RS UVS Oberösterreich 1996/07/19 VwSen-240191/2/Gf/Km

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Veröffentlicht am 19.07.1996
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Rechtssatz

Gemäß § 74 Abs.5 Z2 LMG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 25.000 S zu bestrafen, der Lebensmittel entgegen den Bestimmungen der aufgrund § 19 LMG erlassenen Verordnungen in Verkehr bringt. Unter "Inverkehrbringen" ist nach § 1 Abs.2 LMG das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen und jedes sonstige Überlassen sowie das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht.

Gemäß § 19 Abs.1 LMG kann zum Schutz vor Täuschung oder im Interesse einer ausreichenden Information der beteiligten Verkehrskreise mit Verordnung bestimmt werden, daß Lebensmittel nur unter bestimmter Kennzeichnung in Verkehr gebracht werden dürfen. Im vorliegenden Fall ist in erster Linie strittig, ob die eine Verletzung der Kennzeichnungspflicht unter Sanktion stellende Strafnorm auch einen nicht unmittelbar in den Produktions- und Verkaufsprozeß eingegliederten und in diesem Sinne unbeteiligten Dritten - wie ihn die GmbH des Beschwerdeführers darstellt, wenn diese im Auftrag anderer Unternehmer für diese Lebensmittel ankauft und auf Abruf auf Lager hält, damit jene sie schließlich an die Letztverbraucher abgeben - erfaßt.

Dies ist im Ergebnis aus folgenden Gründen zu verneinen:

Weder § 74 Abs.5 Z2 iVm § 1 Abs.2 LMG noch die LMKV noch die TiefgefV legen - obgleich dies Art.18 Abs. 1 B-VG an sich erfordern würde - den Verpflichteten aus dieser Strafnorm dezidiert fest; es wird also nicht der Täter, sondern es werden vielmehr Tätigkeiten (wie "Inverkehrbringen") bzw. Zustände (z.B. "verpackt"; "tiefgefroren") beschrieben und daran ein Unwerturteil in der Weise geknüpft, daß jeweils derjenige als strafbar erscheinen soll, der Vorgänge abweichend von der solcherart vorgeschriebenen Weise ausführt. Um den aufgrund einer derartigen Normsetzungstechnik, die schon strukturell dem Verfassungsgebot des Art.18 Abs.1 B-VG widerspricht - das Legalitätsprinzip erfordert nämlich prinzipiell eine Positiv- und nicht eine Negativdefinition -, entstandenen weiten Bereich des undefiniert strafbaren Verhaltens einzugrenzen und solcherart im Wege teleologischer Interpretation ein verfassungswidriges Ergebnis zu vermeiden, bedarf es daher in Fallkonstellationen wie der vorliegenden stets eines Rückgriffes auf den Zweck, von dem sich die gesetzliche Verordnungsermächtigung des § 19 Abs.1 LMG für die Vollziehung herleitet.

In diesem Zusammenhang legt § 19 Abs.1 LMG fest, daß Kennzeichnungsvorschriften lediglich zum Schutz vor Täuschung oder im Interesse einer ausreichenden Information der beteiligten Verkehrskreise erlassen werden dürfen. Aus diesem Schutzzweck muß folglich auch jeglicher darauf gestützte Rechtsvollzug seine Legitimation beziehen können. Konkret bedeutet dies im gegenständlichen Fall, daß Verstöße gegen Kennzeichnungsvorschriften nur jenen Personen angelastet werden können, die aufgrund der spezifischen fallbegleitenden Umstände überhaupt in die Lage kommen können, den gesetzlichen Schutzzweck zu verletzen. In erster Linie betrifft die Strafnorm des § 74 Abs.5 Z2 iVm § 19 LMG somit jenes Unternehmen, das die Lebensmittel an Letztverbraucher abgegeben, bzw. jenes, das diese verpackt hat. Ob bzw. inwieweit daneben auch noch Personen tatbestandsmäßig handeln, die die Ware weder selbst verpacken noch diese zur Abgabe an Letztverbraucher bereithalten, sondern diese - wie die GmbH des Beschwerdeführers - lediglich in vorher wie nachher unveränderter Form sowie den Zugriffen Außenstehender entzogen lagern und transportieren, hängt sohin davon ab, ob bei isolierter Betrachtungsweise auch im Zuge dieser Tätigkeit eine nicht bloß kausale (im Sinne der Äquivalenztheorie), sondern auch für sich betrachtet schuldhafte Schutzzweckverletzung einerseits überhaupt denkbar ist sowie - bejahendenfalls - tatsächlich bewirkt wurde. Abgesehen davon, daß dem Beschwerdeführer derartiges mit dem angefochtenen Straferkenntnis gar nicht zur Last gelegt wurde (im Spruch wird lediglich auf eine erfolgte Lieferung an ein anderes Unternehmen, nicht aber auf eine Verletzung der Schutzzwecke des § 19 Abs.1 Bezug genommen) sowie im Rahmen des Strafverfahrens vor der belangten Behörde keine Ermittlungen in diese Richtung angestellt wurden (solche sind hingegen dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht nur im Hinblick auf seine aus Art.129 B-VG iVm Art.6 Abs.1 MRK resultierende verfassungsmäßige Stellung als unparteiisches Gericht, mit der eine gleichzeitige Anklagefunktion unvereinbar ist, sondern auch wegen bereits eingetretener Verfolgungsverjährung von vornherein verwehrt), kann der Oö. Verwaltungssenat auch tatsächlich nicht finden, daß auf Basis der vorliegenden Ermittlungsergebnisse neben dem erzeugenden und dem von ihr belieferten Unternehmen auch der verfahrensgegenständlichen GmbH eine konkrete strafrechtlich zu sanktionierende Verletzung des Schutzzweckes des § 19 Abs.1 LMG angelastet werden könnte.

Der Beschwerdeführer ist sonach im Ergebnis schon mit seinem primären Einwand, nicht einmal tatbestandsmäßig i.S.d. § 74 Abs.5 Z2 iVm § 19 LMG und der darauf gegründeten LMKV bzw. TiefgefV gehandelt zu haben, im Recht.

Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG schon aus diesem Grund stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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