RS UVS Oberösterreich 1995/05/12 VwSen-102736/7/Br/Bk

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Veröffentlicht am 12.05.1995
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Rechtssatz

Die Fahrbahn ist an der besagten Stelle ca. 7 m breit. In Fahrtrichtung ortsauswärts (Richtung Westen = Abstellrichtung des Berufungswerberfahrzeuges) ist aus der Position des abgestellten Fahrzeuges die Hauptstraße auf etwa 70 m einsehbar. Für den in dieser Richtung aus Richtung Ortszentrum herannahenden Verkehr konnte das abgestellte Fahrzeug auf ca. 80 m gesehen werden. Ein Gegenverkehr konnte etwa 30 m vor dem knapp (ca. 50 cm) am rechten Fahrbahnrand, in Höhe der östlichen Gartengrenze des Hauses Hauptstraße Nr.X, abgestellten Campingbus des Berufungswerbers wahrgenommen werden. Die in Fahrtrichtung ortsauswärts auf der Höhe des abgestellten Campingbusses verbleibende Fahrstreifenbreite ist mit fünf Meter anzunehmen. Inwieweit der zum Vorfallszeitpunkt noch im gegenüber Nr.X liegenden Garten stehende Nußbaum die Sicht auf den Gegenverkehr nachteilig beeinträchtigen konnte, war wohl in der Realität nicht mehr nachvollziehbar. Es ist aber mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß die auf die Straße überhängenden Äste bzw. deren Belaubung die Sicht auf die Fahrbahn nicht beeinträchtigen konnten.

Auf diesem Straßenzug besteht keine Geschwindigkeitsbeschränkung. Die Fahrbahn war trocken. Unter Annahme der Annäherung mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit in Richtung ortsauswärts - welche nur unter optimalen Bedingungen gefahren werden darf - betrug der Bremsweg unter Zugrundelegung einer mittleren Verzögerung von 3,5 m/sek2 (Betriebsbremsung) 27,6 m (Weg-Zeit-Tabelle v. F. Sacher). Wenn nun hier einerseits das Fahrzeug des Berufungswerbers bereits aus 80 m (Richtung ortsauswärts) bzw. aus 70 m (Richtung Zentrum) erkennbar war, mußte die Fahrgeschwindigkeit des Gegenverkehrs entsprechend reduziert werden, sodaß mit dem abgestellten Fahrzeug keine adäquate Gefahr verbunden gewesen sein konnte. Bei einer Gefahrensichtweite von zumindest 30 m wäre somit auch im Falle eines Gegenverkehrs ein sicheres Anhalten vor dem vom Berufungswerber abgestellten Fahrzeug möglich gewesen. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf das Ergebnis des vorgenommenen Ortsaugenscheines. Der Zeuge gab anläßlich seiner Vernehmung an, daß er den Campingbus an der im Foto ersichtlichen Position abgestellt wahrnahm und er, nachdem er beim Fahrzeug niemanden sah, einen Verständigungszettel anbrachte. Er räumte aber auch ein, daß er nicht sagen könne, ob das Fahrzeug dort länger als zehn Minuten abgestellt war; diesfalls hätte er die Anzeige darauf gestützt, daß jedenfalls nicht zwei Fahrstreifen frei geblieben waren. Nach der Berufungsverhandlung wurden zwecks Dokumentation des Beweisergebnisses von der Vorfallsörtlichkeit betreffend diesen Straßenverlauf mehrere Fotos gemacht. Bereits aus dem vom Berufungswerber im Zuge seines Einspruches beigelegten Foto hätte erkannt werden müssen, daß der hier, wenn auch nur zum Teil, abgebildete Straßenverlauf nicht ungeprüft und die anders lautende Verantwortung des Berufungswerber nicht einfach ignoriert werden hätte dürfen. Der objektive Aussagewert dieses Fotos konnte keinen sachlichen Anhaltspunkt für die Aufrechterhaltung des Tatvorwurfes bilden. Wenngleich der Anzeigeleger aus seiner Sicht den dortigen Bereich subjektiv zutreffend so beurteilte, daß dieses Fahrzeug für den Fahrzeugverkehr als "störend" empfunden werden konnte, ändert dies nichts daran, daß die Behörde den Beweisanträgen nachzugehen gehabt hätte und das Verfahren im Ergebnis nicht zur bloßen "leeren Hülse" werden lassen durfte.

Zur Gänze nicht nachvollziehbar ist die im Straferkenntnis getroffene Feststellung, daß etwa aus Richtung U (ortsauswärts) ankommende Fahrzeuglenker eines Einweisers zu bedienen gehabt hätten, um am Fahrzeug des Berufungswerbers vorbeizukommen. Im Zuge des Ortsaugenscheines wurde ein Gendarmeriefahrzeug (Jeep), welches in seinen Breitendimensionen durchaus mit dem Campingbus des Berufungswerbers vergleichbar ist, an der gegenständlichen Stelle abgestellt. Sämtliche Fahrzeuge konnten die Stelle mühelos mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 25 km/h passieren. Das Einstellen auf diese Verkehrssituation ist, wie schon erwähnt, ausreichend rechtzeitig möglich.

Es ist wohl zutreffend, daß auf engen Stellen der Fahrbahn, im Bereich von Fahrbahnkuppen oder von unübersichtlichen Kurven ... das Halten und Parken verboten ist. Es vermag aber der Erstbehörde in ihrer Ansicht nicht gefolgt werden, wenn diese vermeint, daß diese Bestimmung "den Bereich einer Kurve" umfasse. Dieser Sicht ist entgegenzuhalten, daß der Regelungsinhalt nicht dazu führen darf, daß in zahlreichen Bereichen in nahezu jedem Ortsgebiet das Abstellen von Fahrzeugen am rechten Fahrbahnrand rechtswidrig wäre. Innerhalb von 70 bis 80 m finden sich in Ortsgebieten häufig Kurven und baulich bedingte Sichtbehinderungen. In Anwendung dieser Bestimmung muß doch wohl auf die spezifische Verkehrssituation, hier insbesondere die erlaubte Höchstgeschwindigkeit Bedacht genommen werden. Insbesondere in einem Ballungszentrum gestaltet sich dies anders als auf einer Freilandstraße. Zumindest kann dann diese Schutznorm als nicht (mehr) verletzt erachtet werden, wenn die Gefahrensichtweite größer als der Bremsweg ist. Wie oben festgestellt war in der Fahrtrichtung dessen Fahrstreifen durch das Fahrzeug des Berufungswerbers zum Teil verstellt, das abgestellte Fahrzeug aus 80 Meter sichtbar und der Gegenverkehr auf 30 m. Die von der Erstbehörde zitierte Judikatur besagt unter Hinweis auf Rudelstorfer-Weinmann, Ausgabe der StVO 1960, S 95, daß die Mindestsichtweite (bei 50 km/h) 60 m zu betragen hat. Auf diese Judikatur durfte demnach die erstbehördliche Entscheidung nicht gestützt werden.

Das hier angefochtene Straferkenntnis erwies sich daher objektiv als rechtswidrig.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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