TE Vwgh Beschluss 2001/8/17 AW 2001/03/0022

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Veröffentlicht am 17.08.2001
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E13103020;
E3L E13206000;
E3R E13206000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

31997L0033 Telekommunikationsmarkt-RL Anh1 Abschn1;
31998L0010 ONP-RL Anwendung;
32000R2887 Teilnehmeranschluss entbündelter Zugang Art1 Abs1;
32000R2887 Teilnehmeranschluss entbündelter Zugang Art3 Abs2;
32000R2887 Teilnehmeranschluss entbündelter Zugang Art4 Abs5;
32000R2887 Teilnehmeranschluss entbündelter Zugang Erwägungsgrund10;
EURallg;
TKG 1997 §1;
TKG 1997 §111 Z6;
TKG 1997 §32;
TKG 1997 §37 Abs1;
TKG ZusammenschaltungsV 1998 §5;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der D AG in Wien, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, der gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 12. März 2001, Zl. Z 15/00-69, betreffend Anordnung eines entbündelnden Netzzuganges (mitbeteiligte Partei: E AG, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde gemäß § 2 Abs. 4 der Zusammenschaltungsverordnung, BGBl. II Nr. 14/1998 iVm §§ 37, 40 und 41 Abs. 3, 111 Z. 6 des Telekommunikationsgesetzes (TKG), BGBl. I Nr. 100/1997 idF des Budgetbegleitgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 26, iVm der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelnden Zugang zum Teilnehmeranschluss, ABl L 336 vom 30. Dezember 2000, S 4 bis 8, den entbündelnden Netzzugang der mitbeteiligten Partei zu den Teilnehmeranschlussleitungen des öffentlichen Telekommunikationsnetzes der Beschwerdeführerin zu den im Spruchpunkt A genannten Bedingungen an (näher geregelt in einer Reihe von Anhängen zum Spruchpunkt A). Diese Anordnung enthält in diesem Zusammenhang insbesondere Regelungen über die Nutzung von Teilnehmeranschlussleitungen der Beschwerdeführerin bzw. von deren Teilabschnitten durch die mitbeteiligte Partei einschließlich des physischen Zuganges zu Teilen der Teilnehmeranschlussleitungen bzw. zu relevanten Schaltstellen und zum Hauptverteiler der Beschwerdeführerin, Regelungen über die Bestellung, Bereitstellung und Kündigung von in dieser Anordnung geregelten Leistungen, Auskunfts- und Informationspflichten, sowie Bestimmungen über Entgelte und Zahlungsmodalitäten einschließlich der Verpflichtung zu Pönalleistungen (in der Form von jeweils täglich zahlbaren Pönalen) für den Fall des Verzugs bzw. der Verletzung der Bestimmungen der Anordnung. Diesem Bescheid liegt ein Antrag der mitbeteiligten Partei zugrunde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Gleichzeitig beantragte die Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Aus ihrer Sicht seien keinerlei zwingende Interessen im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG ersichtlich, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen stehen könnten, zumal die Wettbewerber den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung bis zur endgültigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend den Bedingungen der Entbündelungsanordnung der belangten Behörde Zl. Z. 1/99 über den entbündelnden Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in Anspruch nehmen könnten. Aber auch aus wettbewerbspolitischer Hinsicht seien zwingende öffentliche Interessen nicht zu erkennen, insbesondere könnten Endkunden die Leistungen alternativer Netzbetreiber auch durch die jeweils in hohem Maße in Anspruch genommene Verbindungsnetzbetreiberauswahl beziehen. Ein sofortiger Vollzug des angefochtenen Bescheides würde für die Beschwerdeführerin aber einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG begründen, müsse sie doch ihre Teilnehmeranschlussleitungen und Teilabschnitte davon zu Preisen anbieten, die weit unter ihren tatsächlichen Kosten lägen, was "massive Vermögenseinbußen in 2 bis 3-stelliger Millionenhöhe bedeuten" würde "(abhängig von der Anzahl der tatsächlichen entbündelten Teilnehmeranschlussleitungen)". Überdies müsse die Beschwerdeführerin einen Teil ihrer Infrastruktur kostenlos vermieten, was weitere Einbußen in Höhe von S 30 Millionen pro Jahr bei einer Entbündelung von 10.000 Teilnehmeranschlussleitungen bedeuten würde. Der angefochtene Bescheid lege der Beschwerdeführerin ferner "unzählige weitere ganz spezifische Handlungsverpflichtungen" auf, die sie (auch) zur Verwirklichung eines physischen Zustands in der Außenwelt (z.B.: Errichtung von Kollokationsräumen, Kollokationsersatzlösungen) verpflichten würde, der sich nach einer etwaigen Aufhebung des angefochtenen Bescheides "sinnvoll nicht wieder beseitigen" ließe. Im Detail verweist die Beschwerdeführerin unter anderem auf die Verpflichtung der Gewährung des Zugangs zu ihrem Hauptverteiler, der Einrichtung von Standardkollokationsräumen entsprechend der Bestellungen der mitbeteiligten Partei, dem Vorsehen eines begehbaren Outdoor Containers als Kollokationsersatz auf dem von der Beschwerdeführerin benutzten Grundstück, auf die Ermöglichung umfangreicher Pönalleistungen, welche für sich alleine eine unzumutbare Belastung der Beschwerdeführerin (insbesondere im Hinblick auf das ihr nach dem Bescheid zustehende Entgelt) bedeuten würden, auf die Verpflichtung der Beschwerdeführerin, Teile ihrer Infrastruktur zu Preisen an ihre Mitbewerber zu vermieten, die weit unter ihren Kosten lägen, und schließlich auf ihre Verpflichtung zur kostenlosen Vermietung von Teilabschnitten der Teilnehmeranschlussleitung, was einer entschädigungslosen Enteignung gleichzusetzen sei. Ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung müsste die Beschwerdeführerin daher besonders weite Eingriffe in ihr Eigentum zulassen. Bei Abwägung aller Interessen erweise sich, dass der Erfolg der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Bescheidprüfungsverfahren ohne aufschiebende Wirkung "zu spät käme", darüber hinaus bewirke der sofortige Vollzugs des Bescheides jedenfalls eine nachhaltige Wettbewerbsverzerrung.

3. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag der beschwerdeführenden Partei die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, soweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für die beschwerdeführende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen (vgl. den hg. Beschluss vom 3. Juli 2000, Zl. AW 2000/03/0036, mwH).

4. In ihrer Stellungnahme vom 18. Juni 2001 zu dem eingangs genannten Antrag tritt die belangte Behörde den diesen Antrag stützenden Ausführungen der beschwerdeführenden Partei - insbesondere unter Hinweis auf die Rechtslage nach dem Gemeinschaftsrecht - im einzelnen entgegen. Gleiches gilt für die Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom 21. Juni 2001.

5. In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass es sich bei der beschwerdeführenden Partei um einen Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf den Märkten für das Erbringen eines öffentlichen Sprachtelefondienstes bzw. eines öffentlichen Mietleistungsdienstes jeweils mittels eines selbst betriebenen Netzes bzw. auf dem Zusammenschaltungsmarkt handle, der der Europäischen Kommission als Betreiber mit beträchtlichem Marktanteil im Sinn des Anhangs I Abschnitt 1 der Richtlinie 97/33/EG bzw. der Richtlinie 98/10/EG gemeldet wurde, und diese daher die Verpflichtung des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 zur Gewährung des entbündeltes Zugangs zu ihren Teilnehmeranschlüssen und zugehörigen Einrichtungen bzw. gemäß § 37 Abs. 1 TKG auf Gewährung von Netzzugang und Zusammenschaltung treffe. Die mitbeteiligte Partei sei als nicht marktbeherrschend auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines festen Telekommunikationsnetzes sowie auf dem Mietleitungsmarkt anzusehen. Die Darlegung der Kosten der Teilnehmeranschlussleitungen sowie der sonstigen verfahrensrelevanten Kosten der Beschwerdeführerin für sonstige Leistungen ergebe sich aus den schlüssigen Gutachten der namentlich genannten Amtsachverständigen, die Ermittlung der Höhe des Kapitalkostenzinssatzes "(WACC - durchschnittlich gewichtete Kapitalkosten nach Körperschaftssteuer)" unter der Berücksichtigung der Besonderheiten des Telekommunikationsmarktes beruhe auf dem überzeugenden Ergänzungsgutachten der Amtsachverständigen und dem ebenfalls überzeugenden Gutachten eines namentlich genannten nichtamtlichen Sachverständigen. Die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zum Angebot physischer Kollokation ergebe sich dem Grundsatz nach aus Art. 3 Abs. 2 leg. cit. sowie § 5 der Zusammenschaltungsverordnung. Nach Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 soll ferner bei Nichteinhaltung von Bearbeitungsfristen durch "gemeldete Betreiber" (somit auch durch die Beschwerdeführerin) Begünstigten das Recht auf eine Entschädigung zustehen, weiters sehe der Anhang der besagten Verordnung als Mindestbestandteil des vom "gemeldeten Betreiber" zu veröffentlichenden Standardangebotes für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss vor, dass übliche Lieferbedingungen bei Nichteinhaltung von Bearbeitungsfristen auch etwaige Entschädigungen einschließen würde.

Die vorstehenden Annahmen sind nicht von vornherein als unzutreffend zu erkennen. Die die Telekommunikation regelnden Rechtsvorschriften haben den Zweck, das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes für Telekommunikationsdienstleistungen durch Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbes zu gewährleisten (vgl. insbesondere §§ 1 und 32 TKG). Nach dem Erwägungsteil der genannten Verordnung Nr. 2887/2000 soll diese die bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften in der Weise ergänzen, dass für größeren Wettbewerb, wirtschaftliche Effizienz und größtmöglichen Nutzen für die Nutzer gesorgt und somit für alle Bürger ein Universaldienst und ein erschwinglicher Zugang gewährleistet wird, zumal das Ortsanschlussnetz nach wie vor eines der Segmente des liberalisierten Telekommunikationsmarktes ist, in denen der geringste Wettbewerb herrscht; der Europäische Rat in Feira am 20. Juni 2000 hat den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung als eine "kurzfristige Priorität" herausgestellt. Nach Art. 1 Abs. 1 der genannten Verordnung bezweckt diese eine Intensivierung des Wettbewerbs und die Förderung technologischer Innovation auf dem Markt für Teilnehmeranschlüsse; hiezu werden harmonisierte Bedingungen für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss festgelegt, um so die wettbewerbsorientierte Bereitstellung einer breiten Palette von Diensten im Bereich der elektronischen Kommunikation zu begünstigen. Gemäß Art. 3 Abs. 2 der besagten Richtlinie geben "gemeldete Betreiber" ab dem 31. Dezember 2000 angemessenen Anträgen von Begünstigten auf entbündelten Zugang zu ihren Teilnehmeranschlüssen und zu zugehörigen Einrichtungen unter transparenten, fairen und nichtdiskriminierenden Bedingungen statt. Eine Ablehnung ist nur aufgrund objektiver Kriterien möglich, die sich auf die technische Machbarkeit oder die notwendige Aufrechterhaltung der Netzintegrität beziehen. Wenn der Zugang verweigert wird, kann die beschwerte Partei das in Art. 4 Abs. 5 dieser Verordnung genannte Streitbeilegungsverfahren in Anspruch nehmen. Gemeldete Betreiber stellen für Begünstigte Einrichtungen bereit, die denen gleichwertig sind, die sie für ihre eigenen Dienste oder für ihre verbundenen Unternehmen bereitstellen, und zwar zu denselben Bedingungen und innerhalb desselben Zeitrahmens. Gemäß Art. 4 Abs. 5 der zitierten Verordnung kommen bei Streitigkeiten zwischen Unternehmen über die in dieser Verordnung geregelten Angelegenheiten die im Einklang mit der Richtlinie 97/33/EG festgelegten einzelstaatlichen Streitbeilegungsverfahren zur Anwendung, wobei die Behandlung der Streitigkeiten rasch, fair und transparent erfolgt.

Daraus ist abzuleiten, dass die mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Regelungen betreffend den entbündelnden Netzzugang der mitbeteiligten Partei zu den Teilnehmeranschlussleitungen des öffentlichen Telekommunikationsnetzes der Beschwerdeführerin im öffentlichen Interesse liegt; dies ist im Hinblick auf die Wichtigkeit solcher Maßnahmen für die Herstellung eines funktionsfähigen Marktes als zwingend im Sinn des § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG anzusehen. Es steht im Beschwerdefall der Zuerkennung der beantragten aufschiebenden Wirkung entgegen (vgl. in diesem Sinn etwa den hg. Beschluss vom 12. September 2000, Zl. AW 2000/03/0052).

6. In einem solchen Fall ist eine Interessenabwägung nicht vorzunehmen.

7. Dem Aufschiebungsantrag war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 17. August 2001

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Zwingende öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:AW2001030022.A00

Im RIS seit

27.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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