RS UVS Oberösterreich 1996/11/15 VwSen-104062/8/Br

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Veröffentlicht am 15.11.1996
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Rechtssatz

Der § 9 Abs.2 StVO in der Fassung der 19. Novelle hat eine Verschärfung zum Schutz der Fußgänger dadurch erfahren, als bereits bei der bloßen Erkennbarkeit der Absicht die Überquerung vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen ist.

Die Rechtslage würde wohl verkannt und darin ist dem Berufungswerber in seiner Verantwortung zuzustimmen, wenn in Auslegung dieser Bestimmung kein wie immer gearteter - objektiv zu beurteilender - Maßstab, welcher der Disposition und Entscheidung des Fahrzeuglenkers obliegt, offen bliebe.

Dem Gesetzgeber kann nicht eine Regelungsabsicht zugesonnen werden, welche im Ergebnis den Lenker eines Fahrzeuges immer zu einem Anhalten zwingt, wenn sich Personen im Bereich des Schutzweges befinden, welche diesen wahrscheinlich benützen werden. Dem Berufungswerber wäre etwa zu folgen gewesen, hätte er tatsächlich seine Fahrgeschwindigkeit auf 20 km/h reduziert gehabt und damit den präsumtiven Anhalteweg auf knapp unter sechs Meter gekürzt. Bei dieser geringen Fahrgeschwindigkeit und der geringen Entfernung der Fußgänger vom Schutzweg hätte er auch abzuschätzen vermocht, daß die Fußgänger in der gegebenen Situation eben nicht (mehr) oder noch nicht überqueren wollten. Im Falle einer tatsächlichen Erkennbarkeit einer aktuellen Überquerungsabsicht dieser Fußgänger hätte er dies den Fußgängern noch immer ungefährdet und ungehindert ermöglichen können. Auch diese Gesetzesbestimmung darf daher nicht jeder Mitberücksichtigung (der jedem Verkehrsverhalten Bezug habenden) "Weg-Zeit-Komponente" entbehren. Eine andere Sicht würde jeglichen Beurteilungsspielraum des Fahrzeuglenkers aus praktischer Sicht ausschließen und im Ergebnis dazu führen, daß ein Fahrzeuglenker immer zum Anhalten gezwungen wäre und einen Fußgänger vor diesem Schutzweg zum Überqueren "einladen" müßte. Dadurch würde letztlich auch ein aus der Sicht der Vollziehung untragbares Defezit an Rechtssicherheit gegeben sein, weil eben ein Dispositions- und Beurteilunsspielraum vor einem Schutzweg (auch) aus der Sicht des Fahrzeuglenkers unentbehrlich ist.

Hier jedoch befanden sich die zwei Schulkinder bereits in Front des Schutzweges, als der Berufungswerber noch 40 Meter von diesem entfernt gewesen ist. Schon dadurch mußte der Berufungswerber im Sinne der Gesetzesbestimmung und deren Schutzzweck die Überquerungsabsicht in seine Disposition einbeziehen. Demnach hätte er vorerst einmal seine Fahrgeschwindigkeit zu reduzieren und in der Folge die Überquerungsabsicht zu beurteilen gehabt. Insbesondere bei Kindern muß diesbezüglich ein strenger Maßstab an dieses Beurteilungskriterium gesetzt werden. Dies dergestalt, daß zumindest (vorerst) im Zweifel wohl immer von einer Überquerungsabsicht ausgegangen werden muß. Diese Schutzbestimmung würde ihres Sinnes entleert, würde man zugestehen, daß immer dann, wenn auch ein Fußgänger letztlich wegen der in gleichbleibender Geschwindigkeit erfolgenden Annährung eines Fahrzeuges an den Schutzweg diesen nicht mehr zu überqueren wagt und so letztlich (als Faktum) erkennen läßt, den Schutzweg nicht mehr überqueren zu "wollen" (zur Gefahrvermeidung), einem Fahrzeuglenker Recht zukommen zu lassen.

Für den Fahrzeuglenker, insb. KFZ-Lenker, bedeutet diese Vorschrift zunächst die Pflicht zu Beobachtung des Geschehens nicht nur auf, sondern auch seitlich neben dem Schutzweg, dann die Pflicht zur Temporeduktion, allenfalls zum Anhalten, um den Fußgänger, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen, die Querung zu ermöglichen. Dabei müssen Lenker auch auf die äußeren Umstände (wie Fahrbahnbeschaffenheit, Sicht u.dgl.) Bedacht nehmen (Stolzlechner, in ZVR, Heft 12, Dez.1994, S 357).

Weil hier eine Geschwindigkeitsreduzierung in der unmittelbaren Annährungsphase und angesichts der schon vor dem Schutzweg befindlichen Personen nicht erfolgte, wurde diese Schutznorm verletzt.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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