RS UVS Oberösterreich 1996/03/01 VwSen-103478/8/Br

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Veröffentlicht am 01.03.1996
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Rechtssatz

Sofern die Behörde nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren (§ 20 Abs.2 StVO).

Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs.1, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist (§ 99 Abs.3 lit.a StVO 1960).

Nach § 99 Abs.2 StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, ua zu bestrafen,... wer als Lenker eines Fahrzeuges, zB beim Überholen, als Wartepflichtiger oder im Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, insbesondere Fußgänger, die Schutzwege vorschriftsmäßig benützen, gefährdet oder behindert (lit.c leg.cit.idF vor der 19. Novelle).

Besonders gefährliche Verhältnisse liegen etwa dann vor, wenn zur Verletzung einer bestimmten Verkehrsvorschrift - hier die gravierende Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet - noch zumindest ein weiteres, die besondere Gefährlichkeit der Verhältnisse begründendes Sachverhaltselement hinzutritt. Als solches kommen bei Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit ua. ungünstige Fahrbahnbeschaffenheit, starkes Verkehrsaufkommen sowie der Verlauf und die Breite der Straße hinzu. Diese Sachverhaltselemente sind aber nicht losgelöst vom konkreten Fahrverhalten, insbesondere der Fahrgeschwindigkeit, zu beurteilen. Die Fahrgeschwindigkeit ist zu den genannten zusätzlichen Sachverhaltselementen in Beziehung zu setzen. Es kann somit nicht ohne weiters gesagt werden, daß ein bestimmtes Ausmaß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - prozentuell oder absolut - allein schon den Tatbestand der besonders gefährlichen Verhältnisse erfüllt; es ist jedoch in der geschilderten Gesamtbewertung der Begleitumstände einer Geschwindigkeitsüberschreitung von großer Bedeutung (VwGH 23.1.1990, Zl. 89/11/0210 und 13.6.1989, Zl. 89/11/0061). Nicht gefolgt vermag der Erstbehörde darin werden, wenn diese ein derart "zusätzliches Element" alleine in der Tatsache der hier im Ortsgebiet liegenden (zwei) Kreuzungen und mehrerer "unübersichtlicher" Hausausfahrten zu erblicken vermeinte. So sind diese Elemente einerseits typisches Wesensmerkmale eines Ortsgebietes und sind diese ohnedies vom Schutzzweck des § 20 Abs.2 StVO 1960 erfaßt. Auch ist es "Wesen" eines Ortsgebietes, daß diesem an sich eine bestimmte "Unübersichtlichkeit" inhärent ist. Dies besagt aber für sich noch nichts über eine "besondere Gefährlichkeit" der Verhältnisse als zusätzliches Sachverhaltselement. Ein solches läge jedoch etwa dann vor, wenn eine Anfahrsichtweite geringer wäre als der bei einer bestimmten Fahrgeschwindigkeit sich ergebende Anhalteweg. Dann wäre es nämlich rein dem Zufall überlassen, wenn etwa ein Fahrzeug einen Einbiegevorgang ohne eine Gefahrenerkennungsmöglichkeit vollführte und es folglich zu einer unvermeidbaren Kollision käme. Hier lagen aber derartige Umstände eben gerade nicht vor. Auch ein bloßer Gegenverkehr vermag für sich kein solch zusätzliches Element zu begründen.

Mit der bloßen Aufzählung von ohnedies für einen bestimmten Verkehrsbereich typischen Strukturen vermag eben die vom Gesetz geforderte und durch die Judikatur präzisierte "zusätzliche Beziehungshaftigkeit" nicht hergestellt zu werden (vgl.h. Erk. VwSen-101083 v. 5.4.1993, VwGH 20.2.1985, 84/11/0156, ZfV 1985/1765 u. v.a.). Unerfindlich scheint, worin hier die Erstbehörde sogar ein Gebot für eine Fahrgeschwindigkeit von unter 50 km/h konkret erblicken zu können glaubte. Der Schutzzweck der Geschwindigkeitsbeschränkung im Ortsgebiet auf 50 km/h dient eben einer Vermeidung von Gefahren, welche mit einer höheren Fahrgeschwindigkeit typisch einhergehen.

Damit ist der Berufungswerber grundsätzlich auch mit seinem Hinweis auf das sogenannte Doppelverwertungsverbot im Recht. Auf das Vorliegen von besonders gefährliche Verhältnissen iSd § 81 Z1 StGB ist ferner etwa auch dann zu erkennen, wenn vom Täter eine qualitativ verschärfte Gefahrenlage iS einer außergewöhnlichen Unfallwahrscheinlichkeit geschaffen wird, wobei die so geartete Gefährdung schon einer einzigen Person ausreicht; diese gegenüber normalen Fällen gesteigerte Gefährlichkeit, welche eine schwere Schädigung an Leib und Leben eines anderen in hohem Maß wahrscheinlich machen muß, kann entweder in der Person des Kfz-Lenkers oder in einer Verschärfung der Verkehrssituation gelegen sein; ob ein solcher gesteigerter Gefährlichkeitsgrad im Einzelfall anzunehmen ist, kann nur aufgrund einer umfassenden konkreten Wertung aller risikoerhöhenden und risikovermindernden Umstände beurteilt werden (OGH 2.10.1984, 9 Os 127/84, ZVR 1985/147).

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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