TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/11 2001/21/0061

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Veröffentlicht am 11.09.2001
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1002;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des Z in F, geboren am 23. August 1974, vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 12. Oktober 2000, Zl. Fr-4250a-18/00, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in Angelegenheit Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ab.

Sie ging dabei von folgendem mit dem Beschwerdevorbringen übereinstimmenden Sachverhalt aus:

Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 2. März 2000 ein auf sechs Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dieser Bescheid wurde durch Hinterlegung am 7. März 2000 zugestellt. Am 14. März 2000 erteilte der Beschwerdeführer seiner Lebensgefährtin den Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid fristgerecht die durch einen Rechtsanwalt zu verfassende Berufung erhoben werde. Die (österreichische) Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ist auf Grund eines Missverständnisses bzw. Irrtums davon ausgegangen, dass der Bescheid erst am 14. März 2000 zugestellt worden sei. Sie vereinbarte mit dem Rechtsanwalt einen Besprechungstermin am 23. März 2000. Anlässlich dieser Besprechung stellte sich über Rückfrage des Rechtsanwalts heraus, dass der genannte Bescheid bereits am 7. März 2000 durch Hinterlegung zugestellt worden war.

Am 5. April 2000 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Die Abweisung dieses Antrages begründete die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen damit, dass durch die Annahme des Auftrages des Beschwerdeführers zwischen diesem und seiner Lebensgefährtin ein Auftragsverhältnis im Sinn der §§ 1002 ff ABGB zustande gekommen sei. Die durch die Zusicherung der Erfüllung des diesbezüglichen Auftrages übernommene Verpflichtung zur Vornahme einer Rechtshandlung (nämlich die fristgerechte Beauftragung eines von der Lebensgefährtin auszuwählenden Rechtsanwaltes und nicht bloß die Überbringung einer Erklärung) schließe es aus, die Lebensgefährtin im Gegensatz zum Vorbringen des Beschwerdeführers als Botin zu qualifizieren. Daraus ergebe sich, dass das allfällige Verschulden der Lebensgefährtin dem Machthaber zuzurechnen sei. Sie hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass der Bescheid erst am 14. März 2000 zugestellt worden sei, sondern hätte sich selbst über die Dauer der Berufungsfrist zu informieren gehabt. Diese Unterlassung stelle ein keineswegs nur als Versehen minderen Grades zu wertendes Verschulden dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorerst beim Verfassungsgerichtshof (B 2302/00) erhobene und nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene Beschwerde nach Vorlage der (unvollständigen) Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 2000/18/0032) trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und dem Vertreter höchstens ein minderer Grad des Versehens vorzuwerfen ist. Ein Verschulden, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt in dieser Weise außer Acht gelassen haben. Hingegen ist ein zur Versäumung einer Frist führendes Verschulden eines Boten nicht der Partei selbst anzulasten, doch liegt diesfalls ein unverschuldetes Ereignis nur dann vor, wenn die Partei der zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungspflicht nachgekommen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2001, Zl. 2001/21/0045).

Die Beschwerde wendet sich in erster Linie gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Erhebung der Berufung als Vertreterin des Beschwerdeführers und nicht als seine Botin aufgetreten sei.

Dieser Einwand ist verfehlt. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen beauftragte der Beschwerdeführer seine Lebensgefährtin, für die fristgerechte Erhebung einer Berufung durch einen Rechtsanwalt zu sorgen. Dieser Auftrag geht über die bloße Weitergabe von Erklärungen (Aufgabe eines Boten; vgl. Strasser in Rummel, ABGB2, Rz. 53 zu § 1002) hinaus und umfasste die Pflicht und auch die Vollmacht, einen Rechtsanwalt mit der Einbringung der Berufung zu beauftragen. Zweifelsfrei trat somit die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers als dessen Vertreterin auf (vgl. den hg. Beschluss vom 21. Februar 2001, Zl. 98/09/0355, und das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0520), deren Verschulden - wie dargelegt - dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist. Auf die Vernachlässigung der zumutbaren und gebotenen Überwachungspflicht kommt es daher entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht an.

Nicht zielführend ist der Beschwerdehinweis auf das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1984, Zl. 83/11/0143, weil das Vorliegen eines die Fristeinhaltung hindernden Ereignisses unbestritten ist. Zu beurteilen bleibt aber, ob die Vertreterin des Beschwerdeführers und somit diesen selbst an der Versäumung ein Verschulden trifft. Diesbezüglich stellt die fehlerhafte Berechnung der Rechtsmittelfrist - für die der Vertreter verantwortlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1990, Zl. 89/03/0254) - zweifellos ein grobes Verschulden dar. Jedenfalls wurden keine eine grobe Fahrlässigkeit ausschließenden Umstände vorgebracht, aus denen die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers darauf vertrauen durfte, dass der anzufechtende Bescheid tatsächlich erst am 14. März 2000 zugestellt worden wäre. Die demzufolge anzunehmende grobe Fahrlässigkeit der Vertreterin des Beschwerdeführers schließt - wie von der belangten Behörde richtig erkannt - eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Ersatz des Vorlageaufwandes kam nicht in Betracht, weil die Verwaltungsakten unvollständig vorgelegt wurden und weder den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers noch den angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid enthalten ( vgl. Dolp, Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 689).

Wien, am 11. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001210061.X00

Im RIS seit

21.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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