RS UVS Oberösterreich 1999/05/11 VwSen-106269/8/Br

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Veröffentlicht am 11.05.1999
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Rechtssatz

Nach § 84 Abs2 StVO 1960 sind außerhalb von Ortsgebieten Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten (dies gilt jedoch nicht für die Nutzung zu Werbezwecken gemäß § 82 Abs3 litf (für die Nutzung der Rückseite von Verkehrszeichen ..)). Eine solche lag hier nicht vor, was jeweils auch zutreffend als negatives Tatbestandsmerkmal in den Spruch der Erstbehörde aufgenommen wurde.

Diesem Wortlaut folgt, dass der Gesetzgeber darauf abstellt, dass sich dieses Verbot auf die Bereiche "innerhalb des Ortsgebietes und dort auf den Bereich innerhalb von 100 Meter vom Fahrbahnrand" erstreckt. Wie von der Erstbehörde so zutreffend wie umfangreich und folgerichtig unter Hinweis auf die Judikatur des VwGH ausgeführt, stellt auf die Positionierung der Werbungen innerhalb und außerhalb des Ortsgebietes im Sinne der Kennzeichnung gemäß § 2 Abs1 Z15 StVO 1960 ab.

Die in Ansätzen angedeutete Auffassung des Berufungswerbers, das "Ortsgebiet" im Sinne des § 84 StVO 1960 sei auch dann gegeben, wenn das Gebiet tatsächlich verbaut bzw. eine Widmung hiefür erteilt worden sei, ist verfehlt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 8.5.1979, Slg Nr 9831/A, ausgeführt, dass das Ortsgebiet im Sinne des § 84 Abs2 StVO 1960 durch die Bestimmung des § 2 Abs1 Z15 StVO 1960 festgelegt wird. Demnach ist unter Ortsgebiet das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen "Ortstafel" (§ 53 Z17a) und "Ortsende" (§ 53 Z17b) zu verstehen. Entscheidend dafür, dass Werbungen bzw. Ankündigungen vom Verbot des § 84 Abs2 StVO 1960 umfasst sind, ist daher deren Anbringung an Straßen, die zu einem Straßennetz gehören, das außerhalb eines von den genannten Hinweiszeichen umschlossenen Gebietes liegt, innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand, unabhängig davon, ob der Anbringungsort geographisch noch zum Orts- od. Stadtgebiet gehört (vgl ua VwGH vom 20.1.1988, Zl. 87/03/0181, mit weiterem Judikaturhinweis). Vom Berufungswerber wird weder bestritten, dass die gegenständlichen Tafeln weniger als 100 m vom Fahrbahnrand gelegen sind, noch dass sie innerhalb eines Bereiches zwischen den genannten Hinweiszeichen gelegen wären.

Gemäß § 84 Abs3 StVO 1960 hat die Behörde Ausnahmen von dem im Abs2 enthaltenen Verbot zu bewilligen, wenn das Vorhaben einem vordringlichen Bedürfnis der Straßenbenützer dient oder für diese immerhin von erheblichem Interesse ist und vom Vorhaben eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs nicht zu erwarten ist (VwGH 21.9.1994, 94/03/0082).

Das Verbot des § 84 Abs2 StVO bezieht sich nach seinem klaren Wortlaut auf die Werbung und Ankündigungen.

Werbung und Werbeträger stellen bei aufgeklebten Plakaten keine untrennbare Einheit dar (vgl. VwGH Slg 14119 A/1994).

Im Hinblick auf die Berichtigung der Tatzeit hinsichtlich eines Tatvorwurfes war auf die im erstbehördlichen Verfahren in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23.10.1998 zutreffend vorgeworfenen Tatzeit hinzuweisen, worin eine dem § 44a VStG taugliche Verfolgungshandlung zu erblicken ist. Daher konnte in diesem Punkt noch im Berufungsverfahren mit einer Berichtigung des erstbehördlichen Spruches vorgegangen werden.

Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass diese Gesetzesbestimmung der Vermeidung von Ablenkung der Verkehrsteilnehmer vom Straßenverkehr dient. Damit will der Gesetzgeber wohl ein abstraktes Gefährdungspotential hintanhalten.

Dennoch vermag dieser Kategorie von Delikten etwa im Vergleich von aktiven Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern - als Lenker von Fahrzeugen - ein bloß geringerer objektiver Unwertgehalt zugedacht werden. Ankündigungen am Straßenrand - welchen Inhaltes auch immer - lassen realistisch besehen die Disposition eines Verkehrsteilnehmers doch weitestgehend unberührt. Es gibt auch keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass diese zusätzlichen "abstrakten Ablenkungspotentiale" wie es auch Werbungen darstellen, einen Einfluss auf Unfallsgeschehen nehmen.

In Relation dazu muss daher auch das Strafsanktionsausmaß gesetzt werden. Aus diesem Grunde vermögen drei einschlägige Vormerkungen noch keine Ausschöpfung des Strafrahmens im Ausmaß von über zwei Drittel des Höchststrafsatzes rechtfertigen. In diesem Punkt kann den erstbehördlichen Überlegungen zur Strafzumessung daher nicht gänzlich gefolgt werden. Nach § 33 Z2 StGB ist es ein Straferschwerungsgrund, wenn der Täter schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist. Zutreffend ist die Erstbehörde hier von drei einschlägigen Vormerkungen ausgegangen. Sollte die Behörde jedoch von der Begehung einer größeren Zahl einzelner gleichartiger Delikte, wobei bereits jedes einzelne Plakat mit dem ein bestimmtes Produkt beworben wird eine gesonderte Tathandlung bildet, ausgegangen sein und damit das ?hohe Strafausmaß? gerechtfertigt erachtet haben, muss dem entgegengehalten werden, dass gleichartige Delikte nur dann straferschwerend gewertet werden dürfen, wenn diese zum Zeitpunkt der Begehung der (jeweils) neuen Straftat bereits rechtskräftig waren (vgl VwGH 29.12.1986, 86/10/0132, 0146, VwGH 15.12.1987, 86/04/0122, sowie VwGH 26.6.1989, 88/12/0172 ua). Die sechs bzw elf zwischenzeitig gleichartigen hier anhängigen Verfahren waren zum Zeitpunkt der jeweiligen (weiteren) Plakatierungen und somit jeweils (für sich besehen) ?neuen? Tatbegehungen noch nicht rechtskräftig. Sie gelangten vielmehr fast gleichzeitig bei der Erstbehörde zur Anzeige. Es war daher jeweils bloß auf die Rechtskraft dreier einschlägiger Vorstrafen abzustellen gewesen. Zu vermeiden gilt es insbesondere durch die mit dieser Begehungsart typisch vorzunehmenden Kumulation - nämlich jedes einzelnen produktbezogenen Plakates als einzelne Werbung und somit jedes für sich strafbar - exorbitant hohe und der Sachlichkeit entbehrende Strafen (wie hier mit insgesamt elf Plakaten (=Delikten) über 100.000 S).

Bemerkt sei auch die hier erfolgte ausdrückliche Einschränkung des Tatvorwurfes auf immer nur einen Tag, wenngleich aus dem Hinweis "zumindest" und in Verbindung mit empirischen Betrachtungen davon ausgegangen werden kann, dass Plakatwerbungen vertragsspezifisch längerdauernd in der Figur des Dauerdeliktes die gesetzlich verpönte Wirkung entfalten.

Schlagworte
Tatunwert, Tatschuld, Aufmerksamkeit, Ablenkung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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