RS UVS Oberösterreich 1995/08/23 VwSen-221215/7/Gu/Atz

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 23.08.1995
beobachten
merken
Rechtssatz

Als Zwecke der Sonn- und Feiertagsruhe kommen das Erholungsbedürfnis der Arbeitnehmer sowie der Umstand in Betracht, Personen die Gelegenheit zur Wahrnehmung der religiösen Pflichten und Gebräuche zu bieten, wobei gleichzeitig unter Bedachtnahme auf besondere Konsumbedürfnisse ansonsten der Wettbewerb der Betriebe stillgelegt wird.

Nicht zu vernachlässigen ist, daß die Festsetzung des 8. Dezember als Feiertag an eine völkerrechtliche Verbindlichkeit anknüpft, nämlich an das Konkordat zwischen dem Hl. Stuhle und der Republik Österreich, BGBl. Nr. 2 vom 1. Mai 1934.

In Artikel IX anerkennt die Republik Österreich die von der Kirche festgesetzten Feiertage. Diese sind: alle Sonntage; Neujahrstag;

Epiphanie (6. Jänner); Himmelfahrtstag; Fronleichnam; Fest der Hl. Apostel Peter und Paul (29. Juni); Maria Himmelfahrt (15. August);

Allerheiligen (1. November); Tag der unbefleckten Empfängnis (8. Dezember); Weihnachtstag (25. Dezember).

Gemäß § 3 Abs.1 des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes hat der Landeshauptmann für gewerbliche Tätigkeiten, für die an Sonn- und Feiertagen ein besonderer regionaler Bedarf besteht, der in den § 2 Abs.1 Z1 lit.a angeführten Vorschriften nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt ist, nach Anhörung der zuständigen Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft und der zuständigen Kammer für Arbeiter und Angestellte durch Verordnung jene Zeiten festzulegen, in denen diese Tätigkeiten an Sonntagen und Feiertagen zur Deckung des besonderen regionalen Bedarfes ausgeübt werden dürfen. Die Verordnung hat auch zu berücksichtigen, ob sich der besondere regionale Bedarf auf das ganze Land oder nur auf ein Teilgebiet erstreckt sowie, ob er das ganze Jahr über nur saisonal oder nur an bestimmten Sonn- und Feiertagen besteht. Eine darauf gegründete "Ausnahmeverordnung" beinhaltet keine gleichzeitige Erlaubnis, daß im Gewerbebetrieb Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen.

In Anknüpfung an diese Verordnungsermächtigung hat der Landeshauptmann von Oberösterreich am 26. Juli 1994, kundgemacht in der Folge 17 der ALZ 1994, Seite 8, eine Verordnung erlassen, welche das Offenhalten der Einzelhandelsbetriebe am 8. Dezember 1994 in allen Gemeinden der politischen Bezirke Braunau am Inn, Ried in Innkreis, Schärding und Rohrbach sowie in der Stadtgemeinde Grieskirchen und den im Zollgrenzbezirk liegenden Gemeinden Natternbach und Neukirchen am Walde des politischen Bezirkes Grieskirchen erlaubt und eine Öffnungszeit von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr vorsieht. Es steht somit fest und ist unbestritten, daß diese Verordnung sich nicht auf das Gebiet der Stadt Wels, in welchem die C. Handelsges.mbH. am ihren Standort hat, erstreckte und der Einzelhandelsbetrieb an diesem Standort am 8. Dezember 1994 hätte geschlossen gehalten werden müssen.

Eine Erlaubnis, am 8.12.1994 das Geschäft offen zu halten, fiel auch nicht unter die Ausnahmebestimmung der Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 1.7.1986, LGBl. Nr. 29. Gemäß § 4 Abs.1 des Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes begeht, sofern die Tat nicht nach arbeitsrechtlichen oder anderen Vorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung, die von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S zu ahnden ist, wer als Gewerbetreibender (§ 38 Abs.2 GewO 1973) oder als dem § 3 GewO 1973 unterliegende Person an Sonntagen oder Feiertagen

1. eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, die nicht unter § 2 Abs.1 Z1, 2 oder 4 fällt;

2. entgegen § 2 Abs.2 Betriebsstätten für den Kundenverkehr offen hält;

3. einer aufgrund des § 3 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt. Bezüglich der vom Rechtsmittelwerber angezogenen verfassungsrechtlichen Bedenken hat der O.ö. Verwaltungssenat folgendes erwogen:

Es trifft zu, daß die Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich aufgrund der Ermächtigung des § 3 Abs.1 Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetzes zu berücksichtigen hat, ob sich der besondere regionale Bedarf auf das ganze Land oder nur auf ein Teilgebiet erstreckt sowie ob er ... nur an bestimmten Feiertagen besteht.

Wie bereits dargetan, gilt festzuhalten, daß die Verordnung Ausnahmebestimmungen von der Feiertagsruhe schafft. Angesichts der heutigen guten Verkehrsverbindungen in das rund um Österreich gelegene Ausland ist letzteres in relativ kurzer Zeit, ausgenommen etwa von den Gebieten des inneren Salzkammergutes und des Gebietes um Liezen sowie um Maria Zell, von jedermann innerhalb relativ kurzer Zeit erreichbar und wäre unter Bedachtnahme auf die Tatsache, daß in Österreich der 8. Dezember (Maria Empfängnis) ein Feiertag ist, im angeschlossenen Ausland jedoch nicht, und die vorweihnachtliche Zeit für die Umsätze im Wirtschaftsleben maßgebliche Bedeutung haben, nicht der einzelne Landeshauptmann, sondern der Bundesgesetzgeber berufen, erforderlichenfalls initiativ zu werden.

Es trifft auch zu, daß eine scharfe Trennlinie, daß von Grieskirchen ein Kaufabschluß nach Bayern noch stattfinden könne, nicht aber von dem durch einen unmittelbaren Autobahnanschluß berührten Gebiet der Stadt Wels, nicht gezogen werden kann und nicht nur Wels, sondern die Gebiete im Mühlviertel durch die Nähe zur Tschechei genauso betroffen sind wie die Grenzbezirke im Innviertel bis hinreichend zum Zentralraum.

Unweigerlich ist damit eine Grauzone gegeben.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur (vergl. VerfSlg. 11558/1087) feststellt, liegen Ziele, denen Ladenschlußregelungen dienen - es sind vor allem die Bedachtnahme auf die Interessen der Verbraucher die wettbewerbsordnende und die sozialpolitische Funktion - im öffentlichen Interesse. Dem einfachen Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche Ziele er mit seinen Regelungen verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Gesetzgeber hatte es an der Hand, die Zweckmäßigkeit - ob wirtschaftspolitisch oder sozialpolitisch motiviert - zu bestimmen und ist der Spielraum nur dann als überzogen und demnach nicht verfassungskonform anzusehen, wenn Ziele verfolgt werden, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend, anzusehen sind.

Beim Einstieg ins Grundsätzliche bietet sich das Bild, daß als Hauptaufgabe des Staates in Gesetzgebung und Vollziehung die Daseinsvorsorge zu beschreiben ist. Hinsichtlich der Daseinsvorsorge wird ein wesentlicher Teil durch wirtschaftliches Handeln und dieses wiederum durch Arbeit, sei es selbständig, sei es unselbständig, bestritten. Es gibt nur soviel Sozialleistung, Gesundheitsfürsorge, Öffentliche Kulturförderung uvam als sie durch Arbeit erworben und grundgelegt wurde, soll nicht der Ruin eines Staatsgebildes von vornherein programmiert sein.

Daneben hat die Gesetzgebung als Denkvoraussetzung für jede Sozietät das im Immateriellen gelegene, aus dem Wesen des Menschen abgeleitete Wertbewußtsein - der Klammer jeglicher Kultur, ohne die sie, wie historisch bewiesen, unweigerlich zerfällt und damit auch die Auflösung der Sozietät herbeiführt - hinreichend zu berücksichtigen.

Was die Erklärung des 8. Dezember eines jeden Jahres zum Feiertag anlangt, so ist festzuhalten, daß unter Hinweis auf das vorzitierte Konkordat die innerstaatliche Gesetzgebung historisch betrachtet nur diesen Anknüpfungspunkt aus dem Religiösen hatte, um der vorwiegend katholischen Bevölkerung den ungehinderten Besuch des Gottesdienstes und die Pflege religiösen Brauchtums zu ermöglichen. Arbeitsmedizinische Dokumentationen, daß gerade der 8. Dezember freizugeben wäre, um die Gesundheit und das Erholungsbedürfnis der Menschen aufrechtzuerhalten, sind nicht greifbar oder nachvollziehbar.

Es ist eine offenkundige Tatsache, daß der Gottesdienstbesuch der österreichischen Katholiken bis herauf in die jüngste Zeit nur mehr von einem Teil der dem Taufschein nach zugehörigen Personen wahrgenommen wird.

Auch in der Bedeutung des Weihnachtsfestes hat sich ein Wandel vollzogen und wird dieser vom überwiegenden Teil der Bevölkerung als Fest des Konsums und der Konsumvorbereitung mit pseudo-religiösem Anstrich betrachtet.

Der O.ö. Verwaltungssenat vertritt dennoch die Auffassung, daß, abgesehen von der völkerrechtlichen Verpflichtung, das grundsätzliche Festhalten am 8. Dezember als Feiertag noch für einen achtenswerten Teil der Bevölkerung zugunsten der Verwirklichung von religiösem Werte gerechtfertigt ist und der Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, wenn wirtschaftliche, soziale und andere öffentliche Interessen (wie zB religiöse Wertvorstellungen) untereinander oder mit Privatinteressen in Widerstreit stehen, nicht überzogen wurde.

Daß das Weihnachtsfest für einen beachtlichen Teil der Bevölkerung seinen wahren, nämlich den religiösen Kern verloren hat, veranlaßte noch keinen ernst zu nehmenden Teil der Bevölkerung oder der Volksvertreter, dessen Abschaffung zu fordern.

Der O.ö. Verwaltungssenat verkennt nicht, daß an der Schnittstelle jeder Ausnahme- oder Begünstigungsregelung für denjenigen, den die Begünstigung gerade nicht mehr erreicht, immer ein gewisses Konfliktspotential (im gegenständlichen Fall Konkurrenzverzerrung) verbleibt, das eine Restspannung zu den Grundrechten erzeugt, welches aber kein Gesetzgeber zu vermeiden im Stande ist. Dem steht künftig nicht entgegen, daß es unter Nutzung des Spielraumes für den Gesetzgeber offen bleibt, (vergl. die in Italien gelungene einvernehmliche Verlegung des Christi Himmelfahrtstages auf einen Sonntag) die Änderung völkerrechtlicher Verbindlichkeiten anzustreben, zumal von seiten des Kirchenrechtes, welches für den Vertragspartner des Konkordates beachtlich ist, bei der Behandlung des Maria-Empfängnis-Tages - anders als bei der Behandlung des Sonntags - es sich nicht um ein "jus divinum" handelt und das Gedächtnis an die unbefleckte Empfängnis Mariens auch an einem anderen Tag würdig begangen werden kann. Ein Zwang zu solchen Unterhandlungen des Gesetzgebers mit dem Hl. Stuhl mit der Wirkung, daß eine Unterlassung ansonsten einen Verfassungsbruch darstellen würde, besteht nach Auffassung des O.ö. Verwaltungssenates allerdings nicht.

Aus all dem Gesagten hegt der O.ö. Verwaltungssenat gegen die Rechtsmäßigkeit bzw. Verfassungsmäßigkeit der zur Anwendung gelangten Normen keine Bedenken, weshalb auch aus diesem Grund der Schuldspruch zu bestätigen war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten