RS UVS Kärnten 1997/08/27 KUVS-K1-811/1/97

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Veröffentlicht am 27.08.1997
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Rechtssatz

Österreich hat zum Art 5 der EMRK, BGBl 1958/210, einen Vorbehalt eingelegt, daß die Bestimmungen dieses Artikels mit der Maßgabe angewendet werden, "daß die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen, BGBl 1950/172, vorgesehenen Maßnahmen des Freiheitsentzuges unter der in der österreichischen Bundesverfassung vorgesehenen nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof unberührt bleiben". Nach der Rechtsprechung der Europäischen Menschenrechtskommission werden dadurch aber grundsätzlich nur diejenigen verwaltungsbehördlichen Strafsanktionen abgedeckt, die sich auf Tatbestände beziehen, die bereits vor dem 3. September 1958 (dem Zeitpunkt der Ratifikation der Konvention durch Österreich) verwaltungsbehördlich strafbar waren. Hinsichtlich neuer Straftatbestände ist zu bemerken, daß nur Geldstrafen - und eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu höchstens 14 Tagen gemäß § 16 Abs 2 VStG - vorgesehen werden dürfen.

Hinsichtlich der im § 99 Abs 1, Abs 2 StVO angeführten Tatbestände ist zu prüfen, ob diese bereits vor dem 3. September 1958 verwaltungsbehördlich strafbar waren, da für diese Tatbestände Ersatzarreststrafen bis zu sechs Wochen vorgesehen sind. Die Regierungsvorlage betreffend ein Straßenpolizeigesetz 1959, 22 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrats, IX. Gesetzgebungsperiode, und der Bericht des Handelsausschusses zu dieser Regierungsvorlage, 240 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrats, IX. Gesetzgebungsperiode, enthalten keinen Hinweis auf Art 5 der EMRK. Vor dem Inkrafttreten der StVO 1960 mit 1.1.1961 standen das Straßenpolizeigesetz 1947, BGBl 46, und die Straßenpolizeiordnung, BGBl 1947/59, - beide nicht nur für Bundesstraßen, sondern für alle Straßen, da kein einziges Bundesland ein Ausführungsgesetz erlassen hat - in Kraft. Einige Tatbestände, die heute zum Kompetenztatbestand "Straßenpolizei" gehören, waren damals allerdings im KFG 1955 enthalten. Tatbestände des Straßenpolizeigesetzes 1947 waren nach der Blankettstrafnorm des § 72 mit Geldstrafen bis zu S 1.000,--, im Nichteinbringungsfalle mit Arrest bis zu vier Wochen, bei erschwerenden Umständen anstelle oder neben der Geldstrafe mit Arrest bis zu vier Wochen zu ahnden. Tatbestand des nunmehrigen § 99 Abs 1 lit a StVO "Lenken oder Inbetriebnehmen eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand" war vor Inkrafttreten der StVO 1960, also vor dem 1.1.1961, § 85 Abs 2 1. Satz KFG 1955 "ungeeignete körperliche Verfassung".  In Entsprechung dieser Darlegungen kann der Tatbestand des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand unter voller Ausnützung des § 99 Abs 1 und 2 und des § 100 StVO 1960 mit Arrest bestraft werden, weil er bereits nach dem KFG 1955, BGBl 223, - aufgrund der im § 111 enthaltenen Blankettstrafnorm - bzw nach dem Straßenpolizeigesetz 1947, BGBl 46, - aufgrund der Blankettstrafnorm des § 72 - strafbar war. Lediglich für neue Tatbestände, welche durch die StVO 1960 neu geschaffen wurden, darf eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu höchstens 14 Tagen verhängt werden. Daraus folgt, daß bei Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs 1 StVO 1960 im Sinne des § 99 Abs 1 lit a StVO 1960 eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von ein bis sechs Wochen zu verhängen ist. Gemäß Artikel 3 Abs 2 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684/1988, dürfen die Verhängung einer Freiheitsstrafe und die Festsetzung von Ersatzfreiheitsstrafen durch Verwaltungsbehörden vorgesehen werden, wenn das Ausmaß des angedrohten Freiheitsentzuges je sechs Wochen, soweit die Entscheidung einer unabhängigen Behörde obliegt, je drei Monate nicht übersteigt. Aufgrund dieser bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen können für Verwaltungsübertretungen der vorliegenden Art Ersatzfreiheitsstrafen bis zu sechs Wochen verhängt werden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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