TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/3 2001/10/0107

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Veröffentlicht am 03.09.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

BeitragsO RAK Stmk 1999;
B-VG Art133 Z4;
DSt Rechtsanwälte 1990 §19 Abs3 Z1 litd;
DSt Rechtsanwälte 1990 §59;
DSt Rechtsanwälte 1990 §63;
DSt Rechtsanwälte 1990 §64;
DSt Rechtsanwälte 1990 §72 Abs1;
RAO 1868 §22 Abs1;
RAO 1868 §27 Abs1 litd;
RAO 1868 §27 Abs2;
RAO 1868 §51;
Satzung Versorgungseinrichtung RAK Stmk 1997 TeilB §12;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. G in Graz, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 27. März 2001, Zl. 2000/0462, betreffend Kammerbeiträge, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Beschluss des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 19 Abs. 3 Z. 1 lit. d DST 1990 die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorläufig untersagt.

Mit Beschluss des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 30. September 1998 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste der Rechtsanwälte ausgesprochen.

Mit Erkenntnis vom 27. September 1999 wies die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) die vom Beschwerdeführer gegen das erwähnte Erkenntnis des Disziplinarrates erhobene Berufung ab.

Mit Schreiben vom 28. September 1999 gab der Beschwerdeführer dem Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer unter Hinweis auf § 72 DSt 1990 bekannt, dass er gegen das Erkenntnis der OBDK vom 27. September 1999 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erheben und diese Beschwerde mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbinden werde. In der Folge erhob der Beschwerdeführer gegen das Erkenntnis der OBDK Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden war. Hievon verständigte er den Ausschuss der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer durch Übersendung einer Gleichschrift.

Mit Erkenntnis vom 21. Juni 2000 wies der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde ab; über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erging keine gesonderte Entscheidung.

Mit Bescheid vom 1. März 2001 schrieb die Abteilung 3 des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer dem Beschwerdeführer die im Zeitraum Oktober 1999 bis Juni 2000 an die Rechtsanwaltskammer zu leistenden Beiträge vor.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung. Er verwies darauf, dass er im fraglichen Zeitraum den Rechtsanwaltsberuf nicht habe ausüben dürfen. Es habe daher keine Beitragspflicht bestanden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab das Plenum des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer der Vorstellung nicht Folge. Unter Hinweis auf § 72 DSt 1990 vertrat die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges die Auffassung, im Hinblick auf den Nachweis der mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbundenen Beschwerdeführung vor dem Verfassungsgerichtshof sei die Streichung des Beschwerdeführers aus der Liste der Rechtsanwälte erst nach dem Ergehen des abweisenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes in Vollzug gesetzt worden. Bis dahin sei der Beschwerdeführer ein in die Liste der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer eingetragener Rechtsanwalt gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde vertritt die Auffassung, die Rechtswirkungen des die Streichung von der Liste der Rechtsanwälte anordnenden Erkenntnisses der OBDK seien im Hinblick darauf, dass der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde abgewiesen habe, "ex tunc" eingetreten. Ab dem 27. September 1999 habe daher keine Beitragspflicht bestanden. § 72 DSt 1990 regle lediglich die Rechtsfolgen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und der Aufhebung der Entscheidung der OBDK durch den Verfassungsgerichtshof. Hingegen spiele es keine Rolle, wie lange der Beschwerdeführer tatsächlich in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen gewesen sei. Im vorliegenden Fall habe der Verfassungsgerichtshof über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entschieden und die Beschwerde abgewiesen. Die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte hätte daher "immer nur mit den Rechtswirkungen ex tunc stattfinden können".

Damit ist die Beschwerde nicht im Recht.

Nach § 27 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 RAO in Verbindung mit den Beitragsordnungen der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (vgl. AnwBl. 1999, 34) sowie § 51 RAO iVm § 12 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (vgl. AnwBl. 1997, 920, 922) knüpft die Pflicht, Kammerbeiträge bzw. Beiträge zur Versorgungseinrichtung zu entrichten, an die Eigenschaft als Rechtsanwalt bzw. die Kammermitgliedschaft (die Standeszugehörigkeit) an. Dem Stand der Rechtsanwälte gehören all jene an, die in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 1978, 1652/75, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1999, B 251/99). Die Entscheidung hängt im Beschwerdefall somit von der Lösung der Frage ab, ob dem Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum (Oktober 1999 bis Juni 2000) die Eigenschaft als in die Liste eingetragener Rechtsanwalt (und damit auch als Mitglied der Rechtsanwaltskammer) zukam.

Die einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 19 Abs. 3 Z. 1 lit. d DSt 1990 beendete die Eigenschaft als Rechtsanwalt (und damit die Beitragspflicht) nicht. Entscheidend ist im vorliegenden Fall somit, ob die Wirkungen der - den Verlust der Eigenschaft als Rechtsanwalt und damit als Mitglied der Rechtsanwaltskammer bedeutenden - Streichung von der Liste, wie der Beschwerdeführer meint, bereits mit der Verkündung des Erkenntnisses der OBDK eingetreten sind.

Die OBDK ist als Kollegialbehörde im Sinne des Art. 133 Z. 4 B-VG eingerichtet. Die Wirkungen ihrer Entscheidungen treten (grundsätzlich) mit ihrer Erlassung ein.

§ 72 DSt 1990 regelt einen Fall der Aufschiebung des Vollzuges einer Entscheidung der OBDK, die die Streichung von der Liste der Rechtsanwälte anordnet. Die Vorschrift lautet:

"§ 72. (1) Ist über einen Rechtsanwalt rechtskräftig die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste oder der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft verhängt worden, erklärt er innerhalb von drei Tagen nach der Verkündung des Disziplinarerkenntnisses durch die oberste Berufungs- und Disziplinarkommission schriftlich gegenüber dem zum Vollzug zuständigen Ausschuss der Rechtsanwaltskammer, dass er dagegen Beschwerde nach Art. 144 Abs. 1 B-VG, verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, erheben werde, und weist er in der Folge die rechtzeitige Erhebung der Beschwerde durch Übersendung einer Gleichschrift an den Ausschuss nach, so darf das Erkenntnis erst vollzogen werden, wenn der Verfassungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung nicht zuerkennt oder das Beschwerdeverfahren beendet ist.

(2) Die oberste Berufungs- und Disziplinarkommission hat den Ausschuss unverzüglich nach Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die aufschiebende Wirkung oder über die Beendigung des Beschwerdeverfahrens zu verständigen.

(3) Eine über den Rechtsanwalt verhängte einstweilige Maßnahme bleibt im Fall des Abs. 1 auch über die rechtskräftige Beendigung des Disziplinarverfahrens hinaus solange wirksam, bis das Disziplinarerkenntnis vom Ausschuss vollzogen werden darf.

§ 19 Abs. 4 ist jedoch weiter anzuwenden."

     Die Gesetzesmaterialien (1380 BlgNR XVII. GP) führen dazu

Folgendes aus:

     "Es kann vorkommen, dass die über einen Rechtsanwalt

verhängten Disziplinarstrafen der Streichung von der Liste und der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit allen damit verbundenen Folgen (Bestellung eines mittlerweiligen Stellvertreters, Verlautbarung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung und im Österreichischen Anwaltsblatt) zunächst vollzogen, dann aber wieder rückgängig gemacht werden müssen, weil der Verfassungsgerichtshof einer gegen das Erkenntnis erhobenen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennt. Dies hat vor allem dann nachteilige Folgen für den Rechtsanwalt, wenn der Verfassungsgerichtshof in der Folge der Beschwerde des Rechtsanwalts auch inhaltlich Folge gibt. Um dies und einen damit im Zusammenhang stehenden allfälligen Wettlauf um die Erlangung der aufschiebenden Wirkung zu vermeiden, soll in Hinkunft mit der Vollziehung derartiger Disziplinarerkenntnisse - unter den in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen - vorläufig zugewartet werden."

Es ist (auf der Tatsachenebene) nicht strittig, dass im Beschwerdefall die in § 72 Abs. 1 leg. cit. normierten Voraussetzungen der Aufschiebung des Vollzuges vorlagen. Die Wirkungen eines solchen Aufschubes enden nach § 72 Abs. 1 DSt 1990 mit der Erlassung eines Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes, mit dem der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen wird ("wenn der Verfassungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung nicht zuerkennt"), andernfalls mit der Beendigung des Beschwerdeverfahrens. Der erstgenannte Endigungsgrund lag im Beschwerdefall nicht vor, weil keine abgesonderte (abweisende) Entscheidung über den Aufschiebungsantrag erging. Die gemäß § 72 Abs. 1 DSt 1990 bewirkte Aufschiebung des Vollzuges endete im vorliegenden Fall somit mit der Beendigung des Beschwerdeverfahrens durch die Erlassung des (abweisenden) Erkenntnisses vom 27. Juni 2000. Es ist auch nicht strittig, dass der Ausschuss mit dem Vollzug der Streichung des Beschwerdeführers von der Liste der Rechtsanwälte auch tatsächlich bis nach der Erlassung des abweisenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes zuwartete. Bis zum Vollzug der Streichung dauerte die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Stand der Rechtsanwälte und damit seine Beitragspflicht an.

Die Beschwerde vertritt im Ergebnis die Auffassung, dass im Beschwerdefall im Hinblick auf die Abweisung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof die Wirkungen der Streichung des Beschwerdeführers von der Liste der Rechtsanwälte bereits mit der Verkündung der Entscheidung der OBDK eintraten, weil § 72 DSt 1990 hier nicht anwendbar gewesen wäre. Die Vorschrift regle nämlich lediglich den Fall, dass einer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt oder der Beschwerde stattgegeben werde.

Darin ist der Beschwerde nicht zu folgen. Voraussetzung des Aufschubes des Vollzuges der Streichung von der Liste ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die fristgerechte Bekanntgabe der Absicht, gegen die Entscheidung der OBDK eine mit einem Aufschiebungsantrag verbundene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben, und der nachfolgende Nachweis der Beschwerdeerhebung. Diese Voraussetzungen lagen vor; dem entsprechend kam es zur Aufschiebung des Vollzuges.

Von diesen Voraussetzungen der Aufschiebung zu unterscheiden sind die in derselben Gesetzesstelle genannten Gründe für die Beendigung der Aufschiebung ("wenn der Verfassungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung nicht zuerkennt oder das Beschwerdeverfahren beendet ist"). Im Beschwerdefall endete, wie bereits dargelegt wurde, die Aufschiebung des Vollzuges mit dem abweisenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Der Umstand, dass die Rechtskraft der Entscheidung der OBDK mit ihrer Erlassung eintrat, und die Entscheidung auch durch den Verfassungsgerichtshof nicht aufgehoben wurde, vermag nichts daran zu ändern, dass der Eintritt der Wirkungen dieses Erkenntnisses der OBDK gemäß § 72 Abs. 1 DSt 1990 während der Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens suspendiert und die Standeszugehörigkeit des Beschwerdeführers während dieses Zeitraumes somit gegeben waren. An der Beitragspflicht ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum wegen der gegen ihn verhängten vorläufigen Maßnahme an der Ausübung der Berechtigung gehindert war, weil die Beitragspflicht allein an die Standeszugehörigkeit anknüpft.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 3. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001100107.X00

Im RIS seit

06.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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