RS UVS Oberösterreich 1995/07/06 VwSen-210162/3/Ga/La

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Veröffentlicht am 06.07.1995
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VwSen-310006 v. 27.6.1995; VwSen-210194 v. 21.12.1994 Rechtssatz

§ 17 Abs.1 AWG regelt mit der Fallgruppe des ersten Satzes sowie dem Einzeltatbestand des zweiten Satzes ein Bündel unterschiedlicher Tatbestände. Für die Einhaltung sämtlicher dieser Verhaltensnormen ist mit § 39 Abs.1 lit.b Z10 AWG (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 1994, BGBl. Nr. 155) nur eine Sanktionsnorm vorgesehen, wonach zu bestrafen ist (lit.b), wer gefährliche Abfälle und Altöle entgegen § 17 Abs.1 lagert, behandelt oder ablagert (Z10).

Gegenständlich hat die belangte Behörde - entgegen dem in der Einleitung der Bescheidbegründung konträr zum diesbezüglich eindeutigen Bescheidspruch erweckten Eindruck - die Verletzung der Verbotsnorm (nur) des § 17 Abs.1 zweiter Satz AWG zugrundegelegt. Gemäß dieser Vorschrift ist das Ablagern von gefährlichen Abfällen oder Altölen außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen unzulässig.

Der Begriff des Ablagerns als solcher ist im AWG positiv nicht umschrieben; immerhin aber enthält § 2 Abs.11 einen Hinweis auf eine offenbar wesentliche Facette des Begriffsinhaltes, indem dort die Deponie als eine Anlage zur langfristigen Ablagerung von Abfällen bestimmt wird. Der Versuch der Verbalinterpretation nach der "eigentümlichen Bedeutung" (§ 6 ABGB) des objektiven Ausdrucks "langfristig" erweist jedoch dessen Unklarheit und Mehrdeutigkeit (zur Frage nämlich, welches Ausmaß einer Zeitspanne im gegebenen Sachkonnex mindestens vorliegen muß), sodaß Rekurs auf den Willen des historischen (Abfallwirtschafts-)Gesetzgebers zu nehmen ist (siehe hiezu zB Walter-Mayer, Bundesverfassungsrecht 7. (1992), Rz 128 ff). Tatsächlich gestatten die demgemäß als Erkenntnisquellen zunächst zur Verfügung stehenden Gesetzesmaterialien die gebotene Aufhellung über die hier maßgebende Absicht des Gesetzgebers (vgl. F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (1982), 449 f). So stellen die Erläuterungen zur RV des AWG im allgemeinen Teil - ausdrücklich hinweisend auf das somit grundgelegte "Begriffsverständnis" - klar (1274 BlgNR XVII. GP, 28, Z7), daß das Gesetz unter dem Begriff 'Lagern' einen Vorgang von vorübergehender Dauer, unter dem Begriff 'Ablagern' jedoch einen auf Dauer ausgerichteten, daher gerade nicht bloß vorübergehenden Vorgang versteht.

Davon ausgehend liegt Ablagerung/Ablagern vor:

a) unter subjektiven Gesichtspunkten jedenfalls dann, wenn bewegliche Sachen als Abfälle im Bewußtsein der Endgültigkeit weggegeben werden; bei Offensichtlichkeit der Ablagerung gilt das Moment der Entledigungsabsicht als immanent (idS die vorhin zit. Erläuterungen, 37); dabei ist eine 'Entledigung' auf eigenem Grund und Boden nicht von vornherein ausgeschlossen - es kommt auf die Umstände des Einzelfalles an;

b) ausnahmsweise unter objektiven Gesichtspunkten jedoch dann, wenn eine gegebene Lagerung beweglicher Sachen als Abfälle bereits so lange angedauert hat, daß eben deswegen Beeinträchtigungen iSd § 1 Abs.3 AWG nicht mehr vermieden werden konnten, dh eingetreten sind; im Zweifel wird im konkreten Einzelfall aus dem Blickwinkel des öffentlichen Interesses bloß ein 'Lagern' dann nicht mehr anzunehmen sein (arg.: der Verweis in diesem Zshg. auf § 17 Abs.5 des Gesetzes in den vorhin zit. Erläuterungen aaO; daraus scheint ableitbar, daß ein Vorgang zwar als (zulässige) 'Lagerung' beginnen kann, unter den geschilderten Umständen jedoch in eine (unzulässige) 'Ablagerung' umschlägt, dh daß in solchen Fällen der Gesetzgeber eine ursprünglich noch nicht vorhanden gewesene Entledigungsabsicht als von Anfang an gefaßt gewesen fingiert; diesfalls allerdings hätte sich die Tatanlastung auch auf die infolge lang andauernden Zeitablaufs eingetretenen Beeinträchtigungen zu erstrecken; die Erläuterungen zu § 17 Abs.5 sehen darin im Zshg. mit dem Deponievorbehalt einen Schutz gegen die Umgehung des Gesetzes in diesem Punkt).

Werden Abfälle "wild", dh nicht in einer genehmigten Abfallbehandlungsanlage deponiert, dann wird es sich in der Regel um eine Ablagerung gemäß der Beschreibung a) handeln. Bei einer demgemäß dislozierten, dh entgegen dem gesetzlichen Anlagenvorbehalt des § 17 Abs.1 zweiter Satz AWG und somit rechtswidrig herbeigeführten Ablagerung, wie sie nach der Spruchformulierung das angefochtene Straferkenntnis dem Berufungswerber vorwirft, handelt es sich um ein Begehungsdelikt (vgl. zuletzt das h. Erk. vom 27.6.1995, VwSen-310006/6/Le/La; mwN), das schon mit dem Abschluß der Handlung, das ist die im Wissen um bzw. in der (auch bloß bedingten) Absicht auf Endgültigkeit vorgenommene Weggabe der beweglichen Sachen als Abfall, verwirklicht ist (dabei könnten mehrfache rechtswidrige Ablagerungen - über einen bestimmten Zeitraum hintereinander begangen - grundsätzlich als fortgesetztes Delikt verfolgt werden; gegenständlich jedoch sind keinerlei Hinweise für eine fortgesetzte Begehungsweise ausgewiesen).

Mit der so verstandenen Ablagerung ist daher das Delikt abgeschlossen und beginnt die Verjährungsfrist zu laufen (zB VwSen-210194/3/Ga/La vom 21.12.1994).

Aus all dem folgt, daß im Berufungsfall zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals 'Ablagern' hinsichtlich der im Schuldspruch aufgezählten Gegenstände der Nachweis einer auf deren endgültige Entledigung als Abfälle gerichteten Absicht erforderlich gewesen wäre - wenn und insoweit nicht schon die Offensichtlichkeit der Ablagerung und die eben deswegen immanente Entledigungsabsicht ohne weiteres festgestellt werden konnte.

Dieser Nachweis liegt nicht vor; aus der Aktenlage ist ein darauf gerichtet gewesenes Ermittlungsverfahren nicht nachvollziehbar. Auch daß die belangte Behörde wenigstens den Nachweis einer immanenten Entledigungsabsicht durch Offensichtlichkeit der Ablagerung als erbracht angenommen und dem Schuldspruch zugrundegelegt hätte, ist im Strafakt durch nichts belegt. So können dem Verhandlungsprotokoll vom 2.2.1994 Hinweise, die auf die Entledigungsabsicht des Berufungswerbers wenigstens schließen ließen, nicht entnommen werden, sodaß sich der in der ersten Verfolgungshandlung (= Ladungsbescheid vom 10.2.1994) geäußerte Tatverdacht einer Ablagerung schon aus der bis dahin vorliegenden Aktenlage nicht begründen läßt.

Hingegen ist aus dem Strafakt die ausdrückliche Bestreitung des Berufungswerbers ersichtlich. Es hat nämlich der Berufungswerber in seiner der belangten Behörde mit Schreiben vom 22.2.1994 vom Amt der o.ö. Landesregierung, Umweltrechtsabteilung, übermittelten Stellungnahme vom 14.2.1994 folgendes ausgeführt: "Ich darf dazu auch feststellen, daß es sich bei den verschiedensten Gegenständen nicht um Ablagerungen auf Dauer gehandelt haben, sondern bloß um eine vorübergehende Lagerung, welche ich bei meiner vollständigen Genesung unaufgefordert einer entsprechenden Entsorgung zugeführt hätte." Entgegen der Darstellung in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wäre diese Stellungnahme des Berufungswerbers als immerhin indirekt erfolgte Rechtfertigung zu berücksichtigen gewesen und hätte sich die belangte Behörde mit dieser Verantwortung schon im Hinblick auf das gänzliche Fehlen aktenkundiger Fakten, die auf die Entledigungsabsicht (im oben beschriebenen Sinn) mit der im Strafverfahren erforderlichen Sicherheit hätten schließen lassen, auseinandersetzen müssen. Daß Feststellungen zur Ablagerungsabsicht des Berufungswerbers gar nicht vorliegen, wird auch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses deutlich. Entgegen dem auch für das Verwaltungsstrafverfahren geltenden § 60 AVG enthält die Bescheidbegründung keinerlei Ausführungen, warum die belangte Behörde die Verwirklichung gerade des Ablagerungstatbestandes angenommen hat. Im Gegenteil: Die Begründung läßt vermuten, daß die belangte Behörde die unterschiedlichen, in ihrer Bedeutung für diesen Fall entscheidungswesentlichen Inhalte der Begriffe 'Lagern' und 'Ablagern' möglicherweise verkannt hat (dies könnte erklären, daß in der Einleitung der Begründung die Worte "lagern" und "Lagerung" besonders hervorgehoben sind, und auf Seite 3 Mitte nicht nur das Ablagern, sondern - rechtsirrig - auch das Lagern gefährlicher Abfälle außerhalb von Abfallbehandlungsanlagen als unzulässig dargestellt wird).

Für den Berufungsfall hat die dargestellte Sach- und Rechtslage die Konsequenz, daß der im Schuldspruch angegebene Feststellungzeitpunkt aus allen diesen Gründen nicht mit der Tatzeit gleichgesetzt werden darf.

Als solche hätte nach den Umständen dieses Falles vielmehr jener Tag (bzw. Zeitraum bei - allerdings von der belangten Behörde von vornherein nicht angenommener - fortgesetzter Begehungsweise) ermittelt und gesondert vorgeworfen werden müssen, an dem sich der Berufungswerber der spruchverfangenen Gegenstände mit der Absicht auf endgültige Deponierung entledigt hatte.

Ist aber die Tatzeit für die vorgeworfene unbefugte Ablagerung nicht festgestellt und in Verfolgung gezogen worden, leidet das angefochtene Straferkenntnis im Lichte der zum Konkretisierungsgebot gemäß § 44a Z1 VStG ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an solchen Identitätsmängeln, die auch vom unabhängigen Verwaltungssenat nicht mehr saniert werden können, weshalb spruchgemäß die Aufhebung und die Einstellung auszusprechen waren.

Bei diesem Verfahrensergebnis kann einerseits dahingestellt bleiben, ob mit der Einordnung sämtlicher im Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten beweglichen Sachen als gefährliche Abfälle die bezügliche Rechtsfrage richtig beantwortet ist, und andererseits auf sich beruhen, ob die vom Berufungswerber behauptete Nutzung von ausgedienten, nicht mehr in bestimmungsgemäßer Verwendung stehenden Fahrzeugen "gleichsam als Ersatzteilträger" deren Einordnung als Abfälle gemäß § 2 Abs.2 Z3 AWG nach den Umständen dieses Falles rechtens hätte verhindern können.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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