behauptet. Dem Antragsteller steht es also offen, beim Oberlandesgericht Wien anzuregen, die gegenständlichen Bestimmungen anzufechten. Der verfahrensgegenständliche Individualantrag erweist sich damit als unzulässig und wird daher zurückzuweisen sein."

4. Der Antragsteller hat darauf repliziert. In seiner Replik führt er u.a. aus:

Mittlerweile habe das Oberlandesgericht Wien der gegen das klagsabweisende erstinstanzliche Urteil erhobenen Berufung keine Folge gegeben und es insbesondere abgelehnt einen Normenprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Die "einzige (nicht nur zumutbare, sondern auch faktische) Möglichkeit", Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, sei daher der vorliegende Individualantrag.

II. Der Antrag ist aus den nachstehend genannten Gründen unzulässig:

1. Wie der Verfassungsgerichtshof - beginnend mit VfSlg. 8009/1977 - in ständiger Judikatur ausspricht, setzt die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG nicht nur voraus, daß die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch die als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern sie erfordert auch, daß dieses Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam wurde. Grundlegende und unabdingbare Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden (natürlichen oder juristischen) Person berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein solcher, die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muß jedenfalls nach Art und Ausmaß durch das Gesetz eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen. Ein "unmittelbarer" Eingriff ist aber dann nicht gegeben, wenn dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen generellen Norm zugefügten - Rechtsverletzung zur Verfügung steht (s. zB VfSlg. 10251/1984, 10606/1985, 10857/1986, 12019/1989, 12150/1989, 12810/1991).

2. Ein "unmittelbarer" Eingriff ist u.a. auch dann nicht gegeben, wenn dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr der - ihm durch die angebliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen generellen Norm zugefügten - Rechtsverletzung zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 10251/1984, 11344/1987, 11480/1987, 11890/1988).

3. Im Zuge eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens bestand für den Antragsteller Gelegenheit, seine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesstelle vorzutragen und bei dem in dieser Rechtssache zuständigen Gericht die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B-VG anzuregen. Gemäß Art89 Abs2 erster Satz B-VG ware das Gericht, sofern es Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines anzuwendenden Gesetzes hegte, zur entsprechenden Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet (vgl. zB VfSlg. 8552/1979, 9394/1982, 11480/1987, 11890/1988).

War aber - wie hier - ein gerichtliches Verfahren, in dem der Betroffene eine solche amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anregen konnte, bereits anhängig, so müssen besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des Gerichtsverfahrens selbst - trotz der ihr dort gegeben gewesenen Möglichkeit - das Recht auf Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages einzuräumen. Man gelangte andernfalls zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären ("lückenschließenden") Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 10251/1984, 11344/1987, 11505/1987, 11890/1988). Ob und inwieweit allerdings das Gericht auf die Kritik der Partei des Gerichtsverfahrens an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen eingeht, ist hiebei nicht ausschlaggebend (VfSlg. 8552/1979; 11890/1988).

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ist aber nicht zu ersehen, daß im Falle des Antragstellers besondere, außergewöhnliche Umstände der vorhin erwähnten Art vorlägen.

4. Der Antrag war - allein bereits aus den dargelegten Erwägungen - mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen.

5. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Dienstrecht, Bezüge, Vertragsbedienstete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G39.1998

Dokumentnummer

JFT_10019071_98G00039_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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