TE Vwgh Erkenntnis 2001/7/11 2000/03/0342

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Veröffentlicht am 11.07.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E07204030;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
VStG §21;
VStG §32 Abs2;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des H in Mühlhausen, Deutschland, vertreten durch BECK & KRIST, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 2340 Mödling, Freiheitsplatz 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 25. September 2000, Zl. K 038/02/2000.023/016, betreffend Übertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl/See vom 10. April 2000 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe

"am 31.08.1999 als Fahrer des Lastkraftwagens mit dem in Deutschland auf das Kennzeichen VH KS 573 zugelassenen Lastkraftfahrzeug mit einem Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen eine ökopunktepflichtige Transitfahrt von Deutschland über Österreich mit der beabsichtigten Weiterfahrt zu einem in Ungarn gelegenen Zielort durchgeführt und wurde bei der Ausreisekontrolle am Grenzübergang Nickelsdorf um 10.00 Uhr von einem Aufsichtsorgan festgestellt, dass das Fahrzeug keinen Umweltdatenträger benutzt hat, da dieser gesperrt war, und von Ihnen weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten (Ökokarte) mitgeführt wurde."

Er habe dadurch § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen verhängt).

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen und das bekämpfte Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Tatvorwurf das Kennzeichen richtig "UH-KS 73" zu lauten habe und nach dem Wort "Umweltdatenträger" ein Beistrich und der Halbsatz "der eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht hätte," einzufügen seien. Im Zitat der verletzten Rechtsvorschriften sei die Wendung "und Art. 2 Abs. 1" zu streichen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG), BGBl. Nr. 593/1995 i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998 (die Novellierung dieser Bestimmung ist mit 10. Jänner 1998 in Kraft getreten), begeht u.a. eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 100.000,-

- zu ahnden ist, wer

"8. unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist."

Gemäß Art. 1 lit. d des der EU-Beitrittsakte beigefügten Protokolles Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie kombinierten Verkehr in Österreich, BGBl. Nr. 45/1995 ist unter "Transitverkehr durch Österreich" jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegt, zu verstehen. Straßengütertransitverkehr durch Österreich ist gemäß Art. 1 lit. e dieses Protokolles Nr. 9 jeder Transitverkehr durch Österreich, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet, ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 über ein System von Ökopunkten für Lastkraftwagen im Transit durch Österreich in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:

"a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird."

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, dass die Angabe des richtigen Kennzeichens des betroffenen Kraftfahrzeuges bei der vorliegenden Übertretung von maßgeblicher Bedeutung sei. Es sei zur Vornahme einer tauglichen Verfolgungshandlung notwendig, dem Beschuldigten im Sinne der §§ 40 ff VStG nicht nur den Tatort und die Tatzeit vorzuhalten, sondern auch das konkret zur Verwaltungsübertretung herangezogene Kennzeichen. Nur mit dem Fahrzeug UH-KS 73 hätte der Beschwerdeführer die ihm vorgehaltene Verwaltungsübertretung begehen können, nicht aber mit einem anderen Fahrzeug. Würden das tatsächlich am Fahrzeug montierte amtliche Kennzeichen und das auf dem Initialisierungszertifikat bzw. Kontrollausdruck angegebene nicht übereinstimmen, so würde es sich unstrittig um eine Verwaltungsübertretung handeln. Es hätte somit innerhalb der Frist zur Verfolgungsverjährung das Kennzeichen in richtiger Schreibweise angegeben werden müssen. Der vorliegende Sachverhalt sei mit dem der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/02/0231, zu Grunde liegenden Sachverhalt, nicht vergleichbar, da das Kennzeichen des Fahrzeuges kein wesentliches Sachverhaltselement der Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO darstelle, im vorliegenden Fall aber die richtige Angabe des Kennzeichens zur Individualisierung des Fahrzeuges, für das Ökopunkte zu entrichten seien, unumgänglich notwendig sei. Es sei somit keine taugliche Verfolgungshandlung innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gesetzt worden.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Auch bei der im vorliegenden Fall im Zusammenhalt mit § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 verletzten Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 lit. a der bereits angeführten Verordnung der Kommission in der angeführten Fassung, nach der der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen hat und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen hat, stellt das Kennzeichen des Lastkraftwagens kein wesentliches Tatbestandselement dar (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2001, Zl. 2000/03/0223), wenn die Angaben über die Tatzeit, den Tatort, die Tathandlung und die Person des Lenkers in einer rechtzeitigen Verfolgungshandlung - wie vorliegend in der "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 20. Oktober 1999 - ausreichen, um dem Beschwerdeführer die Identifizierung des den Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden Lastkraftwagens zu ermöglichen (vgl. in diesem Sinn auch das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/03/0350). In seiner "Rechtfertigung" vom 9. November 1999 hat der Beschwerdeführer selbst bereits das richtige Kennzeichen des von ihm zur angegebenen Tatzeit gefahrenen LKWs angegeben und keinen Zweifel daran gelassen hat, dass er den in der Aufforderung genannten Lastkraftwagen zum Tatzeitpunkt gelenkt hat. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Behörde die im erstinstanzlichen Spruch angegebene Kennzeichennummer des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges berichtigt hat. Auch wenn das Kennzeichen des verfahrensgegenständlichen Lastkraftwagens in der Anzeige und in der Aufforderung zur Rechtfertigung unrichtig angegeben war, liegen rechtzeitige Verfolgungshandlungen im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG betreffend die verfahrensgegenständliche Verwaltungsübertretung vor.

Nach Auffassung der belangten Behörde hatte der Beschwerdeführer die vorliegende Verwaltungsübertretung auch schuldhaft zu verantworten. Es könne dahingestellt bleiben, ob er von der Sperre des Frächters informiert gewesen sei, weil ihm von seinem Arbeitgeber vor Antritt der verfahrensgegenständlichen Fahrt der Auftrag erteilt worden sei, das alte Ecotag ausbauen zu lassen und mit dem neuen Fahrzeug-Registrierungszertifikat ein neues Ecotag zu erwerben und in den LKW einbauen zu lassen und erst dann durch Österreich zu durchzufahren. Die belangte Behörde habe keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt dieser Aussage zu zweifeln. Der Beschwerdeführer sei dem auch in seiner Stellungnahme vom 11. September 2000 nicht entgegengetreten. Auf Grund der Missachtung dieses Auftrages werde klar, dass er sich nicht um das Funktionieren des Ecotags auf der vorliegenden Transitfahrt gekümmert habe, weshalb kein geringes Verschulden vorliege. Angesichts des dem Beschwerdeführer erteilten Auftrages vor Beginn der verfahrensgegenständlichen Fahrt habe der Beschwerdeführer nicht mehr mit Grund annehmen können, mit dem alten, auszutauschenden Ecotag durch Österreich fahren zu dürfen. Er hätte sich in geeigneter Weise informieren müssen, ob es rechtens sei, mit dem LKW auch ohne Austausch des Ecotags nach Österreich einzureisen. Es sei daher unerheblich, dass der Beschwerdeführer nicht gewusst habe, das mit dem alte Gerät keine Buchung mehr habe vorgenommen werden können. Es habe auch keine Bedeutung, wenn der Arbeitgeber ausgeführt habe, dass das alte Gerät für ungültig erklärt worden sei.

In diesem Zusammenhang macht der Beschwerdeführer geltend, dass er nach der Aussage des Geschäftsführers der Dienstgeberin nicht habe wissen können, dass die "alte Firma durch die BAG in München" gestrichen worden sei und er hiedurch mit dem alten Gerät nicht mehr registriert gewesen sei. Für die neue Installation habe für ihn somit kein zeitlicher Druck bestanden. Aus der Aussage des Geschäftsführers ergebe sich zwar, dass er als Vertreter der Dienstgeberin dem Beschwerdeführer die Weisung zum Austausch des Ecotags gegeben habe, ihn aber nicht darüber aufgeklärt habe, dass zum Zeitpunkt der Durchführung des verfahrensgegenständlichen Transportes eine ordnungsgemäße Abbuchung von Ökopunkten überhaupt nicht mehr möglich gewesen sei.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Die dem Beschwerdeführer angelastete Tat stellt ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2000, Zl. 2000/03/0354), bei dem der Täter glaubhaft zu machen hat, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Es war daher Sache des Beschuldigten, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht, und sein Vorbringen durch Beibringung von Beweismitteln bzw. durch die Stellung von konkreten Beweisanträgen zu untermauern (vgl. das angeführte Erkenntnis Zl. 2000/03/0354). Anknüpfend an den erwähnten Auftrag des Geschäftsführers hat die belangte Behörde zutreffend angenommen, dass der Beschwerdeführer ab diesem Auftrag nicht mehr mit Grund annehmen habe können, dass er mit dem alten, auszutauschenden Ecotag rechtskonform noch eine Transitfahrt durch Österreich vornehmen dürfte. Er hätte sich jedenfalls in geeigneter Weise darüber informieren müssen, ob er mit dem verfahrensgegenständlichen Lastkraftwagen noch mit dem alten eingebauten Ecotag rechtens nach Österreich einreisen hätte können. Die belangte Behörde hat es daher auch zu Recht für unerheblich erachtet, dass der Beschwerdeführer nicht gewusst habe, dass mit dem alten Ecotag eine Abbuchung von Ökopunkten nicht mehr erfolgen könne.

Es waren daher im vorliegenden Fall auch die Beweisanträge des Beschwerdeführers zur Funktionsweise des Ökopunkte-Systems nicht von Bedeutung. Auch dem behaupteten Umstand, dass bei einer Abfrage des Ökopunkte-Systems immer nur ein solcher Status wiedergegeben werden könne, der 24 Stunden vor dem Zeitpunkt der Abfrage gültig gewesen sei, spielt in dem vorliegenden Fall keine Rolle, da es auch vom Beschwerdeführer unbestritten ist, dass das alte Ecotag im Zeitpunkt seiner Einreise gesperrt gewesen sei.

Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auch in diesem Zusammenhang, dass er das Funktionieren des Ecotags nicht kontrollieren habe können und dass er nicht gewusst habe, dass dieses Gerät gesperrt sei, hat er im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz nicht glaubhaft gemacht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Die vorliegende Verwaltungsübertretung setzt in Verbindung mit § 5 Abs. 1 erster Satz VStG fahrlässiges Handeln des Täters voraus. Fahrlässig handelt, wer einen Sachverhalt verwirklicht, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, zwar ohne dies zu wollen, jedoch unter Außerachtlassung der ihm möglichen Sorgfalt. Objektiv sorgfaltswidrig handelt nach der hg. Judikatur (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1989, VwSlg. Nr. 12.947/A), wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte. In diesem Sinne hätte sich der Beschwerdeführer angesichts des vom Geschäftsführer der Dienstgeberin erteilten Auftrages in Bezug auf den Austausch des in dem betroffenen LKW befindlichen Ecotag in Entsprechung dieser objektiven Sorgfaltspflicht zumindest darüber informieren müssen, ob eine Transitfahrt mit dem alten Ecotag überhaupt noch zulässig ist, was er unterlassen hat. Mangels eines Anhaltspunktes dafür, dass es ihm unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, sich entsprechende Informationen bzw. ein "neues" Ecotag zu beschaffen, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde wegen des nicht geringen Verschuldens des Beschwerdeführers ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG ablehnte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung, BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. Juli 2001

Schlagworte

Allgemein Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000030342.X00

Im RIS seit

27.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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