RS UVS Oberösterreich 1996/10/01 VwSen-390027/2/Gf/Km

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Veröffentlicht am 01.10.1996
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Rechtssatz

Gemäß § 43 Abs.1 Z3 iVm § 16 Abs.2 Z1 FMG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen, der Fernmeldeanlagen in der Weise mißbräuchlich verwendet, daß die dadurch bewirkte Nachrichtenübermittlung gegen die Gesetze verstößt.

Nach der zufolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 27.9.1995, G 1256-1264/95, als verfassungswidrig festgestellten, infolge gleichzeitiger Fristsetzung für das Außerkrafttreten aber bis zum Ablauf des 31.7.1996 - gemäß Art.I Abs.1 Z7 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 267/1972 als Bundesgesetz - in Geltung gestandenen Bestimmung des § 24a RFV durften Inhaber von Bewilligungen zum Betrieb von Gemeinschaftsantennenanlagen auch Kabeltext verbreiten; unter Kabeltext waren jedoch lediglich Darbietungen zur Information der Bevölkerung im lokalen und regionalen Raum mittels schriftlicher und grafischer Zeichen und Symbole sowie mittels Standbilder zu verstehen; die Einspeisung von bewegten Bildern (Filmen) in das Kabel-TV-Netz widersprach sohin offenkundig dem Gebot des § 24a RFV.

Nach Art.140 Abs.7 B-VG sind dann, wenn der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben hat, alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden; hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis - wie im gegenständlichen Fall - eine Frist für das Außerkrafttreten bestimmt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände anzuwenden.

Schon auf Verfassungsebene ist demnach festgelegt, daß im Falle einer Aufhebung einer gesetzlichen Bestimmung unter Fristsetzung diese - wenngleich bereits explizit als verfassungswidrig festgestellt - bis zum Ablauf jener Frist weiterhin anzuwenden ist. Gemäß § 1 Abs.2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht günstiger wäre. Da das Straferkenntnis der belangten Behörde vorliegendenfalls jedoch noch vor Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist für das Außerkrafttreten des § 24a RFV erlassen wurde und sich somit die Rechtslage zwischen Tatzeitraum und Bescheidfällung nicht geändert hat, war somit auch eine Heranziehung des Günstigkeitsprinzips des § 1 Abs.2 VStG gehindert.

Letztlich scheint sich somit insgesamt zu ergeben, daß in allen jenen Fällen, wo eine gesetzliche Bestimmung zwar bereits als verfassungswidrig festgestellt, für deren Außerkrafttreten jedoch vom Verfassungsgerichtshof gleichzeitig eine Frist gesetzt und zudem das Straferkenntnis noch vor Ablauf dieser Frist erlassen wurde, ein Zuwiderhandelnder weiterhin legalerweise aufgrund dieser rechtswidrigen Norm bestraft werden kann.

Nach Art.7 Abs.1 MRK kann jedoch u.a. niemand wegen einer Handlung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem Recht nicht strafbar war.

Diese - in Österreich ebenfalls im Verfassungsrang stehende - Bestimmung legt nach der Rechtsprechung der Europäischen Instanzen allgemein den Grundsatz der Gesetzesgebundenheit (Legalitätsprinzip) des Strafrechts (nulla poena sine lege) fest (vgl. Frowein-Peukert, EMRK-Kommentar, Kehl 1985, RN 1 und 2 zu Art. 7).

Wenn danach gefordert ist, daß jede Strafbarkeit zuvor einen gesetzlich festgelegten Straftatbestand bedingt, so geht damit unausgesprochen, aber gleichwohl denknotwendig einher, daß es sich hiebei um ein - sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht - rechtmäßiges Gesetz handeln muß.

War in Sonderkonstellationen gelegentlich noch problematisch, ob bei aufrechter formeller Verbindlichkeit, aber (bloß behaupteter, jedoch nicht erwiesener) faktischer Nichtanwendung eines Gesetzes dieses als Grundlage für eine Strafbarkeit noch hinreicht (vgl. die Entscheidung der EKMR E 7721/76, DR 11, 209 (211)), so kann es demgegenüber aber keinem Zweifel unterliegen, daß eine Bestrafung nicht auf ein bereits als verfassungswidrig erklärtes, wenngleich weiterhin befristet verbindliches Gesetz gestützt werden kann (vgl. E 1169/61, Yb 6, 520 (588 f)).

Um einen Widerspruch zwischen beiden auf Verfassungsstufe stehenden Normen zu vermeiden, gebietet somit die zudem auch völkerrechtlich verbindliche Bestimmung des Art.7 Abs.1 MRK eine teleologische Reduktion der bloß innerstaatlichen Norm des Art.140 Abs.7 B-VG dahin, daß letztere Anordnung, wonach das als verfassungswidrig festgestellte Gesetz auf alle bis zum Ablauf der Frist verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden ist, nur für Vorschriften sonstigen Inhalts, nicht jedoch für Straftatbestände gilt.

Dies bedeutet für den gegenständlichen Fall sohin im Ergebnis, daß die Fristsetzung des Verfassungsgerichtshofes im Zuge der Aufhebung des § 24a RFV zwar wohl die Wirkung hatte, daß bis zum Ablauf des 31.7.1996 ein entsprechendes Verbot der Einspeisung von Filmen in Gemeinschaftsantennenanlagen bestand, dieses jedoch nicht auch gleichzeitig gemäß § 43 Abs.1 Z3 iVm § 16 Abs.2 Z1 FMG und iVm § 24a RFV verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert war. Mangels Existenz eines entsprechenden Straftatbestandes und somit infolge Fehlens eines als strafwürdig zu qualifizierenden Verhaltens des Beschwerdeführers war daher der vorliegenden Berufung schon aus diesem Grund gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen, ohne daß es eines weiteren Eingehens auf das sonstige Vorbringen der Verfahrensparteien bedurfte.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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