TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/28 2000/16/0645

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Veröffentlicht am 28.06.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E6J;
L34009 Abgabenordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §245 Abs1;
BAO §245 Abs3;
BAO §245 Abs4;
BAO §245;
EURallg;
LAO Wr 1962 §191 Abs1;
LAO Wr 1962 §191 Abs3;
LAO Wr 1962 §191 Abs4;
LAO Wr 1962 §191;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der J in G, vertreten durch Dr. Rudolf Beck, Rechtsanwalt in Mödling, dieser vertreten durch Dr. Karl Franz Leutgeb, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weißgerberlände 40, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 7. Juni 2000, Zl. MD-VfR-T 6/2000, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit der Haftung für Getränkesteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Haftungsbescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 31. Mai 1999 wurde die Beschwerdeführerin (J. Tosnar) als Verpächterin nach § 4 des Wiener Getränkesteuergesetzes 1992 iVm § 2 und § 5 WAO für die im Zeitraum Jänner 1994 bis Juni 1995 im Betrieb der J. Tosnar GmbH entstandene Getränkesteuerschuld samt Säumnis- und Verspätungszuschlag sowie Zwangsstrafen von insgesamt S 56.706,-- zur Haftung herangezogen.

Mit dem bei der Behörde am 29. Juni 1999 eingelangten Schriftsatz vom 23. Juni 1999 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Akteneinsicht in den Verwaltungsakt der Gerda W.

Mit dem bei der Behörde am 4. August eingelangten Schriftsatz vom 5. Juli 1999 erhob die Beschwerdeführerin Berufung sowohl gegen den Haftungsbescheid vom 31. Mai 1999 und als auch nach § 193 Abs. 1 WAO gegen den an die Abgabenschuldnerin ergangenen Abgabenbescheid vom 22. Juli 1996.

Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 28. Jänner 2000 wurden die Berufungen der Beschwerdeführerin als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen. Der Haftungsbescheid vom 31. Mai 1999 sei der Beschwerdeführerin zu Handen ihrer Vertreterin am 8. Juni 1999 zugestellt worden. Die einmonatige Rechtsmittelfrist gegen diesen Bescheid habe demnach am 8. Juli 1999 geendet. Innerhalb dieser Frist hätte die Beschwerdeführerin eine Berufung auch gegen den dem Haftungsbescheid beigelegten Bemessungsbescheid vom 22. Juli 1996 einbringen können. Die mit 5. Juli 1999 datierten, jedoch erst am 2. August 1999 zur Post gegebenen Berufungen seien demnach nicht fristgerecht eingebracht worden. Bei der Behörde sei entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin kein Fristverlängerungsantrag, sondern lediglich ein eingeschrieben aufgegebener Antrag auf Akteneinsicht vom 23. Juni 1999 eingelangt.

In ihrer Berufung bekämpfte die Beschwerdeführerin die Feststellung der Behörde, es sei kein Fristverlängerungsantrag gestellt worden bzw. kein solcher Antrag bei der Behörde erster Instanz eingelangt. Sie verwies auf einen Auszug aus einem Einschreibebuch sowie auf eine Verständigung der Post und Telekom Austria AG. Daraus gehe hervor, dass das eingeschriebene Poststück am 29. Juni 1999 vom Übernahmsberechtigten der Behörde erster Instanz übernommen worden sei. In ihrer Stellungnahme vom 24. August 1999 habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, dass am selben Tag zwei Anträge an die Behörde erster Instanz abgefertigt worden seien. Einer der Anträge - der nicht eingeschrieben zur Post gegeben worden sei - habe einen Antrag auf Akteneinsicht, der andere Antrag habe die Fristverlängerung zur Einbringung der Berufung betroffen. Dieses zweite Poststück sei eingeschrieben zur Post gegeben worden. Bereits der handschriftliche Vermerk "Reco" auf dem Fristverlängerungsantrag lasse es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass irrtümlich dieses Schreiben in das falsche (nicht eingeschrieben postierte) Kuvert gesteckt worden wäre. Im Hinblick auf die von der Behörde erster Instanz durchgeführte Beifügung des eingeschriebenen Kuverts zum Antrag auf Akteneinsicht wäre die Feststellung zu treffen gewesen, dass dieses Kuvert an das falsche Schriftstück geheftet worden sei. Selbst wenn der Fristverlängerungsantrag nicht eingeschrieben zur Post gegeben worden wäre, erscheine es mehr als unglaubwürdig, dass gerade ein so wichtiges Schriftstück als eines von Tausenden nicht beim Empfänger angekommen wäre. Die Behörde erster Instanz habe durch die an die Beschwerdeführerin ergangene Aufforderung zur Stellungnahme die Berufungsfrist des § 191 Abs. 3 WAO schlüssig verlängert. Die Berufungsfrist des § 191 Abs. 3 WAO könne bei berücksichtigungswürdigen Gründen auch von Amts wegen verlängert werden.

Am 27. April 2000 erfolgte die in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 24. August 1999 beantragte Einvernahme des Zeugen Mag. B. Dieser gab in der mit ihm verfassten Niederschrift an:

"Grundsätzlich werden in unserer Kanzlei fristgebundene Schriftstücke eingeschrieben aufgegeben, andere Schriftstücke - allenfalls im Einzelfall - nicht. Ich habe beide Anträge am gleichen Tag diktiert, allerdings zeitverschoben, weswegen im Sekretariat jedem der beiden Schriftstücke ein eigenes Kuvert angefügt wurde. Mit der Kuvertierung war ich nicht betraut; auf dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist befand sich zum Zeitpunkt des Korrekturlesens kein Einschreibestempel, weswegen ich im Sekretariat darauf hingewiesen habe, dass dieser eine Antrag zur Post zu geben ist und wurde handschriftlich "Reco!" vermerkt. Wir hatten zu dem Zeitpunkt lediglich zwei, möglicherweise auch drei Sekretärinnen, die meiner Einschätzung nach die Postaufgabe sehr gewissenhaft durchführen und gerade in dieser Angelegenheit auch inhaltlich informiert waren, weil ich den Akt aus Anlass der Nichtgewährung der Akteneinsicht überblicksweise erklärt habe. Ich glaube, dass beide Damen auf Grund ihrer langjährigen Tätigkeit insoweit juristische Kenntnisse haben, dass ihnen die unterschiedliche Bedeutung der beiden Anträge bewusst war"

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Am 29. Juni 1999 sei bei der Abgabenbehörde erster Instanz eine eingeschriebene Briefsendung mit der Nr. 106862 eingelangt. Diese Briefsendung habe jedoch nur den einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Akteneinsicht, nicht jedoch den Antrag auf Fristverlängerung enthalten. Auch die Einvernahme des Zeugen Mag. B, eines Mitarbeiters in der Kanzlei der rechtsfreundlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin, habe keinen Nachweis erbracht, dass der Fristverlängerungsantrag bei der Abgabenbehörde erster Instanz entgegen der Aktenlage doch eingelangt sei, zumal dieser Zeuge mit der kanzleimäßigen Manipulation (Kuvertierung und Postaufgabe) der beiden Anträge vom 23. Juni 1999 überhaupt nicht befasst gewesen sei. Dass auf dem Fristverlängerungsantrag der handschriftliche Vermerk "Reco!" angebracht worden sei, könne keineswegs sicherstellen, dass dieser Antrag tatsächlich eingeschrieben zur Post gegeben worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass in der Kanzlei der damaligen Vertreterin der Beschwerdeführerin Fehler beim Kuvertieren bzw. bei der Postaufgabe begangen worden seien. Überdies könne eine Fristverlängerung nach § 191 Abs. 3 WAO nicht von Amts wegen erfolgen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, "ein Rechtsmittel gegen einen behördlichen Bescheid ergreifen zu können, in ihrem Recht auf eine Entscheidung über ein solches Rechtsmittel sowie in ihrem Recht nicht (mehr) bestehende Steuern nicht bezahlen zu müssen".

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, mit der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdeverfahren ist die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Berufungen gegen die Heranziehung zur Haftung und gegen die Abgabenvorschreibung strittig. Wurden diese Berufungen nicht fristgerecht eingebracht und waren sie deshalb mit Recht zurückzuweisen, dann hatte die Beschwerdeführerin auch keinen Rechtsbehelf im Sinn des Spruchpunktes 3. des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000, Rs C-437/97, eingelegt, weil unter einem solchen nur ein zulässiger und fristgerecht eingebrachter Rechtsbehelf verstanden werden kann.

Gem. § 191 Abs. 1 WAO beträt die Berufungsfrist einen Monat.

Nach § 191 Abs. 3 WAO kann die Berufungsfrist aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, verlängert werden. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Berufungsfrist gehemmt.

Nach § 191 Abs. 4 WAO beginnt die Hemmung des Fristenlaufes mit dem Tag der Einbringung des Antrages (Abs. 2 oder 3) und endet mit dem Tag, an dem die Mitteilung (Abs. 2) oder die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. In den Fällen des Abs. 3 kann jedoch die Hemmung nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft.

Die Verlängerung der Berufungsfrist setzt einen diesbezüglichen Antrag des Berufungswerbers voraus (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, Rz 11 zu dem insofern vergleichbaren § 245 BAO). Eine Fristverlängerung von Amts wegen ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, die Abgabenbehörde hätte eine solche Fristverlängerung auch von Amts wegen verfügen können, ist daher unberechtigt.

Unstrittig ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, dass die Frist für die Einbringung der Berufungen gemäß § 191 Abs. 1 WAO am 8. Juli 1999 endete und bis dahin die Berufungen nicht erhoben worden waren. Nach Darstellung der Beschwerdeführerin habe diese jedoch fristgerecht den Antrag auf Fristverlängerung gestellt und innerhalb der von ihr beantragten Verlängerung die Berufungen eingebracht.

Ein Anbringen und damit ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist liegt erst dann vor, wenn eine solche Eingabe tatsächlich bei der Behörde einlangt; die Gefahr des Verlustes einer übersandten Eingabe trifft den Einschreiter (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 847 und 848).

Es ist Sache der Partei, die rechtzeitige Überreichung eines Rechtsmittels bzw. dessen rechtzeitige Aufgabe zur Post nachzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis 27. November 2000, Zl. 2000/17/0165). Sie hat zu diesem Zweck den Rückschein über die Postaufgabe vorzulegen. Es ist nicht Sache der Behörde, durch umfangreiche Erhebungen die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1956, Zl. 2918/55). Gleiches hat auch für einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist zu gelten.

Mit den vorgelegten Unterlagen hat die Beschwerdeführerin nur den Nachweis erbracht, dass eines von zwei zu unterschiedlichen Zeiten am gleichen Tag eingeschrieben aufgegebenen Schriftstücken an die Behörde gelangte, nicht aber, um welches Schriftstück es sich dabei gehandelt hat. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen, dass ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist bei der Behörde jemals eingelangt ist. Auch die von der Beschwerdeführerin beantragte Vernehmung des Kanzleiangestellten Mag. B gab darüber keinen Aufschluss, weil er die Versendung der Schriftstücke nicht selbst vorgenommen hat und seine Aussagen über die Verlässlichkeit der damit befassten Sekretärinnen kein Nachweis über eine tatsächlich erfolgte Postaufgabe und das Einlangen eines Schriftstückes bei der Behörde ist. Bei der Behörde ist ein Schriftstück der Beschwerdeführerin eingelangt und protokolliert worden. In diesem wurde jedoch der Antrag auf Akteneinsicht, nicht aber auf Verlängerung der Berufungsfrist gestellt.

Die belangte Behörde dagegen hat schlüssig und nachvollziehbar dargestellt, dass kein Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist bei der Behörde eingelangt ist. Demnach wurden die Berufungen nicht fristgerecht eingebracht und die belangte Behörde konnte mit Recht diese Berufungen aus diesem Grund zurückweisen. Mit dem Beschwerdevorbringen wurde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf die durch die bisherige Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Durch die Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juni 2001

Gerichtsentscheidung

EuGH 61997J0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Rechtsbehelf BerufungRechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 Rechtsbehelf Berufung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000160645.X00

Im RIS seit

03.12.2001

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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