RS UVS Kärnten 2000/06/21 KUVS-204/9/2000

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 21.06.2000
beobachten
merken
Rechtssatz

Nach dem Urteil des EGMR vom 23.10.1995 widerspricht eine gesetzliche Strafdrohung dann dem Artikel 4 des 7. ZPEMRK, wenn sie den wesentlichen Gesichtspunkt eines Straftatbestandes, der bereits Teil eines von den Strafgerichten zu ahndenden Straftatbestandes ist, neuerlich einer Beurteilung und Bestrafung durch die Verwaltungsbehörden unterwirft, wonach eine Verletzung von Artikel 4 des 7. ZPEMRK bejaht wurde, weil "den strafrechtlichen und verwaltungsstrafrechtlichen Verurteilungen ...."ein weitgehend identer Sachverhalt zugrunde lag, sodass die Beschwerdeführer - in  Bezug auf das Verwaltungsstrafverfahren - wegen einer strafbaren Handlung, wegen der sie bereits rechtskräftig verurteilt worden waren, erneut bestraft wurden". Im Gegensatz zu § 1 Abs. 1 LGBl. 74/77 ist die Beleidigung des § 115 Abs. 1 StGB ein Angriff auf die Ehre eines anderen durch die Kundgabe von Nicht-, Gering- oder Missachtung zu verstehen. Die Ehre stellt ein komplexes Rechtsgut dar, das sowohl den inneren Wert eines Menschen, als auch sein Ansehen in den Augen anderer umfasst. Rechtsgut des § 115 Abs. 1 StGB ist letztlich der sittliche, personale und soziale Geltungswert und der daraus folgende Achtungsanspruch von Einzelpersonen. Schutzzweck des § 1 Abs. 1 LGBl. 74/77 sind die in der Öffentlichkeit zu beachtenden Pflichten bzw. Formen des äußeren Verhaltens, wobei, wie im vorliegenden Fall, eine Formulierung in der Öffentlichkeit gefallen ist, die als schwerer Verstoß gegen die Schicklichkeit erscheint und auch in einer demokratischen Gesellschaft nicht hingenommen werden muss. Das geordnete "Miteinander" ist gefährdet. Es sind daher die wesentlichen Gesichtspunkte der gesetzlichen Strafdrohungen nach § 115 Abs. 1 StGB bzw. § 1 Abs. 1 LGBl. 74/1977 nicht ident.

Schlagworte
Doppelbestrafung, Gerichtsstrafe, Verwaltungsstrafe, Straftatbestand, Ehre, Ehreangriff, Schutzzweck, Schicklichkeit, Öffentlichkeit, Pflichten, Anstand, Ehrenbeleidigung, Anstandsverletzung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten