RS UVS Tirol 2003/07/28 2003/23/161-5

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 28.07.2003
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Rechtssatz

Die vorläufige Beschlagnahme der beiden Säcke mit Chips greift in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf Unversehrtheit seines Eigentums gem Art 5 StGG ein. Sie bildet eine Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, die gem Art 129a Abs1 B-VG iVm § 67a AVG beim Unabhängigen Verwaltungssenat angefochten werden kann (VfSlg. 8815/1980, 9403/1982). Die Beschwerde ist daher insoweit zulässig.

 

Der durch die vorläufige Beschlagnahme erfolgte Eingriff in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers wäre nur dann verfassungswidrig, wenn die Beschlagnahme ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde (das behördliche Hilfsorgan) das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorliegt, wenn die Behörde (das behördliche Hilfsorgan) einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (VfGH vom 12.3.1988, SlgNr 11650).

 

Die belangte Behörde rechtfertigt ihr Vorgehen damit, dass der Beschwerdeführer unter dem dringenden Verdacht stünde Verwaltungsübertretungen nach dem Glückspielgesetz und dem Veranstaltungsgesetz begangen zu haben und dafür gem § 52 Glückspielgesetz bzw § 31 Tir Veranstaltungsgesetz auch der Verfall der "Gegenstände, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde?, vorgesehen sei. Wegen Gefahr im Verzuge (Gefahr der Fortsetzung der strafbaren Handlungen) seien die Chips gem § 39 Abs 2 VStG vorläufig beschlagnahmt worden.

 

Gemäß § 39 Abs 1 VStG kann die Behörde, wenn der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vorliegt, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen.

Gemäß § 39 Abs 2 VStG können bei Gefahr in Verzug auch die Organe der öffentlichen Aufsicht aus eigener Macht solche Gegenstände vorläufig in Beschlag nehmen. Sie haben darüber dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen und der Behörde die Anzeige zu erstatten.

 

?Gefahr im Verzug? im Sinne des § 39 Abs 2 VStG ist gegeben, wenn für den Fall der Nichtbeschlagnahme die Fortsetzung der strafbaren Handlung wahrscheinlich ist oder eine Verbringung der Gegenstände, für die der Verfall als Strafe vorgesehen ist, und damit der Entzug vor dem Zugriff der Behörde verhindert werden soll. Auch eine Verdunklungsgefahr vermag die Gefahr im Verzug zu rechtfertigen (VwGH vom 22.1.1997, Zl 94/03/0290).

 

Wie bereits der Wortlaut des § 39 Abs 2 VStG zeigt, bildet die Beschlagnahme durch Organe der öffentlichen Aufsicht lediglich eine "vorläufige" Maßnahme. Da die Beschlagnahme selbst gem § 39 Abs 1 VStG von der zuständigen Behörde durch Bescheid anzuordnen ist, hat die Behörde über die von ihrem Hilfsorgan "aus eigener Macht" (§ 39 Abs 2 VStG) vorläufig in Beschlag genommenen Gegenstände unverzüglich bescheidmäßig abzusprechen (Männlicher, Das Verwaltungsverfahren, 1964, 422; Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 1987, 307) oder die beschlagnahmten Gegenstände zurückzustellen. Solange die Behörde die Beschlagnahme weder durch Bescheid bestätigt noch die beschlagnahmten Gegenstände tatsächlich zurückgegeben hat, liegt eine die gesamte Dauer der Beschlagnahme umfassende Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor, die als solche vom Unabhängigen Verwaltungssenat darauf zu untersuchen ist, ob sie mangels einer gesetzlichen Grundlage oder wegen einer der Gesetzlosigkeit gleichzuhaltenden Denkunmöglichkeit der Gesetzesanwendung in das Eigentumsrecht eingreift (vgl auch VfSlg. 9099/1981; VfGH vom 4.10.1980, B625/78 und vom 12.6.1986, B906/84).

 

Auf Grund der vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass die belangte Behörde spätestens am nächstfolgenden Werktag - dies wäre Montag, 7.7.2003 - in der Lage gewesen wäre, durch Bescheid die Beschlagnahme der Chips auszusprechen, oder diese zurückzustellen. Aus dem Inhalt des vorgelegten Aktes ist nämlich zu ersehen, dass sich die belangte Behörde in diesem Zeitpunkt über ihre weitere Vorgangsweise bereits im Klaren war, zumal sie bereits am 3.6.2003 ein Strafverfahren gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer auf Grund einer Übertretung nach § 25 Abs 1 Z 4 Tir Veranstaltungsgesetz einleitete. Demgemäß stand die dennoch über diesen Zeitpunkt hinaus andauernde, bescheidmäßig nicht gedeckte Beschlagnahme der Chips in Widerspruch zu § 39 VStG 1950.

 

Die über den 7. Juli 2003 hinaus andauernde, lediglich auf § 39 Abs 2 VStG 1950 gegründete Beschlagnahme war daher gemäß § 67c AVG als rechtswidrig zu erklären und ? da den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen ist, dass die vorläufige Beschlagnahme etwa bereits beendet worden wäre ? durch unmittelbare Ausfolgung der beiden Säcke mit Chips aufzuheben, die Beschwerde aber im übrigen als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte
Organe, öffentlichen Aufsicht, vorläufige Maßnahme, Beschlagnahme, bescheidmäßig nicht gedeckte
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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