TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/3 2001/05/0086

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Veröffentlicht am 03.07.2001
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;

Norm

BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Leopold Hasitzka und der Maria Hasitzka in Jedenspeigen, beide vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. Jänner 2001, Zl. RU1-V-93055/03, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Karl Bogner in Jedenspeigen, vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, Hauptstraße 25, 2. Marktgemeinde Jedenspeigen, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall sind vor dem vorliegenden angefochtenen Bescheid bereits drei unangefochten gebliebene Entscheidungen der Aufsichtsbehörde ergangen:

Mit Bescheid vom 2. Mai 1994 wurde eine Vorstellung betreffend eine Baueinstellung am Wohnhaus der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Gegenstand eines aufsichtsbehördlichen Bescheides vom 26. Februar 1998 war die Abweisung eines Devolutionsantrages der Beschwerdeführer, den der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde abgewiesen hatte, weil das Verschulden an der nicht zeitgerechten Erlassung eines Baubewilligungsbescheides nicht ausschließlich der Behörde anzulasten gewesen sei.

Mit Bescheid vom 25. März 1998 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Beschwerdeführern die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses in Jedenspeigen Nr. 34 erteilt. Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung des Erstmitbeteiligten, der vorbrachte, es sei die Mauer an der Grundgrenze eine einheitliche Wand, dazwischen sei entgegen der Ausführung in den eingereichten Bauplänen keine durchgehende Trennfuge, hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 19. Mai 1998 den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom 25. März 1998 behoben und das Baugesuch zurückgewiesen. Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. Oktober 1998 den Bescheid des Gemeinderates aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen. Tragender Aufhebungsgrund war der Umstand, dass den Beschwerdeführern das Ergebnis eines am 9. Mai 1998 durchgeführten Lokalaugenscheines nicht zur Kenntnis gebracht worden sei.

In der Folge hat der Gemeinderat das Ergebnis dieses Lokalaugenscheines sowohl den Beschwerdeführern als auch ihrem Rechtsvertreter zur Kenntnis gebracht, auf Grund der Stellungnahme der Beschwerdeführer zum Ergebnis dieses Lokalaugenscheines wurde am 1. März 2000 eine neuerliche Verhandlung an Ort und Stelle durchgeführt. Es wurden insgesamt vier Öffnungen im Bereich der Mauer zwischen dem Grundstück der Beschwerdeführer und dem des Erstmitbeteiligten hergestellt, der amtliche Bausachverständige kam zu dem Schluss, dass an zwei der geöffneten Stellen eine Mauerwerksfuge vorhanden war, jedoch bei den Mauerwerksöffnungen im Bereich der Stellen 2 und 4 keine Fuge vorhanden war, sodass zumindest in diesen Bereichen eine gemeinsame Brandwand vorliege.

In einer Sitzung vom 30. März 2000 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde gemäß dem vorgelegten Protokoll beschlossen, auf Grund des Lokalaugenscheines vom 1. März 2000 und den dort getroffenen Feststellungen der Berufung des Erstmitbeteiligten Folge zu geben und das Bauansuchen der Beschwerdeführer abzuweisen.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2000 hat der Gemeinderat unter Hinweis auf die Beschlussfassung in der Sitzung vom 30. März 2000 der Berufung des Erstmitbeteiligten gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 25. März 1998 Folge gegeben und diesen Baubewilligungsbescheid ersatzlos behoben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, vom Sachverständigen sei in seinem Gutachten am 1. März 2000 festgestellt worden, dass keine durchgehende Mauerwerksfuge vorhanden sei, zumindest im Bereich der Mauerwerksöffnungen 2 und 4 sei eine solche nicht festgestellt worden. Da keine durchgehende Trennfuge bestehe, sei der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 31. Jänner 2001 als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine durchgehende Trennfuge vorliege sondern teilweise eine gemeinsame Brandwand bestehe. Da der Nachbar gemäß § 118 Abs. 9 Z. 2 der NÖ Bauordnung 1976 einen Anspruch darauf habe, dass sich keine "anderen Gefahren" auf sein Anrainergrundstück ausdehnten, sei der Berufung mit Recht Folge gegeben worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführer erstatteten eine Replik zur Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Zistersdorf vom 14. März 1996 wurde zu Recht erkannt, dass die entlang der Grundstücksgrenze der Beschwerdeführer zum Grundstück des Erstmitbeteiligten gelegene 30 cm starke Brand- bzw. Feuermauer zur Gänze auf dem Grundstück der Beschwerdeführer liege. Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 10. September 1996 wurde die Berufung des Erstmitbeteiligten abgewiesen. Ausdrücklich wurde festgehalten, dass es auf Grund des vorliegenden Klagebegehrens lediglich darum gegangen sei, auf wessen Grundstück sich die Mauer befände, keineswegs aber um die baurechtliche Frage, ob es sich hier um eine sogenannte "gemeinsame Mauer" im baurechtlichen Sinn handle, die allenfalls von beiden Parteien verwendet werden könne. Es sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen, ob Miteigentum an der gegenständlichen Mauer bestehe oder nicht.

Gemäß § 118 Abs. 9 Z. 2 der NÖ Bauordnung 1976 werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer.

Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über: ... 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf Anrainergrundstücke ausdehnen können. Grundsätzlich ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass durch die Gewichtsbelastung bei einer Aufstockung auf einem Teil einer gemeinsamen Brandwand ungleiche Setzungen hervorgerufen werden können, und der Nachbar, wie aus § 118 Abs. 9 NÖ BauO 1976 ableitbar ist, ein Recht auf Schutz vor solchen Gefahren hat, die sich auf sein Grundstück ausdehnen können, worunter Setzungen, hervorgerufen durch die Benützung einer gemeinsamen Brandwand, subsumiert werden können. Da dem in Anwesenheit der Beschwerdeführer am 1. März 2000 aufgenommenen Befund und anschließenden Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen zu entnehmen ist, dass keine durchgehende Trennfuge zwischen den beiden Grundstücksteilen vorhanden ist und die Beschwerdeführer diesem Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten sind, wurde der Berufung des Erstmitbeteiligten grundsätzlich mit Recht vom Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde Folge gegeben.

Allerdings hat der Gemeinderat den Berufungsbescheid nicht so abgefasst, wie dies der Gemeinderat in der Sitzung vom 30. März 2000 beschlossen hat, nämlich das Baugesuch der Beschwerdeführer abzuweisen, sondern, ohne durch einen diesbezüglichen Beschluss des Gemeinderates gedeckt zu sein, die Baubewilligung "ersatzlos behoben".

Damit liegt aber nicht nur eine unzulässige Abweichung vom Beschluss des Gemeinderates vor, mit der Behebung einer Baubewilligung ist überdies ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung nicht erledigt. Wenn der Gemeinderat der Berufung eines Anrainers gegen eine erteilte Baubewilligung Folge gibt, hat er das Baugesuch abzuweisen bzw. die beantragte Baubewilligung zu versagen und nicht die erstinstanzliche Baubewilligung "ersatzlos" zu beheben.

Da die belangte Behörde diese Rechtswidrigkeiten nicht erkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 3. Juli 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001050086.X00

Im RIS seit

10.09.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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