TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/27 99/09/0199

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Veröffentlicht am 27.06.2001
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Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §12a Abs2 idF 1995/257;
AuslBG §4 Abs6 Z1 idF 1997/I/078;
AuslBG §4 Abs6 Z3 litb;
BHZÜV 1995 §1 Z3 lita;
BHZÜV 1995 §1 Z3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des Dipl. Ing. Dr. N in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 3. August 1999, Zl. LGSW/Abt. 10/13114/964091/1999, betreffend Ablehnung eines Antrages auf Erteilung einer Sicherungsbescheinigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte am 29. April 1999 einen Antrag auf Erteilung einer Sicherungsbescheinigung für die slowakische Staatsangehörige Dipl. Ing. M für die berufliche Tätigkeit als Tiefbauingenieurin ein. Als spezielles Anstellungserfordernis wurde Studium ("UNI-Ausbildung") sowie Fremdsprachen (Englisch, Tschechisch, Slowakisch und Russisch) und mehrjährige Praxis, als Beschäftigungsorte Wien und Bratislava und als Entlohnung ein Monatsbruttolohn von S 35.000,-- angegeben.

Im Begleitschreiben teilte der Beschwerdeführer ergänzend mit, dass sein Büro und die daran angeschlossenen Zivilingenieurbüros und Bauunternehmen in den letzten Jahren im Sektor Tiefbau den Auftrags- und Ausführungsschwerpunkt auf Straßenbau- und Verkehrsplanungsaufträge im grenznahen Bereich, namentlich Richtung Tschechien und der Slowakei gelegt hätten. Das Unternehmen des Beschwerdeführers sei laufend mit straßenbaulichen Planungen bei Grenzübergängen zur tschechischen Republik, namentlich die Grenzübergänge Neunagelberg, Grametten, Laa an der Thaya, Kleinhaugsdorf und Drasenhofen, sowie den Übergängen zur slowakischen Republik Hohenau und Berg, beauftragt worden. Verkehrsplanung und Bauvorhaben beträfen vor allem den Straßenbau, Wasserbau und Erschließung der damit in Zusammenhang stehenden Infrastruktur. Zur Durchführung der erteilten Planungs- und Bauaufträge benötige er dringendst eine Fachkraft sowohl in fachlicher als auch in sprachlicher Hinsicht.

Die beantragte Ausländerin habe in ihrer Heimat das technische Universitätsstudium erfolgreich abgeschlossen, sei derzeit zwecks Nostrifizierung ihres akademischen Grades an der Technischen Universtität in Wien inskribiert und habe die hiefür erforderlichen Prüfungen für die deutsche Fachterminologie und die österreichischen technischen und rechtlichen Normen bereits absolviert. Die Arbeit im grenznahen Raum zu Tschechien und der Slowakei erfordere die Anstellung einer Fachkraft mit entsprechender Hochschulausbildung und erforderlichen Fremdsprachenkenntnissen (insbesondere zwecks Kommunikation mit den dort ansässigen Behörden und der Koordination der Bauarbeiten). Die beantragte Ausländerin spreche perfekt deutsch, englisch, tschechisch, slowakisch und russisch und verfüge darüber hinaus bereits über Praxiserfahrung, weil sie bereits längere Zeit im Korrespondenzbüro des Beschwerdeführers in Bratislava tätig gewesen sei. Die Baubranche kämpfe - wie bekannt - mit erheblichen strukturellen Problemen. Durch die Anstellung der beantragten Ausländerin wäre er in der Lage, den Geschäftsbetrieb - insbesondere im grenznahen Bereich - auszuweiten, was zwangsläufig mit der kurzfristigen Einstellung weiterer Arbeitskräfte verbunden sei. Aufgrund ihrer fachspezifischen Hochschulausbildung, Erfahrung und Fremdsprachenkenntnisse könne somit davon ausgegangen werden, dass die beantragte Ausländerin als so genannte Schlüsselkraft anzusehen sei und somit die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AuslBG vorlägen.

Mit Eingabe vom 27. Mai 1999 reichte der Beschwerdeführer Auftragsbestätigungen und Behördenprotokolle betreffend die behaupteten grenznahen Straßenbauprojekte sowie Universitätszeugnisse der Universitäten Bratislava und Wien betreffend die beantragte Ausländerin nach.

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Angestellte West Wien lehnte mit Bescheid vom 10. Juni 1999 den Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG mit der Begründung ab, die beantragte Ausländerin falle weder unter einen Personenkreis des § 4b Ausländerbeschäftigungsgesetz noch unter jenen der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Z. 1 und § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG ab. Sie begründete den Bescheid damit, dass die Landeshöchstzahl für das Bundesland Wien für das Kalenderjahr 1999 76.000 betrage. Die bereinigte Ausländerzahl (anrechenbare AusländerInnen) betrage zum Statistikzeitpunkt Anfang Juli 1999 83.075. Die Landeshöchstzahl sei somit um 7.075 ausländische Arbeitskräfte überschritten. Das Überschreiten der Landeshöchstzahl habe ein erschwertes Zulassungsverfahren nach § 4 Abs. 6 Ausländerbeschäftigungsgesetz zur Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

     Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes

macht der Beschwerdeführer geltend, er habe schon im Antrag

erwähnt, dass das von ihm geführte Zivilingenieurbüro und

Bauunternehmen seit einigen Jahren im Sektor Tiefbau, mit dem

Auftrags- und Ausführungsschwerpunkt Straßenbau und

Verkehrsplanungsaufträgen im grenznahen Bereich, namentlich

Richtung Tschechien und der Slowakei, tätig und zur Durchführung

dieser Planungs- und Bauaufträge logischerweise Fachkräfte, sowohl

in technischer, als auch in sprachlicher Hinsicht absolut

benötige. Aufgrund der fachspezifischen Hochschulausbildung

(Technische Universität), der mehrjährigen Praxis und der

perfekten Sprachkenntnisse in Deutsch, Englisch, Tschechisch,

Slowakisch und Russisch müsse davon ausgegangen werden, dass die

beantragte Ausländerin eine Schlüsselkraft sei und die

Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AuslBG bzw. der Verordnung zu

§ 12a Abs. 2 AuslBG, BGBl. Nr. 278/1995 i.d.F. BGBl. Nr. 256/1997,

§ 1 Zif. 3a, 3b, vorlägen.

     Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge

Verletzung von Verfahrensvorschriften verweist der

Beschwerdeführer darauf, die belangte Behörde habe sich mit dem

Vorbringen in der Berufung, wonach das erstinstanzliche Verfahren

mangelhaft geblieben sei, in keiner Weise auseinander gesetzt und

insoferne sein rechtliches Gehör verletzt. Durch entsprechende

Beweisaufnahme bzw. Sachverhaltsfeststellung wäre es der belangten

Behörde ein Leichtes gewesen, die Richtigkeit seiner Behauptungen

hinsichtlich des Vorliegens der besonderen Ausbildung, der

speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten (Sprachkenntnisse), sowie

dem mit der Beschäftigung verbundenen Transfer von

Investitionskapital, welches auch eine zusätzliche Aufnahme von

Arbeitskräften und somit ein gesamtwirtschaftliches Interesse

darstelle, zu überprüfen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes BGBl. Nr. 218/1975 in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 78/1998 (AuslBG) lauten:

"§ 4 Abs. 6: Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) darf eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn

1. der Antrag für einen im § 4b Abs. 1 Z. 3 bis 9 genannten oder einen von einer Verordnung gemäß § 12a Abs. 2 erfassten Ausländer eingebracht wird und

2.

die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

3.

              a)              der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung a befürwortet oder

              b)              die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer oder als nachweislich qualifizierte Arbeitskraft im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege, notwendig ist oder

              c)              überbetriebliche gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern oder

d)

die Voraussetzungen des § 18 gegeben sind oder

e)

die Beschäftigung auf Grund einer Verordnung gemäß § 9 des Fremdengesetzes 1997 erfolgen soll."

Eine Verordnung im Sinne des § 12a Abs. 2 AuslBG ist die Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung (BHZÜV), BGBl. Nr. 278/1995.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1996, Zl. 96/09/0293, und vom 23. Jänner 1997, Zl. 96/09/0391), müssen nach § 1 Z. 3 lit. a BHZÜV zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:

              1.              Eine besondere Qualifikation des Ausländers in Bezug auf die beantragte Beschäftigung (subjektive, in der Person des beantragten Ausländers gelegene Komponente) und

              2.              ein gesamtwirtschaftliches Interesse an der Beschäftigung des qualifizierten Ausländers (objektive Komponente).

Die belangte Behörde hat nach Vorlage von - auch zum Nachweis der behaupteten Qualifikationen - vorgelegten Urkunden Zweifel an der Befähigung der beantragten Ausländerin zur Bewältigung der an sie zu stellenden Aufgaben nicht mehr geäußert. Die subjektiven Voraussetzungen wurden somit von ihr nicht in Zweifel gezogen.

Die belangte Behörde hat aber das Vorliegen der objektiven Komponente, nämlich das gesamtwirtschaftliche Interesse an der Beschäftigung der beantragten Ausländerin, verneint. Diese objektive Komponente setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein qualifiziertes, über das betriebsbezogene wirtschaftliche Interesse des Betriebes an der Befriedigung eines derartigen Arbeitskräftebedarfes hinausgehendes Interesse voraus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. September 1994, Zl. 93/09/0330, und vom 7. September 1995, Zl. 94/09/0355, u.a.), was dann der Fall ist, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund seiner besonderen Qualifikation und/oder vorgesehenen Stellung im Betriebsgeschehen (z.B. Entscheidungsverantwortung) eine besondere - arbeitsplatzerhaltende - Position zukommt (zum Schlüsselkraftbegriff, der Hilfstätigkeiten grundsätzlich nicht umfasst, siehe beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1995, 94/09/0389, m.w.N.). Dazu ist auf jeweils den konkreten Arbeitsplatz abzustellen.

Der Beschwerdeführer hat hierzu Behauptungen aufgestellt, von denen nicht von vornherein gesagt werden kann, dass sie - wenn auch allgemein gehalten - zur Frage der Erhaltung inländischer Arbeitskräfte im Zusammenhang mit der Person und mit der vorgesehenen Tätigkeit der beantragten Ausländerin nicht konkret genug gewesen wären, um die entsprechende Ermittlungspflicht der belangten Behörde auszulösen. Es leuchtet nämlich ohne weiteres ein, dass eine gezielte, mit dafür geeigneten fremdsprachigen Fachkräften verfolgte expansive Unternehmenspolitik in der Grenzregion nicht nur der Schaffung neuer, sondern umso mehr auch der Erhaltung bereits bestehender konkreter Arbeitsplätze im Inland dienen kann. In diesem Sinne hat sich die belangte Behörde aber mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Schlüsselkraftqualität der beantragten Ausländerin nicht in ausreichendem Maße auseinander gesetzt. Ihre Bescheidbegründung erschöpft sich nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen vielmehr lediglich in der nicht weiter überprüfbaren Einschätzung, "aufgrund des Inhaltes und der Auftragssummen" habe "auf kein gesamtwirtschaftliches Interesse" im Sinne der zitierten Bestimmungen geschlossen werden können, "wenngleich ein öffentliches Interesse an der Errichtung von Straßen, Parkflächen etc. sicher besteht". Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1044 wiedergegebene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht, geht doch daraus nicht hervor, wie die belangte Behörde zu der Annahme gelangte, die vorgelegten betrieblichen Unterlagen böten ein derart umfassendes und repräsentatives Bild des Unternehmens, um sie in die Lage zu versetzen, den überbetrieblichen Einfluss dieses Unternehmens abschließend beurteilen zu können. Diese Urkunden wurden über Anforderung der Behörde erster Instanz lediglich zum Nachweis "über den unbedingten Bedarf an den besonderen Qualifikationen der beantragten Ausländerin" vorgelegt, und nicht zum Nachweis eines sich aus dem Auftragsvolumen ergebenden gesamtwirtschaftlichen Interesses. Hätte die belangte Behörde aber trotz der sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in der Berufung aufgestellten diesbezüglichen Behauptungen Zweifel am Vorliegen eines überbetrieblichen Interesses gehabt, so hätte es - unter Wahrung des Parteiengehörs - weiterer Ermittlungen bedurft.

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Juni 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999090199.X00

Im RIS seit

14.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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