TE Vwgh Erkenntnis 2001/8/7 96/14/0118

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Veröffentlicht am 07.08.2001
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §131 Abs1 Z2;
BAO §163;
BAO §184 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der J. Handels Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in 6460 Imst, Dr. Pfeiffenberger Straße 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 19. Juni 1996, Zl. 70.154-7/96, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1990 bis 1992, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH betreibt einen Handel mit Eisen und Metallwaren sowie mit Kunststoffen aller Art. Im Zuge einer die Veranlagungsjahre 1990 bis 1992 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer u.a. fest, dass die Ausgangsrechnungen unvollständig (erfasst) seien. Auf Grund dieser Aufzeichnungsmängel wurden die Verfahren betreffend Umsatzsteuer wieder aufgenommen und den erklärten Umsätzen Sicherheitszuschläge im Ausmaß von S 69.000,-- (1,5 % vom Umsatz) für 1990, S 52.000,-- (1,5 % vom Umsatz) für 1991 und S 65.000,-- (1 % vom Umsatz) für 1992 zugerechnet.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen die Sachbescheide Berufung und brachte darin im Wesentlichen vor, die Ausgangsrechnungen seien in der Buchhaltung vollständig erfasst. Die nicht durchlaufende Nummerierung der Fakturen sei darin begründet, dass die Nummerierung lediglich aus dem Gedanken heraus erfolgt sei, den überwiegend öffentlichen Auftraggebern zum Datum der Rechnung auch eine numerische Bezeichnung zur Erleichterung des Zahlungsverkehres der Behörde an die Hand zu geben. Eine firmeninterne Bedeutung habe die Nummerierung nicht. Die Buchführung sei ordnungsgemäß, sodass keine Schätzungsberechtigung bestehe.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung schloss die Beschwerdeführerin ihrem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz eine Mengenrechnung an. Darin wird das gesamte Handelswarensortiment der Beschwerdeführerin in "Einheiten" umgerechnet und unter Berücksichtigung der Inventurbestände zum 31. Dezember 1989 bzw. 1992 aufgezeigt, dass sich die laut Eingangsrechnungen eingekauften Einheiten und die laut vorhandener Ausgangsrechnungen verkauften Einheiten im Wesentlichen decken. Trotz der fehlenden 11 Fakturennummern in den drei Prüfungsjahren ergebe sich aus der angestellten Mengenrechnung somit die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Eine vollständige und zeitgerechte Dokumentation der aufzeichnungspflichtigen Sachverhalte unter Einhaltung der Formvorschriften des § 131 BAO liege nicht vor. Die Beschwerdeführerin sei der Forderung nach zeitgerechter Erfassung jedes Geschäftsvorfalles nicht nachgekommen. So sei über eine am 5. Juni 1990 durch Abholung erfolgte Lieferung erst mit 28. Dezember 1990 Rechnung gelegt worden und eine am 15. Oktober 1991 durchgeführte Lieferung verspätet mit Rechnung vom 6. März 1992 bei den Verkaufserlösen des Jahres 1992 erfasst worden. Zeitfolgemäßig unrichtige Eintragungen in den Grundaufzeichnungen ließen die Buchhaltung mangelhaft erscheinen. Zur Führung von Büchern Verpflichtete hätten alle Geschäftsfälle - seien sie bar oder unbar - bereits im Zeitpunkt des Entstehens unter Beachtung der maßgeblichen gesetzlichen Kriterien laufend auf Bestandskonten zu erfassen. Für die formale und sachliche Richtigkeit der Buchführung bilde der Buchungsbeleg ein Grunderfordernis. Jeder Geschäftsvorfall müsse von seiner Entstehung über den Beleg bis zu seiner Verbuchung bzw. Aufzeichnung verfolgbar sein. Eine Überprüfung der Eintragung müsse problemlos erfolgen können. Dazu sei eine Belegorganisation bestehend aus einem Belegnummerierungssystem und einem Belegablagesystem erforderlich. Die Beleg-Nummer habe die Aufgabe, den Geschäftsfall in seiner zeitlichen Reihenfolge zu fixieren, ihn zu identifizieren und damit die spätere Auffindbarkeit in der Belegablage zu ermöglichen. Die Beschwerdeführerin habe unbestrittenermaßen die für die Jahre 1990 bis 1992 ausgestellten Ausgangsfakturen mit Rechnungsnummern versehen (1990: Rechnungs-Nr 2210 bis 2250; 1991: Rechnungs-Nr 2311 bis 2366; 1992: Rechnungs-Nr 2411 bis 2471). Auch wenn die Beschwerdeführerin sich auf Grund der vorgelegten Mengenrechnung (die nur geringe kalkulatorische Differenzen ergebe) auf die sachliche Richtigkeit der Bücher berufe, könnten damit die formellen Mängel der Aufzeichnungen nicht in dem Maße aufgeklärt werden, dass die Gewähr für die vollständige Erfassung aller Geschäftsvorfälle gegeben sei. Die in der Schlussbesprechung abgegebene Erklärung, es würden Nummern nicht vergeben, wenn derselbe Kunde innerhalb eines kurzen Zeitraumes einen weiteren Auftrag erteile, um ihm keinen Einblick in die Auftragssituation des Unternehmens zu verschaffen, könne an Hand der vorliegenden Ausgangsrechnungen nicht annähernd nachvollzogen werden. Die Beschwerdeführerin habe in einem Jahr durchschnittlich bis zu 51 Ausgangsfakturen an Kunden ausgestellt. Ein Teil der Nummern fehle nicht zwischen Abrechnungen mit denselben Kunden. Darüber hinaus sei aus den Unterlagen auch ersichtlich, dass die Rechnungs-Nummern nicht in aufsteigender Reihenfolge vergeben worden seien. Das von der Beschwerdeführerin angewandte "System" der Belegerfassung sei nach Ansicht der belangten Behörde ungeeignet, die Vollständigkeit der Belegsammlung zu gewährleisten. Da die Erlösverbuchung nur an Hand der vorliegenden Rechnungen erfolge, bestehe auf Grund der fehlenden "Rechnungs-Nummern" (7,097 % der gesamten Ausgangsrechnungen) keine Gewähr dafür, dass die Erlöse tatsächlich vollständig erfasst worden seien. Die Festsetzung der Sicherheitszuschläge sei demnach zu Recht erfolgt.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 163 BAO haben Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 131 entsprechen, die Vermutung ordnungsgemäßer Führung für sich und sind der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen, wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.

Gemäß § 184 Abs. 3 BAO sind die Grundlagen für die Abgabenerhebung u.a. dann zu schätzen, wenn die Bücher oder Aufzeichnungen solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Die beschwerdeführende GmbH bestreitet das Vorliegen solcher Mängel mit dem Vorbringen, sie habe der Abgabenbehörde wiederholt die Gründe für "die Methodik der Nummerierung" dargelegt. Durch die Nummerierung sollte den Auftraggebern (lediglich) die Erfassung in deren Büchern erleichtert werden. Gleichzeitig sollte den Auftraggebern jedoch der Einblick in die Gebarung der Beschwerdeführerin dadurch verwehrt werden, dass bei zeitlich versetzten Bestellungen ein und desselben Kunden nicht zwei aufeinander folgende Rechnungs-Nummern vergeben wurden. Die durchschnittliche Zeitspanne zwischen Lieferung und Rechnungslegung habe im Jahr 1990 ca. 9 Tage, im Jahr 1991 7,28 Tage betragen. Eine zeitgerechte Erfassung der Erlöse liege demnach vor. Die von der belangten Behörde gerügte nicht zeitgerechte Erfassung der Erlösbuchung vom 28. Dezember 1990 sei darauf zurückzuführen, dass der Kunde die Ware zunächst als Prekarium zur Verfügung gestellt erhalten habe. Die Ware sei erst fakturiert worden, nachdem deren Verwendung festgestanden sei. Die Erlösbuchung vom 6. März 1992 (über eine im Jahr 1991 erfolgte Lieferung) sei "zeitgerecht" durch den Ansatz eines "Rechnungsabgrenzungspostens" erfolgt.

Gemäß § 131 Z. 2 BAO in der für die Streitjahre geltenden Fassung sollen die Eintragungen der Zeitfolge nach geordnet, vollständig, richtig und zeitgerecht vorgenommen werden. Die Vornahme von Eintragungen für einen Kalendermonat in die für Zwecke der Erhebung der Abgaben von Umsatz, Einkommen und Ertrag, ausgenommen Abzugssteuern, zu führenden Bücher und Aufzeichnungen ist zeitgerecht, wenn sie spätestens einen Monat und 10 Tage nach Ablauf des Kalendermonats erfolgt.

Das Kriterium der Ordnungsmäßigkeit ist nicht mit einer bestimmten Buchführungsmethode oder einer bestimmten Organisation, einem bestimmten System oder einer bestimmten Technik des Erfassens und Festhaltens der Geschäftsvorfälle verbunden. Entscheidend ist, dass eine vollständige und zeitgerechte Dokumentation der aufzeichnungspflichtigen Sachverhalte unter Einhaltung der den von den Formvorschriften des § 131 BAO getragenen Prinzipien entsprechenden Grundsätze erfolgt. Die Eintragungen haben auf Grund von Belegen zu erfolgen. Die geschäftlichen Unterlagen hiefür sind planvoll gesammelt aufzubewahren. Es müssen sämtliche Geschäftsvorfälle der zeitlichen Reihenfolge nach in zeitlicher Nähe zu ihrer Ereignung mit ihrem richtigen und erkennbaren Inhalt festgehalten werden. Der Gebotenheit der Zeitnähe und dem Prinzip der Belegsicherung dienen die Grundaufzeichnungen, die ihrer Beschaffenheit und Führung nach gewährleisten müssen, von der späteren Buchung bis zum Beleg zurück die Geschäftsvorfälle feststellen zu können (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, Seite 1456 f).

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die behördliche Feststellung, wonach sie die Geschäftsvorfälle mit ihren Kunden ausschließlich an Hand der Ausgangsfakturen erfasst hat. Sie bestreitet auch nicht, dass die Ausgangsrechnungen grundsätzlich fortlaufend nummeriert wurden, einzelne Rechnungs-Nummern jedoch in der Beleg-Sammlung und (folglich) auf den Erlöskonten fehlen. Wie bei einer derartigen Erfassung der Geschäftsfälle kontrollierbar gewährleistet ist, dass alle Belege (Ausgangsrechnungen) einer Verbuchung auf den entsprechenden Erlöskonten zugeführt werden, hat die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbar aufgezeigt. Eine Unterscheidung zwischen Beleg-Nummern, die nicht vergeben wurden, und solchen, die zwar vergeben in der Folge jedoch abhanden gekommen sind, ist nicht möglich. Dass solcherart die Gefahr besteht, dass Betriebseinnahmen steuerlich unerfasst bleiben, liegt auf der Hand.

Davon abgesehen ist es der Beschwerdeführerin aber auch nicht gelungen, das Fehlen von Rechnungsnummern mit dem Aufeinanderfolgen von Abrechnungen gegenüber denselben Geschäftspartnern zu erklären. Aus der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Auflistung der verbuchten Ausgangsrechnungen geht vielmehr hervor, dass die belangte Behörde zu Recht die Feststellung getroffen hat, Rechnungs-Nummern fehlten auch zwischen Abrechnungen mit verschiedenen Auftraggebern.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, sie habe die sachliche Richtigkeit ihrer allenfalls formell mangelhaften Aufzeichnungen an Hand einer Mengenrechnung dargetan. Die belangte Behörde habe die ihr vorgelegte Mengenrechnung nicht beanstandet und selbst eingeräumt, dass sich demnach nur geringfügige kalkulatorische Differenzen ergeben. Damit sei die vollständige Erfassung aller Geschäftsfälle gewährleistet. Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass eine Mengenrechnung geeignet sein kann, die sachliche Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen unter Beweis zu stellen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass einerseits der Wareneinkauf vollständig erfasst wurde und andererseits der Abgabepflichtige keine anderen Erlöse erzielt als solche aus dem Umsatz der eingekauften Handelswaren. Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren (und auch vor dem Verwaltungsgerichtshof) nicht aufgezeigt hat, dass die vollständige Erfassung des Wareneinsatzes als gewiss vorausgesetzt werden kann, trifft letztere Voraussetzung jedenfalls nicht zu (vgl. beispielweise die Rechnung Nr. 2354/91 über die leihweise Beistellung von Einbaugeräten). Wenn die belangte Behörde der von der Beschwerdeführerin angestellten Mengenrechnung daher keine Beweiskraft zur sachlichen Richtigkeit der mangelhaften Aufzeichnungen beigemessen hat, kann dies im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Gegen die Höhe der von der belangten Behörde berücksichtigen Sicherheitszuschläge führt die Beschwerdeführerin nichts ins Treffen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch in diesem Zusammenhang keine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin zu erkennen.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. August 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1996140118.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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