RS UVS Oberösterreich 1999/05/31 VwSen-340017/2/Br

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Veröffentlicht am 31.05.1999
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Rechtssatz

Gemäß Art.4 des 7 ZPEMRK darf niemand "wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz oder dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden" (ne bis in idem). Der Begriff "strafrechtliche Anklage" im Sinne des Art.5 EMRK erstreckt sich nach herrschender Rechtsansicht nicht nur auf gerichtliche, sondern auch iSd Urteils des EGMR Gradinger/A, 23.10.1995, A/328-C, auf verwaltungsstrafrechtlich strafbare Handlungen.

Nach § 93 lit.q Oö. Jagdgesetz begeht eine Verwaltungsübertretung, wer den Bestimmungen des § 59 über das Fangen und Vergiften von Wild zuwiderhandelt. Letztere Bestimmung beinhaltet in dessen Abs.3 eine Verordnungsermächtigung. Der § 2 der Fallenverordnung zum Oö. JagdG, LGBl. Nr. 1986/1992, zuletzt geändert durch LGBl. Nr.16/1998, regelt die grundsätzlichen Vorschriften hinsichtlich des Aufstellens von Fallen, während § 3 ausführt, daß auf das Vorhandensein von Fallen durch Anbringung von Warnzeichen aufmerksam zu machen ist, die von jedermann leicht wahrgenommen und als solche erkannt werden können.

Jede Falle ist durch ein Warnzeichen, das höchstens 3 m von der Falle entfernt sein darf, zu kennzeichnen... (Abs.2 leg.cit).

Schon dem klaren Wortlaut dieser Rechtsvorschrift ist abzuleiten, daß Schutzziel dieser Vorschrift die Vermeidung von Verletzungen und Gefährdungen von Menschen ist. Diesem Schutzziel wurde hier, wie gerichtlich auch festgestellt, zweifelsfrei zuwidergehandelt und die Folge dieser (Tat-)Handlung war die zur gerichtlichen Verurteilung führende Verletzung eines Kindes. Daher bildet die hier zur Verurteilung führende Tat nicht bloß einen wesentlichen Aspekt, sondern liegen dieser vielmehr keine unterschiedliche gesetzes- und rechtspolitische Erwägungen zum jeweiligen Tatbestand zu Grunde. Die Delikte (die den § 88 Abs.1 StGB bedingende Schutznorm als Gerichts- und Verwaltungsdelikt) sind inhaltlich in ihren Tatbestandsmerkmalen voneinander nicht unterscheidbar (vgl. dazu Giese, Newsletter 6/97). Im Lichte des Erkenntnisses des VfGH v. 5.12.1996, G9/96 u.a., widerspricht eine Regelung, wonach durch eine Tat (conduct) mehrere Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz), wohl grundsätzlich noch nicht dem Doppelbestrafungsverbot des Art.4 Abs.1 des

7. ZPEMRK. Die verfassungsrechtliche Grenze, die Art.4 Abs1 leg.cit. einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung zieht, erblickt der Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis darin, "daß eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig ist, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodaß ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfaßt" (VfGH 11.3.1998, G262/97,G328/97; mit Hinweis auf Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, 6. A., 1996, 245).

Der vom Gericht beurteilte und wohl zweifelsfrei tateinheitliche Sachverhalt (based on the same conduct) wurde hier von der Verwaltungsbehörde abermals zum Gegenstand einer Bestrafung gemacht, obwohl hier das Schutz- und Sanktionsziel bereits von der gerichtlichen Verurteilung gänzlich umfaßt erblickt werden muß. Daher ist in verfassungskonformer Auslegung des Art.4 Abs.1 7.ZPEMRK dieser bereits vom Gericht beurteilte Sachverhalt von der Sperrwirkung der strafgerichtlichen Entscheidung hier erfaßt zu sehen (VfSlg. 12469/1990, 13336/1993, 13805/1994, VfGH 7.10.1996, V67/96; siehe auch Kucsko-Stadlmayer, Das "Gradinger-Urteil" des EGMR, Ecolex 1996, S.50, sowie auch den Bericht der EKMR vom 9. April 1997, Beschwerde 22541/93, Bernhard Marte und Walter Achberger gegen Österreich, Newsletter 1997, 211 f und abermals Giese in NL 6/97; eine Verletzung von Art.4 des 7. ZPEMRK wurde in der letztzitierten Entscheidung schon bejaht, weil "(d)en strafrechtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilungen ein weitgehend identer Sachverhalt zugrundelag (der zeitlich wohl auseinanderlag), sodaß die Bf. - in bezug auf das Verwaltungsstrafverfahren - wegen einer strafbaren Handlung, wegen der sie bereits rechtskräftig verurteilt worden waren, erneut bestraft wurden." Auch der Tenor des Urteils des EGMR - Oliveira gg. Schweiz, v. 30.Juli 1998, 84/1997/868/1080 - welches die gesonderte Verfolgung der in Tateinheit begangenen Verletzung verschiedener Rechtsgüter durch (zwei) verschiedene Strafverfolgungsbehörden wohl nicht (mehr) grundsätzlich ausschließt (Pkt. 27 "the penalties were not cumulative, the lesser being absorbed by the greater), zwingt hier jedoch wegen der tatbestandsmäßigen Identität - der bereits vom Gericht bestraften Tat - zum Ausschluß der Verfolgung auch noch durch die Verwaltungsbehörde.

Damit ist der Berufungswerber mit seinem diesbezüglichen Berufungsvorbringen vollinhaltlich im Recht. Seine darüber hinausgehenden Rechtsausführungen können somit auf sich bewenden. Unbeachtlich ist ebenso, daß in das Oö. Jagdgesetz eine Subsidiaritätsklausel nicht aufgenommen ist (Pesendorfer/Rechberger, Das Oö. Jagdrecht, S174 Rz. 1). Das Straferkenntnis war daher wegen des Verstoßes gegen den im Verfassungsrang stehenden Grundsatz des Verbotes der Doppelbestrafung - ne bis in idem - aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.2 VStG letzter Fall einzustellen.

Schlagworte
Doppelbestrafungsverbot, Aspekt, Straftatbestand
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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