RS UVS Oberösterreich 1995/05/11 VwSen-280068/2/Ga/La

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Veröffentlicht am 11.05.1995
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Rechtssatz

Zur Begründung des Rechtsmittels verweist das AI auf seine Anzeige vom 23. Jänner 1995 (gemeint wohl: vom 25. Jänner 1995) und bringt vor, daß es in dieser Anzeige eine Strafhöhe von 10.000 S beantragt habe. Es sei jedoch die Strafhöhe auf das Mindestmaß von 2.000 S "herabgesetzt" worden, ohne dem AI Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben; auch die näheren Beweggründe über die "Herabsetzung" des Strafausmaßes habe die belangte Behörde nicht bekanntgegeben.

Mit dieser Begründung stellt das AI den Antrag, das Straferkenntnis dahin zu ändern, daß gegen den Beschuldigten eine Strafe "im Sinne" des Strafantrages vom 25. Jänner 1995 verhängt werde. Durch diese somit allein gegen den Strafausspruch gerichtete Berufung ist das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich der Schuld (Spruchelemente gemäß § 44a Z1 und Z2 VStG) auch gegenüber dem AI teilrechtskräftig geworden.

Die belangte Behörde hat das bekämpfte Straferkenntnis gemäß § 43 Abs.1 VStG sogleich nach Durchführung der mündlichen Strafverhandlung am 20. März 1995, bei der das AI deswegen nicht zugegen war, weil es mangels Verständigung von der Verhandlung gar nichts wissen konnte, durch Verkündung in Gegenwart des Beschuldigten erlassen. Die darüber verfaßte, unter einem das verkündete Straferkenntnis wiedergebende und auch den ausdrücklichen Berufungsverzicht des Beschuldigten dokumentierende Niederschrift ist durchschriftlich dem AI bekanntgegeben worden; das AI hat diesen Vorgang erschließbar als 'schriftliche Ausfertigung des Bescheides' iSd § 46 Abs.2 VStG aufgefaßt. Kann - im Hinblick auf die Teilrechtskraft - auch dahingestellt bleiben, ob die vorliegende Fassung des Schuldspruchs den Anforderungen, die der Verfahrensgesetzgeber an einen gemäß § 44a Z1 VStG diesbezüglich ausdrücklich zu formulierenden Spruchteil stellt, überhaupt genügt (gegenständlich ist die Tat nämlich nicht ausdrücklich bezeichnet; sie kann nur indirekt im Wege einer Verweisung auf die im Strafakt einliegende erste Verfolgungshandlung erschlossen werden), so ist das AI mit seiner Verfahrensrüge der ihr nicht gewährten Gelegenheit zur Stellungnahme im Recht. Wegen der Vorschrift des § 11 Abs.2 ArbIG nämlich, wonach die Strafbehörde, wenn sie das Strafverfahren einzustellen oder eine niedrigere Strafe, als vom AI beantragt wurde, zu verhängen findet, vor Erlassung des Bescheides dem Arbeitsinspektorat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben hat, hätte die belangte Behörde mangels objektiver Erfüllung dieses gesetzlich ausdrücklich angeordneten Parteiengehörs das Straferkenntnis nicht durch Verkündung sogleich nach mündlicher Strafverhandlung erlassen dürfen.

Das der Amtspartei von der belangten Behörde rechtswidrig vorenthaltene Stellungnahmerecht hat das AI allerdings nachträglich durch Erhebung der vorliegenden Berufung konsumiert. Die somit zu Recht erhobene Verfahrensrüge verhilft der Berufung dennoch nicht zum Erfolg. Indem nämlich das AI mit der nun erhobenen Berufung die ihm strafbehördlich verwehrte Stellungnahme zwar nachholt, versäumt es aber gleichzeitig, die Gründe anzugeben, aus denen es die Verhängung einer höheren Strafe für gerechtfertigt hält.

Die Angabe konkreter Gründe für die beantragte, erhebliche Strafverschärfung wäre auch naheliegend gewesen, weil, wie die Einsicht in den vorgelegten Strafakt erweist, der Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe von 10.000 S schon in der Anzeige vom 25. Jänner 1995 unbegründet geblieben ist. Daß aber das in der Anzeige beantragte Strafausmaß begründet werden muß, ergibt sich aus dem Blickwinkel eines dem Rechtsschutzgedanken verpflichteten 'fairen Verfahrens' (vgl. Art. 6 Abs.1 MRK) einerseits und aus dem Umstand, daß aus einer solchen Begründung auch die Strafbehörde schon Anhaltspunkte insbesondere für die Bewertung des Unrechtsgehalts der Tat mitgeteilt bekommt andererseits. Zusätzlich einsichtig wird diese Begründungspflicht dann, wenn - wie hier - aus dem Anzeigeschriftsatz selbst nicht hervorgeht, ob der Anzeige eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung iSd § 9 Abs.1 ArbIG vorausgegangen ist, oder ob das AI von einer solchen Aufforderung im Grunde des § 9 Abs.3 ArbIG Abstand genommen hat bzw. zu nehmen hatte. Auch in der von Scherff redigierten Sondernummer des ARD-Betriebsdienstes (Dezember 1994): Arbeitnehmerschutz und Arbeitsinspektion, wird die Auffassung vertreten, daß das Strafausmaß zu begründen ist (S. 223).

Mangels der in der zitierten Anzeige schon nicht stattgefundenen, in der vorliegenden Berufung hingegen nicht nachgeholten Begründung des beantragten Strafausmaßes kann aber der unabhängige Verwaltungssenat in der von der belangten Behörde mit der Mindeststrafe von 2.000 S festgesetzten Geldstrafe keine Rechtswidrigkeit erkennen, zumal die belangte Behörde dabei das ihr gemäß § 19 VStG obliegende Ermessen offensichtlich im Sinne des Gesetzes ausgeübt hat. Dies kommt aus der erwähnten Niederschrift vom 20. März 1995 darin zum Vorschein, daß der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat vollinhaltlich zugegeben und sich diesbezüglich ausdrücklich schuldig bekannt hat und die belangte Behörde diese Umstände, wie aus der Begründung teils ausdrücklich teils erschließbar hervorgeht, als ein die Wahrheitsfindung unterstützendes, jedenfalls aber reumütiges Geständnis gewertet und erkennbar als besonderen Milderungsgrund iSd § 34 Z17 StGB berücksichtigt hat. Weil zudem Erschwerungsgründe schon nach der Aktenlage nicht vorlagen, vom Berufungswerber nicht geltend gemacht wurden und auch nach der Sachkonstellation nicht aufzugreifen waren, vielmehr im Gegenteil von der absoluten Unbescholtenheit des Beschuldigten - als weiterer Milderungsgrund iSd § 34 Z2 StGB - ausgegangen werden mußte, findet der unabhängige Verwaltungssenat die verhängte Geldstrafe als gleichermaßen tat- und schuldangemessen. Die Betonung eines spezialpräventiven Abschreckungszweckes der Strafe hatte wegen der Unbescholtenheit des Beschuldigten zu unterbleiben. Und schließlich ist auch das Ausmaß der gleichzeitig festzusetzen gewesenen Ersatzfreiheitsstrafe vor dem Gesetz vertretbar.

Aus diesen Gründen war der Berufung der Erfolg zu versagen und eine Bestätigung der verhängten Strafe auszusprechen, wobei zugleich die für die Strafverhängung herangezogene Gesetzesbestimmung richtigzustellen war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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