RS UVS Oberösterreich 2004/05/18 VwSen-550138/4/Kl/Pe

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 18.05.2004
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Verwaltungsgerichtshofbeschwerde anhängig Rechtssatz

Gemäß § 1 des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes, LGBl. Nr.153/2002 regelt dieses Landesgesetz die Nachprüfung von Entscheidungen, die von einem öffentlichen Auftraggeber bzw. einer öffentlichen Auftraggeberin im Zuge einer Auftragsvergabe, die dem Bundesvergabegesetz 2002 (BVergG) unterliegt, getroffen wurden.

Gemäß § 2 Abs.1 leg.cit obliegt die Nachprüfung von Entscheidungen dem unabhängigen Verwaltungssenat und ist dieser nach § 2 Abs.5 leg.cit nach dem Widerruf einer Ausschreibung zuständig festzustellen, ob der Widerruf wegen eines Verstoßes gegen das BVergG rechtswidrig war.

Die Marktgemeinde B ist öffentliche Auftraggeberin. Der gegenständlich ausgeschriebene Auftrag über die Sammlung und Abfuhr der im Gemeindegebiet B anfallenden Hausabfälle und sperrigen Abfälle ist ein Dienstleistungsauftrag im Unterschwellenbereich. Der Oö. Verwaltungssenat ist zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufes zuständig und es ist der entsprechende Antrag gemäß § 8 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz zulässig.

5.2. Gemäß § 105 Abs.1 Bundesvergabegesetz 2002 - BVergG ist nach Ablauf der Angebotsfrist die Ausschreibung zu widerrufen, wenn Umstände bekannt werden, die, wären sie schon vor der Ausschreibung bekannt gewesen, eine Ausschreibung ausgeschlossen oder zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung geführt hätten.

Vom Widerruf der Ausschreibung sind die Bieter unverzüglich unter Bekanntgabe des Grundes zu verständigen (§ 105 Abs.4 BVergG).

Wie aus dem festgestellten Sachverhalt hervorgeht, liegt der gegenständlichen Ausschreibung die Kündigung der Vereinbarung über die Sammlung und Abfuhr von Hausabfällen und sperrigen Abfällen vom 19.9.1996 zugrunde. Gegen diese Kündigung hat sich das Abfallabfuhrunternehmen G als Vertragspartner unter Hinweis auf Punkt XV. der Vereinbarung ausgesprochen und hat auch die Gemeindeaufsichtsbehörde in ihrer Stellungnahme vom 24.2.2004 unter Hinweis auf den Punkt XV. des Vertrages unter Zugrundelegung des § 914 ABGB dargelegt, dass es zu keiner Kündigung bzw. keiner Auflösung des Vertrages kommen kann, wenn keine wichtigen Kündigungsgründe vorliegen. Innerhalb der vereinbarten Dauer kann die Vereinbarung von jedem der Partner nur aus wichtigen Gründen bis zum Ende eines Kalendermonats unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist mittels eingeschriebenen Briefs aufgekündigt werden. Wichtige Gründe sind demonstrativ in Punkt XVI. des Vertrages angeführt. Wenn somit ein wichtiger Grund vorliegt, ist die Gemeinde berechtigt, den Vertrag aufzukündigen. Ob ein solcher Kündigungsgrund oder sonstiger wichtiger Grund vorliegt, kann aber aufgrund des vorliegenden Sachverhalts nicht abschließend beurteilt werden.

Es hat daher die Auftraggeberin in ihrer Gemeinderatssitzung vom 16.3.2004 ebenfalls einen solchen wichtigen Kündigungsgrund als nicht vorliegend befunden und daher im Grunde des Punktes XV. der Vereinbarung erkannt, dass eine Vertragskündigung nicht möglich ist. Es wurde daher in dieser Gemeinderatssitzung der Widerruf der Ausschreibung beschlossen.

Dieser Vorgehensweise der Auftraggeberin ist keine Rechtswidrigkeit anzulasten. Vielmehr ist der Mangel des Kündigungsgrundes bzw. der Mangel einer Kündigungsmöglichkeit ohne wichtigen Grund und daher die Beendigung eines aufrechten Vertragsverhältnisses Hindernis für den Abschluss eines neuen Vertrages. Dies stellt einen Umstand dar, welcher, wäre er schon vor der Ausschreibung bekannt gewesen, eine Ausschreibung ausgeschlossen hätte. Es ist daher klar ein zwingender Widerrufsgrund gemäß § 105 Abs.1 erste Alternative BVergG gegeben. Der Antragstellering ist zwar beizupflichten, dass die Vertragsbestimmung objektiv unverändert blieb, allerdings ist ein Irrtum der Auftraggeberin bei der Auslegung dieses Vertragspunktes und die spätere Erkenntnis über diesen Irrtum und die Unmöglichkeit der Vertragsauflösung ebenfalls ein Umstand, der einen zwingenden Widerrufsgrund darstellt, zumal es zu keiner Ausschreibung gekommen wäre, wenn die Auftraggeberin dieser irrtümlichen Vertragsauslegung nicht erlegen gewesen wäre. Es haftet daher dem gegenständlichen Widerruf keine Rechtswidrigkeit an. Aus diesem Grunde war daher der gegenständliche Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufes abzuweisen.

Wenn hingegen die Antragstellerin geltend macht, dass in der Verständigung über den Widerruf die Gründe nicht angeführt wurden, sondern nur allgemein die gesetzliche Vorschrift zitiert wurde, so ist sie diesbezüglich im Recht, weil nach § 105 Abs.4 BVergG die Bieter unverzüglich unter Bekanntgabe des Grundes vom Widerruf der Ausschreibung zu verständigen sind. Dieser Bestimmung hat die Auftraggeberin nicht entsprochen. Es liegt diesbezüglich eine Gesetzesverletzung und daher eine Rechtswidrigkeit vor.

Gemäß § 14 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz hat der unabhängige Verwaltungssenat nach erfolgtem Widerruf einer Ausschreibung unter den Voraussetzungen des § 13 Abs.1 lediglich festzustellen, ob der behauptete Rechtsverstoß vorliegt oder nicht. Voraussetzungen des § 13 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz sind aber, dass die Entscheidung im Widerspruch zu Bestimmungen des BVergG oder der hiezu erlassenen Verordnungen steht und für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

Im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen war daher die Nichtanführung des konkreten zwingenden Widerrufsgrundes zwar eine Rechtswidrigkeit, allerdings hat diese Rechtswidrigkeit keinen Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens, zumal der zwingende Widerrufsgrund, dass bei Kenntnis die Ausschreibung ausgeschlossen wäre, jedenfalls gegeben war.

5.3. Der Antrag auf Aufhebung bzw. Nichtigerklärung des Widerrufes war hingegen als unzulässig zurückzuweisen, weil gemäß § 2 Abs.5 und § 14 Abs.1 Oö. Vergabenachprüfungsgesetz der Oö. Verwaltungssenat lediglich zur Feststellung der Rechtswidrigkeit zuständig ist. Eine Ermächtigung zur Aufhebung bzw. Nichtigerklärung eines Widerrufes wird im Oö. Vergabenachprüfungsgesetz nicht erteilt.

Wenn sich hingegen die Antragstellerin auf die Rechtsmittelrichtlinie bzw. Gemeinschaftsrecht beruft, so ist ihr entgegenzuhalten, dass Gemeinschaftsrecht und daher im konkreten Fall die Rechtsmittelrichtlinie und die Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie nur für den Oberschwellenbereich herangezogen werden können. Für Aufträge im Unterschwellenbereich, wie es der gegenständliche Auftrag darstellt, kann Gemeinschaftsrecht nicht herangezogen werden. Es kann sich daher die Antragstellerin insbesondere auf die Rechtsmittelrichtlinie und den darin gefassten Grundsatz, dass jede Entscheidung eines öffentlichen Auftraggebers anfechtbar sein muss (vgl. EuGH vom 18.6.2002, RSC-92/00, Hospital Ingenieure), nicht berufen. Vielmehr ist für den Unterschwellenbereich nur der nationale Gesetzgeber verantwortlich, welcher - wie oben ausgeführt - eine Nichtigerklärung des Widerrufes nicht vorgesehen hat. Die von der Antragstellerin zitierte Literatur und Judikatur hingegen bezieht sich auf Auftragsvergaben im Oberschwellenbereich, welche die Beachtung von Gemeinschaftsrecht erfordern. Das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes betrifft darüber hinaus nicht einen zwingenden Widerrufsgrund, sondern den in § 105 Abs.3 BVergG vorgesehenen ex lege Widerruf.

Schlagworte
Unterschwellenbereich, Widerruf, zwingender Grund, kein wichtiger Grund für eine Vertragskündigung, Irrtum
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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