RS UVS Oberösterreich 1995/06/26 VwSen-260133/2/Wei/Bk

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Veröffentlicht am 26.06.1995
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Rechtssatz

Gemäß § 137 Abs.3 lit.g WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach dem Einleitungssatz, sofern die Tat nicht nach Abs.4 oder 5 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-- zu bestrafen, wer ohne die gemäß § 32 Abs.1 und 2 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung oder entgegen einer solchen eine Einwirkung auf Gewässer vornimmt.

Nach § 32 Abs.1 sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs.2 WRG) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Bloß geringfügige Einwirkungen, insbesondere der Gemeingebrauch (§ 8 WRG) sowie die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung (§ 32 Abs.8 WRG), gelten bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung.

Der Bewilligung im Sinne des § 32 Abs.1 WRG 1959 bedürfen nach § 32 Abs.2 lit.a WRG 1959 jedenfalls die Einbringung von Stoffen in festem, flüssigem oder gasförmigem Zustand in Gewässer mit den dafür erforderlichen Anlagen.

Der Maßstab für die Reinhaltung der Gewässer ergibt sich aus der Zielvorschrift des § 30 Abs.2 WRG 1959, wonach jede Beeinträchtigung der natürlichen Beschaffenheit des Wassers und jede Minderung des Selbstreinigungsvermögens als Verunreinigung gilt.

Geringfügige Einwirkungen auf Gewässer liegen nur vor, wenn sie einer zweckentsprechenden Nutzung des Gewässers nicht entgegenstehen. Darunter ist eine Nutzung zu verstehen, die dem Ziel der Reinhaltung iSd § 30 Abs.1 WRG 1959 nicht widerspricht (vgl mwN Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht (1993), § 32 Rz 14; Rossmann, Wasserrecht, 2. A (1993), 112 Anm 3).

Für die Bewertung der Emissionen der gegenständlichen Kläranlage M. sind die vorgeschriebenen Emissionsbegrenzungen nach der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung maßgeblich. Aus dem Bescheid des Landeshauptmannes vom 21.9.1970 ergibt sich in qualitativer Hinsicht, daß beim Ablauf aus der biologischen Stufe der Kläranlage ein BSB 5-Wert von 30 mg/l nicht überschritten werden darf. Ein zusätzlicher Grenzwert für absetzbare Stoffe wurde wegen Gegenstandslosigkeit nicht vorgeschrieben (vgl Stellungnahme vom 9.3.1993, Akt, S 135f). Auch in der 1. Emissionsverordnung für kommunales Abwasser heißt es in der Anlage B unter Punkt 2.2. lit.f betreffend Ablaufkonzentrationen, daß die Festlegungen für die Parameter BSB 5 und CSB Festlegungen für die Parameter "Abfiltrierbare Stoffe" und "Absetzbare Stoffe" erübrigen. Ein solcher Grenzwert, dem neben dem BSB 5 Wert offenbar kaum eigenständige Bedeutung zukäme, spielt daher entgegen der Ansicht des Bw gegenständlich keine Rolle.

In quantitativer Hinsicht wird im Bescheid des Landeshauptmannes vom 28. August 1973 das Maß der Wasserbenutzung für die gesamte Ortskanalisation bei häuslichen Abwässern mit dem Höchstmaß von 930 m3/d bzw 18,5 l/s und bei Niederschlagswässern mit maximal 6.200 l/s vorgeschrieben. Im vorangegangenen Bewilligungsbescheid vom 21. September 1970 war das Maß der Wasserbenutzung zur Ableitung der häuslichen Abwässer noch mit maximal 530 m3/d bzw. 12 l/s und zur Ableitung von Niederschlagswässern mit maximal 5.000 l/s festgelegt. Im Bewilligungsbescheid aus 1973 betreffend eine Erweiterung der Ortskanalisation wurde aber kein neuer BSB 5-Grenzwert festgelegt. Bemerkenswert ist dabei, daß der damalige wasserbautechnische Amtssachverständige aufgrund der vorliegenden Projektsunterlagen nicht beurteilen konnte, ob die bestehende Kläranlage, die nicht erweitert oder angepaßt worden war, die zusätzlichen Abwassermengen überhaupt aufnehmen kann (vgl Verhandlungsschrift vom 15.3.1973, S 6). Diese Unsicherheit führte damals nicht etwa zur Abweisung oder zum Aufschub der Bewilligung hinsichtlich der beantragten Erweiterung der Kanalisation, sondern lediglich zur Auflage I/18, in der vorgeschrieben wurde, die Aufnahmefähigkeit der bestehenden Kläranlage noch vor Einleitung von Abwässern aus dem Erweiterungsgebiet untersuchen zu lassen und das Untersuchungsergebnis der Wasserrechtsbehörde unaufgefordert und schriftlich mitzuteilen.

Festzuhalten ist, daß die strengeren Emissionsbegrenzungen in der Anlage A der 1. Emissionsverordnung für kommunales Abwasser (vgl BGBl. Nr.180/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr.537/1993) schon im Hinblick auf die Übergangsfrist von 10 Jahren nicht maßgeblich sind. Außerdem wurde durch BGBl. Nr.554/1992 das Inkrafttreten dieser Verordnung nachträglich je nach Größenordnung der Anlagen hinausgeschoben. Für die gegenständliche Größe der Anlage zwischen 2000 und 15.000 EGW trat die Verordnung erst mit 1.1.1995 in Kraft, was bedeutet, daß ab diesem Zeitpunkt die Übergangsfrist zu laufen beginnt. Den Bewertungsmaßstab bilden daher ausschließlich die erwähnten Bewilligungsbescheide.

Unbestritten und nach der Aktenlage unzweifelhaft ist, daß die Kläranlage Mauerkirchen den Emissionsgrenzwert für organische Schmutzfrachten im Ablauf, der durch den biochemischen Sauerstoffbedarf in fünf Tagen von 30 mg/l begrenzt worden ist, am 1., 3., 5. und 12.12.1992 massiv überschritten hat. Damit ist das Tatbild des Ungehorsamsdelikts nach dem § 137 Abs.3 lit.g WRG 1959 (vgl Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, § 137 Rz 8, 565) in der Variante "entgegen einer wasserrechtlichen Bewilligung gemäß § 32 Abs.1 und 2 WRG 1959" an sich erfüllt, weil die Einwirkungen auf den Vorfluter durch den Betrieb der Kläranlage an den genannten Tagen feststehen. Nach § 5 Abs.1 Satz 2 VStG konnte die Fahrlässigkeit des Zuwiderhandelns ohne weiteres angenommen werden, wenn der Täter nicht glaubhaft machte, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Die belangte Strafbehörde hat den Bürgermeister als das nach außen vertretungsbefugte Organ (vgl § 58 Abs.1 O.ö. Gemeindeordnung 1990) der Marktgemeinde M, des Betreibers der Kläranlage und der Ortskanalisation, iSd § 9 Abs.1 VStG zur Verantwortung gezogen und sein Verschulden bejaht, weil er trotz des Gutachtens Dris. B wegen des entgegenstehenden Gutachtens des Amtssachverständigen nicht von der ordnungsgemäßen Funktion der Kläranlage hätte ausgehen dürfen. Dazu ist zunächst zu bemängeln, daß die Strafbehörde nicht klargestellt hat, welches Gutachten eines Amtssachverständigen gemeint ist. Die aktenkundigen Stellungnahmen und Berichte der Amtssachverständigen sind alle erst nachträglich erstattet worden. So gesehen konnte sich der Bw zunächst einmal auf den Überprüfungsbericht Dris. B vom 4.2.1991 verlassen, der der Kläranlage immerhin eine ausgezeichnete Reinigungsleistung bescheinigte. Inwieweit der Bericht Dris. B weniger repräsentativ als die spätere Überprüfung durch Amtssachverständige war, oblag nicht der laienhaften Beurteilung des Bw und spielte daher für ihn keine Rolle.

Das eigentliche Problem der Ortskanalisation M liegt darin, daß die Kläranlage bei längerem Regenwetter hydraulisch überlastet wird, wodurch es zur Austragung von Klärschlamm aus dem Nachklärbecken kommt, der dann naturgemäß im Ablauf eine Überschreitung der Emissionsgrenzwerte um ein Vielfaches bewirkt. Der erkennende Verwaltungssenat teilt die Kritik des Dipl.-Ing P, daß allein mit dem Hinweis auf Mängel bei der Mischwasserbehandlung wenig ausgesagt wird. Es erscheint nach den Beweisergebnissen klar, daß die Regenwasserentlastung in der gesamten Ortskanalisation nicht ordnungsgemäß funktioniert. Der Grund dafür liegt in der Bauart der Kanalisation und der Kläranlage. Diese Mängel in der Projektierung, die wohl von Anfang an bestanden haben, wurden in den Bewilligungsbescheiden der Jahre 1970 und 1973 nicht angesprochen. Die damaligen Amtssachverständigen haben die technischen Probleme der Kanalisation bezüglich der Regenwasserbehandlung offenbar nicht erkannt oder zumindest unterschätzt. Die Aufnahmefähigkeit der Kläranlage konnte der wasserbautechnische Amtssachverständige im Jahr 1973 aufgrund der vorliegenden Projektsunterlagen nicht beurteilen. Dennoch wurde die Erweiterung der Kanalisation bewilligt und lediglich mit Auflage I/18 eine (private) Untersuchung zu einer Frage vorgeschrieben, die unbedingt der amtswegigen wasserrechtsbehördlichen Überprüfung bedurft hätte, weil sie den Hauptinhalt der Bewilligung gemäß § 111 WRG 1959 betrifft.

Erst im Jahr 1985 wurde die Wasserrechtsbehörde offenbar - Näheres ist dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt nicht zu entnehmen - durch Erlassung eines wasserrechtlichen Alternativauftrages gemäß § 138 Abs.2 WRG 1959 tätig. Der Anlaß waren Maßnahmen zur Sanierung und Anpassung an den Stand der Technik. Die in diesem Zusammenhang geäußerte Ansicht der belangten Strafbehörde, wonach das Projekt des Jahres 1985 von dem des Jahres 1990 unabhängig gewesen wäre, wird durch die glaubhafte Darstellung des Dipl.-Ing. P in seiner Stellungnahme vom 5.7.1994, die der Bw zu seinem eigenen Vorbringen erhoben hat, widerlegt. Auch der unabhängige Verwaltungssenat ist mit dem Bw der Meinung, daß das Kläranlagenprojekt von der Anpassung der Regenüberfälle im Ortskanalnetz getrennt ausgeführt und bewilligt hätte werden können. Es wäre sinnvoll gewesen, statt eines jahrelangen Streites über einzelne technische Fragen des Gesamtprojekts, zunächst als ersten Abschnitt eine wesentliche Verbesserung der Kläranlagensituation durch gesonderte Bewilligung eines Regenklärbeckens zuzulassen, zumal die Bemessungsgröße der Kläranlage nicht strittig war. Einen entsprechenden Antrag hat die Marktgemeinde Mauerkirchen eingebracht. Insofern ist daher das Argument des Bw nicht widerlegbar, daß die Marktgemeinde M mit Sanierungsarbeiten bereits wesentlich früher hätte beginnen können, wäre zumindest ein Teil ihres eingereichten Projektes 1985 positiv erledigt worden. Abgesehen davon erscheint die erstinstanzliche Verfahrensdauer von nahezu drei Jahren bis zum abweisenden Bescheid des Landeshauptmannes vom 26.7.1988 angesichts der Sanierungsbedürftigkeit der Kläranlage unangemessen lange. Im Ergebnis muß der erkennende Verwaltungssenat der Ansicht der belangten Strafbehörde widersprechen, wonach die lange Verfahrensdauer im wesentlichen auf Versäumnisse der Gemeinde M zurückzuführen wäre. Tatsächlich ist davon auszugehen, daß wasserrechtsbehördliche Versäumnisse bereits in den Siebziger Jahren vorlagen, zumal Mängel des Erweiterungsprojekts 1973 keiner intensiven amtswegigen Überprüfung unterzogen wurden. Mit zunehmender Erweiterung der Kanalanschlüsse führten die nach dem Dafürhalten des unabhängigen Verwaltungssenats von Anfang an bestehenden bauartbedingten Mängel zu einer zunehmenden hydraulischen Überlastung der Kläranlage bei Regenwetter, die sich auf den Vorfluter zwangsläufig negativ auswirken mußte. Es wäre daher notwendig gewesen, zielführende Maßnahmen zur Verbesserung der Regenentlastung der Kläranlage frühzeitig zu bewilligen. Die sicherlich ebenfalls notwendige Sanierung der Regenüberfälle im Ortskanalnetz hätte auch nachträglich erfolgen können. Die erhebliche Dauer des Administrativverfahrens, während der nichts zur Verbesserung der Kläranlagensituation geschehen konnte, wurde daher weder von der Gemeinde provoziert noch sonst verschuldet. Die Wahrnehmung von Verfahrensrechten kann überdies nur ausnahmsweise bei erwiesener Verschleppungstendenz als rechtswidrig und schuldhaft betrachtet werden.

Aufgrund der dargestellten Verhältnisse ist anzunehmen, daß dem Bw die ihm obliegende Entlastung gemäß § 5 Abs.1 Satz 2 VStG gelungen ist. Er war auf die Bewilligung eines Sanierungsprojektes angewiesen und konnte bauartbedingt gar keine Vorsorgemaßnahmen treffen, die die Einhaltung des wasserrechtlich vorgeschriebenen BSB 5-Grenzwertes trotz Regenwetters gewährleistet hätte. Damit scheidet aber ein Verschulden des Bw aus und war spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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