RS UVS Kärnten 1998/09/04 KUVS-1662/6/97

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Veröffentlicht am 04.09.1998
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Rechtssatz

Ein sogenannter "Unfallschock" kann nur in besonders gelagerten Fällen und bei einer gravierenden psychischen Ausnahmesituation das Unterlassen eines pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigen. Einem dispositionsfähig gebliebenen Unfallsbeteiligten ist trotz eines sogenannten Unfallschocks (manchmal auch als "Unfallschreck" zitiert) in Verbindung mit einer begreiflichen affektiven Erschütterung pflichtgemäßes Verhalten zumutbar, zumal von einem Kraftfahrer, welcher die Risken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter- und Willensstärke zu verlangen ist, daß er den Schock (Schreck) über den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag. Auch ein die Zurechnungsfähigkeit erheblich mindenderer Schockzustand, der aber die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließt, stellt keinen Strafausschließungsgrund im Sinne des § 3 Abs 1 VStG dar. Nach den Erkenntnissen der ärztlichen Wissenschaft kommt ein die Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigender, seelischer Ausnahmezustand infolge eines Verkehrsunfalles infolge Furcht, Bestürzung, Schrecken oder durch den Unfall ausgelöste Verwirrung nur selten vor und erreicht auch selten eines solche Stärke, daß eine die Willensfreiheit ausschließende Bewußtseinstörung eintritt, meist nur bei Vorliegen einer schon vorher bestandenen durch andere Umstände, als das Unfallsgeschehen begründeten Bereitschaft zu Erregungszuständen (Primitivreaktionen), die allerdings durch Alkoholgenuß gesteigert werden können.

Verhaltensweisen hingegen, die ein zielgerichtetes und planvolles Handeln erkennen lassen, sind in der Regel mit einer Panik- und Schrecksituation nicht vereinbar. Ein zielstrebiges Verhalten unmittelbar nach einem Verkehrsunfall spricht gegen einen solchen psychischen Ausnahmezustand. Überdies entspricht es medizinischer Erfahrung, daß ein die Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigender Ausnahmezustand meist schnell abklingt. Der in der ersten chaotischen Verfassung Betroffene ist nach einiger Zeit imstande, sich so weit zu fangen, daß er ganz gleich wie, an der Unfallstelle seinen Verpflichtungen nachzukommen vermag. Nach etwas mehr als einer Stunde, solange dauerte die Amtshandlung vor Ort zumindest, kann nach einem Unfall ein Unfallschock nicht mehr vorliegen.  Liegen im konkreten Fall keine gesicherten und auf eine Zurechnungsunfähigkeit hindeutende Sachverhaltselemente vor, so daß sich zur Lösung der Frage, ob sich der Berufungswerber auf eine mangelende Dispositionsfähigkeit zu berufen vermag, so ist die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen entbehrlich.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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