RS UVS Oberösterreich 1995/11/21 VwSen-220668/23/Ga/Km

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Veröffentlicht am 21.11.1995
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Rechtssatz

Gemäß § 9 Abs.2 zweiter Satz VStG können für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens (einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit) auch andere (als die zur Vertretung nach außen Berufenen) Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

Gemäß § 9 Abs.4 VStG kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Diese Gesetzesstelle umschreibt die Voraussetzungen, die eine Person erfüllen muß, um als verantwortlicher Beauftragter bestellt werden zu können. Stellt sich nachträglich heraus, daß eine dieser Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Bestellung in Wahrheit nicht erfüllt gewesen ist, ist die Bestellung unwirksam und hat somit der Übergang der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von dem eigentlich haftbaren Arbeitgeber bzw. dessen Vertretungsorgan (§ 9 Abs.1 VStG) auf die bestellte Person nicht stattgefunden.

Zu den gesetzlichen Voraussetzungen zählt unter anderem die Einräumung einer entsprechenden Anordnungsbefugnis für den in die (alleinige) Verantwortung übertragenen, klar abzugrenzenden Bereich. Die einem verantwortlichen Beauftragten eingeräumte Anordnungsbefugnis ist nur dann entsprechend im Sinne des § 9 Abs.4 VStG, wenn sie ihm ermöglicht, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften sicherzustellen. Die Anordnungsbefugnis muß dem Umfang der Verantwortlichkeit entsprechen, dh sie muß dem Beauftragten ermöglichen, das Verhalten der Mitarbeiter insoweit nachhaltig zu beeinflussen, als er es zu verantworten hat (vgl hiezu die Erläuterungen zu der dem BG BGBl. Nr.176/1983 zugrundeliegenden RV 161 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR XV.GP; auszugsweise wiedergegeben zB in Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II (1992), 124 FN 16 und 17).

Diese Nachhaltigkeit der Einflußnahme des verantwortlichen Beauftragten versteht der VwGH in ständiger Rechtsprechung (vgl etwa Erk. 17.12.1992, 92/18/0393, mit Hinweis auf die Vorjudikatur Erk. 12.6.1992, 90/19/0464; ua) als Gestaltungsmöglichkeit, wodurch der Beauftragte in der Lage sein muß, die Verwaltungsvorschriften einzuhalten. Danach stellt die bloße Möglichkeit, den Arbeitgeber bzw. das zur Vertretung nach außen berufene Organ des Arbeitgebers von der drohenden oder unvermeidlichen Verletzung von Verwaltungsvorschriften zu informieren, keine Anordnungsbefugnis im beschriebenen Sinne dar.

Beispielsweise muß daher der verantwortliche Beauftragte, soll die ihm zugewiesene Anordnungsbefugnis ausreichend sein, auch die Befugnis oder das Recht haben, für die ordnungsgemäße Ausführung eines Auftrages, der mit den vorhandenen Mitarbeitern ohne Verletzung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht durchgeführt werden könnte, kurzfristig weiteres (Aushilfs-)Personal aufzunehmen (Erk. 90/19/0464).

Wendet man diese Grundsätze auf den Berufungsfall an, so ist nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens der öffentlichen mündlichen Verhandlung festzustellen, daß dem Berufungswerber - entgegen dem aus der Bestellungsurkunde vom "März 1988" vermittelten Anschein - keine ausreichende Anordnungsbefugnis zugewiesen war. Der Berufungswerber konnte die ihm als Bauleiter einer Baustelle unterstehenden Mitarbeiter in Wahrheit an die Beachtung von Arbeitnehmerschutzvorschriften nur erinnern und im Falle eines Zuwiderhandelns den Mitarbeiter nur in die Firma zurückschicken und den Arbeitgeber über den Vorfall informieren. Darüber hinausgehende Eingriffsrechte oder nachhaltige Gestaltungsbefugnisse, die den vollen Übergang der strafrechtlichen Haftung vom hr. Geschäftsführer auf ihn hätten rechtfertigen können, waren dem Berufungswerber nicht eingeräumt. Seine Möglichkeiten waren keine anderen, als sie einem als Baustellenleiter eingesetzten Vorarbeiter branchenüblich in der Regel zur Verfügung stehen. Insbesondere ist auch nicht hervorgekommen, daß er aus eigenem die ihm vom Arbeitgeber "jeweils zugewiesene Arbeitsgruppe" oder einzelne Personen daraus selbständig hätte austauschen können. Auch eine sonstige disziplinäre oder dienstrechtliche Gestaltungsmacht oder selbständige Organisationskompetenz zur nachhaltigen Durchsetzung des Arbeitnehmerschutzes auf dieser oder einer anderen Baustelle hatte ihm der Arbeitgeber nicht zugewiesen, sondern in Wahrheit für sich behalten.

Aus allen diesen Gründen war die dem Berufungswerber eingeräumte Anordnungsbefugnis für seine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten entgegen seiner eigenen, von ihm jedoch nicht weiter reflektierten Auffassung, aber auch entgegen der Auffassung der belangten Behörde, die insoweit auf den Anschein der Bestellungsurkunde "März 1988" vertraut und daher keine weiteren Ermittlungen zum wahren Gehalt der Anordungsbefugnis geführt hat, nicht ausreichend.

Somit hat sich die in die Bestellungsurkunde aufgenommene Wendung:

"Diesbezüglich haben Sie das volle Weisungsrecht." als ein irreführender, weil der innerbetrieblichen Wirklichkeit nicht entsprechender Erklärungsinhalt dieser Privaturkunde erwiesen (vgl hiezu: Egon Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Aufl. (1994), Vahlen, München, Rz 1356 f). Im Hinblick darauf, daß es sich beim Berufungswerber um gerade keinen leitenden Angestellten gehandelt hat, wäre es vielmehr - zur Hintanhaltung einer Scheinbestellung - geboten gewesen, die Anordnungsbefugnis in diesem Fall konkret so zuzuweisen, daß ihr Umfang und ihre Reichweite nachvollziehbar und von vornherein unmißverständlich auch gegenüber dem bestellten Arbeitnehmer offenliegen.

Das Vorliegen der im § 9 Abs.4 VStG genannten Voraussetzungen ist eine dauernde Bedingung für die Rechtstellung als verantwortlicher Beauftragter; diese Voraussetzungen müssen daher schon im Bestellungszeitpunkt gegeben sein (vgl VwGH 26.9.1994, 93/10/0064). Stellt sich nachträglich, wie hier, das Fehlen einer der gesetzlichen Voraussetzungen heraus, dann hat der Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit von Anfang an nicht stattgefunden.

Daher ist im Ergebnis der Berufungswerber zu Unrecht bestraft worden, weil er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung mangels Verantwortlichkeit nicht begehen konnte.

Deshalb war das Straferkenntnis aufzuheben und die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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