RS UVS Oberösterreich 1997/07/25 VwSen-280182/6/Ga/Ha

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Veröffentlicht am 25.07.1997
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Rechtssatz

Der dem angefochtenen Straferkenntnis zu beiden Fakten als maßgebend zugrundegelegte Sachverhalt als solcher ist in Übereinstimmung mit der Aktenlage vorgeworfen und unstrittig; er wird als erwiesen festgestellt. Der Berufungswerber bekämpft auch nicht die Annahme einer zweimaligen Übertretung der Gebotsnorm des § 4 Abs.3 erster Satz ArbIG und schließt sich der unabhängige Verwaltungssenat der rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde an. Danach steht die Tatbestandsmäßigkeit des angelasteten Verhaltens iSd Strafnorm gemäß § 24 Abs.1 Z1 lit.a ArbIG fest. Seine Bestrafung allerdings hält der Berufungswerber nicht für gerechtfertigt.

Dies begründet er, auf den Punkt gebracht, damit, daß ein Verdacht der Verletzung von "Arbeitnehmerschutzbestimmungen" in keiner Weise habe angenommen werden dürfen und seien Schutzvorschriften in seinem Unternehmen auch tatsächlich nicht verletzt worden. Die dennoch versuchte Durchführung einer unangemeldeten ("überfallsartigen") Kontrolle durch Arbeitnehmerschutzorgane stemple ihn als "präsumptiven Gesetzesbrecher" ab. Hätte die Strafbehörde ein mangelfreies Verfahren geführt, hätte sie erkennen müssen, daß keinerlei Verletzungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen vorgelegen seien. Der dennoch erfolgte Schuldspruch mache daher das Straferkenntnis inhaltlich rechtswidrig.

Damit aber verkennt der Berufungswerber, wie schon die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, die Rechtslage. Die Gebotsnorm des § 4 Abs.3 erster Satz ArbIG, wonach die Arbeitgeber für die jederzeitige Zugänglichkeit zu den Räumlichkeiten und Betriebseinrichtungen etc für die  Inspektionsorgane zu sorgen haben, enthält kein Merkmal dahin, daß die Vorschrift für den Arbeitgeber erst dann wirksam wird, wenn ein - in welcher Weise auch immer objektivierter - Verdacht der Verletzung von materiellen Arbeitnehmerschutzvorschriften vorliege. Und auch dem Übertretungstatbestand des § 24 Abs.1 Z1 lit.a ArbIG ist die vom Berufungswerber reklamierte Verdachtslage fremd. Die Verhaltensnorm aber war, wie aus dem Akt hervorgeht, dem Berufungswerber nicht unbekannt, sodaß ein

entschuldigender Rechtsirrtum iSd § 5 Abs.2 VStG schon von vornherein nicht angesprochen werden könnte. Den Versuch der Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit iSd § 5 Abs.1 VStG an den ihm spruchgemäß vorgeworfenen Rechtsverletzungen hat der Berufungswerber gar nicht erst unternommen. Auch sonst ist nichts zu Tage getreten, was an der Tatschuld des Berufungswerbers zweifeln ließe. Im Gegenteil: Subjektiv steht Vorsatzschuld fest, weil in beiden Fakten die Absicht geradezu auf die Verhinderung der Inspektionen gerichtet war (erweislich zu 1. aus dem direkten Einschreiten des Berufungswerbers selbst und zu 2. aus der konkreten Anweisung an seine Mitarbeiter, "unangemeldeten Besuchern des Arbeitsinspektorats den Zutritt zum Unternehmen zu verweigern", wozu er sich mit Schreiben vom 18.1.1995 ausdrücklich bekannte).

Aus allen diesen Gründen sind die Zuwiderhandlungen dem Berufungswerber jedenfalls persönlich vorwerfbar. Weil aber dem Strafakt eine beim Arbeitsinspektorat noch vor der Tat eingelangte Urkunde über die schon am 23.6.1993 erfolgte (zur Tatzeit nicht widerrufen gewesene) Bestellung des Berufungswerbers zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs.2 erster Satz VStG (mit eindeutig ausgewiesenem Verantwortungsbereich auch hinsichtlich der Einhaltung des ArbIG) einliegt, ist die verwaltungsstrafrechtliche Haftung des Berufungswerbers hier in eben dieser Beauftragteneigenschaft begründet. Dadurch aber wird der von der belangten Behörde spruchgemäß angenommene Haftungsgrund nach § 9 Abs.1 VStG zurückgedrängt. Der Schuldspruch war in diesem Punkt richtigzustellen; nachteilige Auswirkungen auf Rechtsschutzpositionen des Berufungswerbers ergeben sich daraus nicht.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis liegen, weil separate und differenzierende Strafaussprüche zu zwei, offenbar aus dem Grunde der unterschiedlichen Tatzeit als selbständig aufgefaßten Übertretungen gefällt wurden, jedenfalls auch zwei (konkludente) Schuldsprüche zu diesen Taten vor. Das von der belangten Behörde intendierte "deklarative" Splitting nur der Sanktion ist dem Verwaltungsstrafrecht fremd und ist daher auch als bloßes Begründungselement zu verwerfen.

Vor diesem Hintergrund aber hatte der unabhängige Verwaltungssenat das Straferkenntnis in der rechtlichen Qualifikation mit der Maßgabe zu ändern, daß spruchmäßig nicht mehr zwei Einzeltaten getrennt vorgeworfen werden, sondern nur ein strafbares Gesamtverhalten als fortgesetztes Delikt anzulasten und demgemäß zu bestrafen ist. Dafür sprechen im Sinne der Judikatur des VwGH hier nicht nur die Gleichartigkeit der Begehungsform und der äußeren Begleitumstände des inkriminierten Zuwiderhandelns im Rahmen des noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs, sondern entscheidend auch das Gesamtkonzept des Beschuldigten, das schon aus dem Ermittlungsverfahren der belangten Behörde unzweifelhaft hervorleuchtet und von ihm auch gar nicht bestritten,  sondern - zuletzt in den Berufungsgründen - geradezu betont wurde. Darin allein, daß zwischen den beiden gesetzwidrigen Einzelfakten (für die jeweils taugliche Verfolgungshandlungen gesondert gesetzt wurden) immerhin ein Zeitraum von knapp 5 1/2 Monaten liegt, ist nach den Umständen dieses Falles weder eine Änderung noch eine Unterbrechung des Gesamtkonzeptes des Täters indiziert (vgl. hiezu VwGH 23.5.1995, 95/04/0022).

Auch diese Spruchänderung bedeutet keine Überschreitung der Tatseitigen Sachbindung der Berufungsbehörde.

War, wie dargestellt, für das eine (fortgesetzte) Delikt daher nur eine Sanktion zu verhängen, zeigt sich aber, daß die schlichte Addition der im angefochtenen Straferkenntnis festgesetzten beiden Geldstrafen für die Neubemessung ein zu hohes Strafübel nach sich zöge.

So wertete die belangte Behörde, die sich im übrigen bei ihrer Entscheidung erkennbar an den Kriterien des § 19 VStG orientierte, sodaß von einem "Ermessensexzeß", wie ihn der Berufungswerber sieht, nicht gesprochen werden kann, das Verharren des Berufungswerbers in seiner Zuwiderhandlung zu Unrecht als erschwerend. Die fortgesetzte Tatbegehung (mit nur zwei Einzelhandlungen) allein reicht hiefür nicht aus (abgesehen im übrigen davon, daß auch eine Kumulierung im Sinne des § 22 VStG, wäre sie rechtmäßig vorzunehmen gewesen, der sinngemäßen Heranziehung des Erschwerungsgrundes gemäß § 33 Z1 StGB entgegenstünde). Ebensowenig schlägt hier die absichtliche Begehung erschwerend zu Buche, weil Vorsatzschuld

für die Verwirklichung eines fortgesetzten Deliktes tatbestandsbegründend ist. Andererseits hätte gerade die Verhängung einer "empfindlichen Strafe", wie von der belangten Behörde zum Ausdruck gebracht, doch das Vorliegen besonderer Erschwerungsgründe vorausgesetzt. Hingegen ist mildernd anzurechnen, daß die Tat nicht aus dem Antrieb, sich zu Lasten des öffentlichen Interesses an einem wirksamen Arbeitnehmerschutz unbillige persönliche Vorteile zu verschaffen, sondern in der Überzeugung der Verfassungswidrigkeit der hier maßgeblichen Vorschriften begangen wurde; insofern ist es gerechtfertigt, dem Berufungswerber im Sinne des § 34 Z3 StGB achtenswerte Beweggründe zuzubilligen. Weitere Milderungsgründe waren nicht zu berücksichtigen, insbesondere auch nicht, wie vom Berufungswerber vorgebracht, jener der (absoluten) Unbescholtenheit im Sinne des § 34 Z2 StGB.

Daß die belangte Behörde wegen der diesbezüglich trotz Aufforderung verweigerten Mitwirkung keine konkreten persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten für die Bemessung des Strafausmaßes berücksichtigt hat, ließ der Berufungswerber ungerügt.

Alles in allem hält der unabhängige Verwaltungssenat, weil es im Hinblick auf die besonderen Umstände dieses Falles auch nicht vertretbar scheint, generalpräventive Strafzwecke besonders zu betonen, die nun verhängte Geldstrafe - immerhin ein Fünftel der Höchststrafe des hier heranzuziehenden Strafrahmens - für tat- und täterangemessen. Im Verhältnis dazu war auch das Ausmaß der Ersatzfreiheitsstrafe zu bestimmen.

Schon vor der Strafbehörde stellte der Beschuldigte in den Mittelpunkt seiner Verantwortung die Überzeugung, daß durch dieses Verwaltungsstrafverfahren seine Verfassungssphäre verletzt werde, weil eine unangemeldete und jederzeit mögliche Betriebskontrolle, für die nicht einmal objektive Verdachtsmomente einer Übertretung von Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes vorausgesetzt sind, gegen ihn erzwungen werden soll. Die bezüglichen einfachgesetzlichen Bestimmungen des ArbIG seien grundrechtswidrig, weshalb er die Kontrollgänge nicht habe zulassen können und sei diese seine Überzeugung dem Arbeitsinspektorat auch bekanntgewesen. Durch eine gewichtige Stimme der Wissenschaft werde seine Sicht bestärkt. All dies zugrunde legend, ließ der Beschuldigte keinen Zweifel daran, daß er im Wege des wider ihn geführten Strafverfahrens an den Verfassungsgerichtshof herantreten wolle, um so eine Bereinigung der Rechtsordnung zu erreichen.

Auch die Berufungsschrift verfolgt erkennbar dieses Hauptanliegen, ohne allerdings die amtswegige Gesetzesanfechtung durch den unabhängigen Verwaltungssenat ausdrücklich zu begehren.

Davon aber abgesehen, neigt der unabhängige

Verwaltungssenat der Auffassung zu, daß die in Rede stehenden Vorschriften des ArbIG einer verfassungskonformen Auslegung noch zugänglich sind. So scheint der Vergleich des Berufungswerbers (Rechtfertigung vom 4.12.1995) mit strafgerichtlich erzwingbaren Durchsuchungen nicht schlagend. Vorliegend nämlich schränkt § 4 Abs.1 ArbIG die Befugnisse der Arbeitsinspektionsorgane ausdrücklich auf bloßes Betreten und Besichtigen ein; insbesondere eine Durchsuchung von Betriebsstätten etc ist also, wenigstens im Zweifel, nicht erlaubt. Auch ist dieses Zutritts- und Besichtigungsrecht nicht ohne jede Determinierung eingeräumt, sondern ist an die Erforderlichkeit "zur Durchführung ihrer Aufgaben" gebunden; die Aufgaben der Arbeitsinspektion sind im § 3 Abs.1 ArbIG abschließend umschrieben. Dabei in den Vordergrund gestellt hat der Gesetzgeber die Unterstützungs- und Beratungsaufgabe; die hinzutretende Überwachungsaufgabe ist inhaltlich in bestimmter Weise eingegrenzt und zudem auf "geeignete" Maßnahmen verpflichtet. Alle diese Einschränkungen beziehen sich nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates auch auf das "jederzeit" in § 4 Abs.1 und 3 ArbIG.

Dazu kommt, daß das Arbeitsinspektorat für jede einzelne Betriebskontrolle in der konkreten Durchführung gewissenhaft die Eingriffsschranken des aus Art. 8 Abs.2 MRK abgeleiteten Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat. Die danach unmittelbar wirkenden Einengungen der Hoheitsmacht lassen nach Meinung des unabhängigen Verwaltungssenates insbesondere den in § 18 Abs.2 ArbIG niedergelegten Grundsatz der Nichtanmeldung der Amtshandlung in einem milderen Licht erscheinen.

Aus allen diesen Gründen scheint die Auffassung vertretbar, daß das in Rede stehende Zutritts- und Besichtigungsrecht nicht, wie vom Berufungswerber gesehen, uferlos eingeräumt ist und vom Gesetzgeber den Organen der Arbeitsinspektion nicht vordergründig zu dem Zweck an die Hand gegeben ist, um generell ohne jeden Anlaß mit Hilfe von derartigen Betriebskontrollen bei "unverdächtigen" Arbeitgebern Verdachtsmomente gewissermaßen vorsorglich  aufspüren bzw. sammeln zu dürfen.

Insgesamt hegt der unabhängige Verwaltungssenat gegen die im Berufungsfall anzuwendenden § 4 Abs.1 und 3 sowie § 24 Abs.1 Z1 lit.a ArbIG keine solchen Verfassungsbedenken, die nach einem Antrag iSd Art. 89 Abs.2 B-VG an den VfGH drängten. Aus einem ganz anderen Blickwinkel jedoch könnten aus Anlaß der

h. Entscheidung Verfassungsbedenken dahin entstehen, daß die besonderen Umstände dieses Falles eine Bestimmung des zuständigen Entscheidungsorgans des Tribunals nicht so ohne weiteres und möglicherweise nicht mit der für die Parteien (auch) aus dem Blickwinkel des Art. 6 Abs.1 MRK, zumal bei strafrechtlichen Anklagen, gebotenen Eindeutigkeit zulassen.

Zwar ergab sich, zunächst gänzlich unproblematisch und jedenfalls auch endgültig, im Grunde des § 51c VStG aus den in unterschiedlicher Höhe verhängten beiden Geldstrafen die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes für die eine sowie die Zuständigkeit der 5. Kammer für die andere Strafsache. Bei welchem Entscheidungsorgan aber die Kompetenz liegt, wenn zwei Straferkenntnisse über Einzeltaten dann im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zu einem einzigen Schuldspruch über ein fortgesetztes Delikt zusammenfließen und demgemäß nur eine Strafe zu verhängen ist (die zudem, wie hier, mit einem unter 10.000 S liegenden Betrag neu festzusetzen war), ist im Verfahrensgesetz nicht (auch nicht durch § 51e Abs.6 VStG) bestimmt. Nach h. Ansicht war diese Zuständigkeitsfrage daher durch Rückgriff auf die Geschäftsverteilung allein zu lösen und scheint daraus aber, weil auch dort dieser Fall nicht ausdrücklich geregelt ist, in vertretbarer Weise kein anderes Ergebnis ableitbar, als daß die vorliegende Entscheidung von beiden mit der Berufungsvorlage zuständig gewordenen Organen gemeinsam - mit vorauszusetzender Einvernehmlichkeit - zu fällen (und dies auch formal zum Ausdruck zu bringen) ist. Abgedeckt werden dabei jeweils nur Teilbereiche:

a) hinsichtlich Faktum 1. des angefochtenen Straferkenntnisses die Bestätigung der Schuld sowie die Änderung des darauf bezogenen Strafausspruchs von der Zuständigkeit des Einzelmitgliedes;

b) hinsichtlich Faktum 2. des angefochtenen Straferkenntnisses gleichfalls die Bestätigung der Schuld sowie die Änderung des bezüglichen Strafausspruchs von der Zuständigkeit der 5. Kammer. Ist aber einzumahnen, daß der gesetzliche Richter, dh das zur Entscheidung im Einzelfall konkret zuständige Staatsorgan für die Partei im vorhinein eindeutig bestimmt und erkennbar sein muß, dann ist wohl zuzugeben, daß die vorliegend gewählte Lösung die mit Blick auf das Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auftauchenden Bedenken nicht gänzlich zu zerstreuen vermag. Bedenken freilich, die, legt man die Auffassung des VwGH (vgl Erk 10.10.1995, 95/02/0225) auch auf diesen Fall an, gar nicht weiter zu problematisieren wären. Danach nämlich müßte auch im Berufungsfall, trotz Fehlens einer konkreten Vorausbestimmung der Zuständigkeit, aus der Sicht des gesetzlichen Richters gleichgültig bleiben, ob die Entscheidung hier vom Einzelmitglied oder von der Kammer oder von diesen Organen gemeinsam getroffen wird, weil alle diese Varianten nichts daran änderten, daß ein und dieselbe zuständige Behörde, nämlich der Oö. Verwaltungssenat entscheidet.

Dieser Rechtssatz aus dem zit (bisher offenbar vereinzelt gebliebenen) VwGH-Erk wurde allerdings, nach h. Ansicht wohlbegründet, in der rechtswissenschaftlichen Literatur mit kritischen Anmerkungen versehen (vgl. die Judikaturbesprechung von Pöschl in JBl 12/1996, 808 ff). Die Autorin verwertete dabei nicht nur die einschlägige Judikatur des VfGH, sondern wies auch darauf hin, daß in dieser Frage der VwGH selbst "auch schon durchaus anders Position bezogen" hat (im Erk 25.1.1994, 93/11/0227).

Schlagworte
VwSen-280183/5/Ga/Ha v. 25.7.1997
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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