TE Vwgh Erkenntnis 2001/6/28 2001/11/0135

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Veröffentlicht am 28.06.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §19;
B-VG Art7 Abs1;
SMG 1997 §12 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Winkler-Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 28. März 2001, Zl. VI-30, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Suchtmittelgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Ladungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 28. März 2001 wurde der Beschwerdeführer (unter Verwendung des Formulars 2 zu § 19 AVG) unter Angabe des Gegenstandes "Verdacht des Vergehens gemäß § 12 Suchtmittelgesetz" für den 4. Mai 2001 um 09.00 Uhr zur belangten Behörde vorgeladen. Es wurde ihm mitgeteilt, dass er persönlich kommen müsse, für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung wurde die zwangsweise Vorführung angedroht.

Diesem Ladungsbescheid gemäß § 19 AVG lag zu Grunde, dass der Gendarmerieposten L eine mit 27. Dezember 2000 datierte Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet hatte, worin angeführt wird, dass der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben seit etwa einem Jahre gelegentlich Cannabiskraut rauche. Er habe sich im Jahr 2000 dreimal in die Schweiz begeben und sich im Coffeeshop in St. Gallen jeweils für 20 Schweizer Franken ca. zwei Gramm Cannabiskraut gekauft, welches er im Zug nach Österreich eingeführt habe. Er habe angegeben, dieses Suchtmittel jeweils alleine geraucht zu haben. Er habe (zuletzt) am 18. Oktober 2000 in St. Gallen drei Gramm Cannabiskraut gekauft, welches er bei einer Kontrolle beim Bahnhof in Bregenz am 20. Oktober 2000 bei sich gehabt habe. Der Anzeige war eine Niederschrift über die Befragung des Beschwerdeführers am 27. November 2000 angeschlossen, bei welcher er unter anderem angegeben hatte, "vor etwa einem Jahr" auf einer Party in der Schweiz einen Joint von einer Person geschenkt bekommen und konsumiert zu haben, was sein erster Drogenkonsum gewesen sei. Danach sei er "etwa dreimal" in die Schweiz gefahren und habe dort in St. Gallen jeweils für ca. 20 Schweizer Franken ca. zwei Gramm Cannabis gekauft und meist auch gleich geraucht. Das bei ihm am 20. Oktober 2000 in Bregenz sichergestellte Cannabiskraut (drei Gramm) habe er zwei Tage zuvor in St. Gallen gekauft und nach Österreich eingeführt, von der gekauften Menge habe er jedoch lediglich einen Joint geraucht. Er gab weiters an, er habe das gekaufte Cannabis immer alleine konsumiert und nicht weitergegeben, andere Drogen habe er bislang nicht konsumiert, seit der Kontrolle (somit zwischen 20. Oktober 2000 und 27. November 2000) habe er keinen Joint mehr geraucht, er sei auch nicht süchtig.

Gegen den genannten Ladungsbescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Suchmittelgesetzes (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, lauten auszugsweise:

"2. Abschnitt

Gesundheitsbezogene Maßnahmen bei Suchtgiftmissbrauch

§ 11. (1) Personen, die wegen Suchtgiftmissbrauchs oder der Gewöhnung an Suchtgift gesundheitsbezogener Maßnahmen gemäß Abs. 2 bedürfen, haben sich den notwendigen und zweckmäßigen, ihnen nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen. ...

(2) Gesundheitsbezogene Maßnahmen sind

1.

die ärztliche Überwachung des Geisteszustandes,

2.

die ärztliche Behandlung einschließlich der Entzugs- und Substitutionsbehandlung,

3.

die klinisch-psychologische Beratung und Betreuung,

4.

die Psychotherapie sowie

5.

die psychosoziale Beratung und Betreuung

durch qualifizierte und mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertraute Personen.

...

§ 12. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine Person Suchtgift missbraucht, so hat sie die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde der Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt, der erforderlichenfalls mit zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Angehörigen des klinischpsychologischen oder psychotherapeutischen Berufes zusammen zu arbeiten hat, zuzuführen. Die Person hat sich den hiefür notwendigen Untersuchungen zu unterziehen.

(2) Ergibt die Begutachtung, dass eine gesundheitsbezogene Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 notwendig ist, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darauf hinzuwirken, dass sich die Person einer solchen zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen Maßnahmen unterzieht. ... .

...

§ 14. (1) Steht eine Person, die Suchtgift missbraucht, im Verdacht, eine nach § 27 Abs. 1 mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde nur dann Strafanzeige zu erstatten, wenn sich die Person den notwendigen, zweckmäßigen, ihr nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahmen gemäß § 11 Abs. 2 nicht unterzieht.

...

(2) Die Sicherheitsbehörden haben der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde die von ihnen wegen des Verdachts einer nach den §§ 27 oder 28 mit Strafe bedrohten Handlung an die Staatsanwaltschaft erstatteten Anzeige unverzüglich mitzuteilen."

Das Schwergewicht der Beschwerdeausführungen wird darauf gelegt, der Beschwerdeführer stehe nicht im Verdacht einen Suchtmittelmissbrauch begangen zu haben, da dieser nur bei einer übermäßigen Dosierung von Stoffen angenommen werden könne, der Beschwerdeführer aber nur einige Male Cannabis, ein relativ ungefährliches Suchtmittel, konsumiert habe. Es bedürfe daher keiner gesundheitsbezogenen Maßnahme. Im Übrigen sei das Rauschmittel Alkohol wesentlich weiter verbreitet, was wesentlich gravierendere gesundheitliche und soziale Konsequenzen habe, wofür jedoch keine behördlichen Zwangsuntersuchungen vorgesehen seien. Die Auslegung, ein einmaliger oder seltener Canabiskonsum habe eine "obligatorische Zwangsuntersuchung nach § 12 Abs. 1 SMG" nach sich zu ziehen, sei daher sachwidrig.

Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer nicht nur einen "einmaligen" oder "seltenen" oder lange zurückliegenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2001/11/0134) Cannabiskonsum zu verantworten hat, sondern dass er nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Anzeige beginnend ab November 1999 mehrmals Suchtgift zu sich genommen hat und auch bei seiner Betretung am 20. Oktober 2000 drei Gramm Canabiskraut bei sich hatte, wobei er von der zwei Tage zuvor gekauften Suchtgiftmenge einen Joint geraucht hat. Ob der Beschwerdeführer "süchtig" ist oder nicht, ist hier nicht zu beurteilen. Denn nach § 12 Abs. 1 SMG hat die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde Personen, bei denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie Suchtgift missbrauchen, der Begutachtung durch einen mit Fragen des Suchtgiftmissbrauchs hinreichend vertrauten Arzt zuzuführen. Wenn der Beschwerdeführer auf die "relative Ungefährlichkeit" von Cannabis hinweist, vermag dies nichts daran zu ändern, dass der Konsum dieses Stoffes nicht gestattet ist und somit das Konsumieren als "Missbrauch" anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 2001, Zl. 2000/11/0264), ohne dass es auf eine übermäßige Dosierung - wie der Beschwerdeführer vermeint -

ankäme. Da nach der gegebenen Sachlage anzunehmen war, dass der Beschwerdeführer Suchtgift missbraucht, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde als Gesundheitsbehörde ausgehend von § 12 Abs. 1 SMG den vorliegenden Ladungsbescheid erließ (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 1993, Zl. 93/11/0223).

Der Beschwerdeführer hält den Ladungsbescheid auch deshalb für rechtswidrig, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass auch in den Fällen des § 35 Abs. 4 erster Satz SMG eine Begutachtung nach § 12 Abs. 1 SMG anzuordnen wäre.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, dass § 35 SMG Regelungen über die vorläufige Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft enthält, welche gemäß Abs. 3 Z. 2 dieses Paragraphen grundsätzlich eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde darüber voraussetzt, ob der Angezeigte einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 Abs. 2 bedarf oder nicht, um welche Maßnahme es sich gegebenenfalls handeln soll und ob eine solche Maßnahme zweckmäßig und ihm nach den Umständen möglich und zumutbar und nicht offenbar aussichtslos ist oder nicht. Gemäß Abs. 4 des § 35 SMG kann die Staatsanwaltschaft von der Einholung einer solchen Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde unter den dort genannten Voraussetzungen aber absehen.

Unabhängig von der der Staatsanwaltschaft eingeräumten Möglichkeit, eine Stellungnahme der Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde gemäß § 35 Abs. 3 Z. 2 SMG einzuholen, ist jedoch von der letztgenannten Behörde eine Begutachtung gemäß § 12 Abs. 1 SMG zu veranlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine Person Suchtgift missbraucht, um als Gesundheitsbehörde die im 2. Abschnitt des 2. Hauptstückes des SMG vorgesehenen gesundheitlichen Maßnahmen bei einem allenfalls festgestellten Suchtgiftmissbrauch anordnen zu können.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Bedenken dahin, dass der Gesetzgeber bei Beschränkung des § 12 Abs. 1 SMG auf Suchtgiftmissbrauch seinen Gestaltungsspielraum überschritten hätte.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 28. Juni 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001110135.X00

Im RIS seit

17.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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