RS UVS Oberösterreich 2005/07/27 VwSen-550210/16/Kl/Pe

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Veröffentlicht am 27.07.2005
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Rechtssatz

Die Gemeinde A ist öffentliche Auftraggeberin im Sinn des § 7 Abs.1 Z1 BVergG bzw. des § 1 Abs.2 Z1 Oö. VNPG. Der Auftragswert der Lieferung überschreitet den Schwellenwert von 236.000 Euro bei Lieferaufträgen im Sinn des § 9 Abs.1 Z2 BVergG.

Gemäß § 2 BVergG sind Lieferaufträge entgeltliche Aufträge, deren Vertragsgegenstand der Kauf, das Leasing, die Miete, ... von Waren ist.

Gemäß § 12 Abs.1 Z1 BVergG berechnet sich der geschätzte Auftragswert bei Lieferaufträgen bei Leasing bei befristeten Verträgen aus dem Gesamtbetrag der während der Vertragsdauer voraussichtlich zu leistenden Entgelte.

Aus Angebot und Auftragsschreiben der Firma XX geht ein Kaufpreis von 485.000 Euro netto hervor.

Aus dem in den Feststellungen dargelegten Leasingvertrag errechnet sich unzweifelhaft ein 236.000 Euro übersteigender Betrag.

Dabei haben die vorgelegten Unterlagen und das Verhandlungsergebnis unzweifelhaft gezeigt, dass nach der Intension der Auftraggeberin und dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der Vorgehensweise nicht die Beschaffung des Fahrzeuges bzw. in weiterer Folge des Vorführfahrzeuges durch Miete oder Leasing (Mietkauf) erfolgen sollte, sondern ein direkter Erwerb vom Produzenten beabsichtigt war, wobei zur Beschaffung des Entgeltes für diesen Kauf zum Zwecke der Vorfinanzierung der erst nachträglich eintreffenden Fördermittel als Finanzdienstleistung ein "Leasingvertrag" abgeschlossen wurde. Diese Finanzierungsleistung ist nicht Gegenstand des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens. Gemäß § 4 Abs.1 Z1 Oö. VNPG kann ein Unternehmer bzw. eine Unternehmerin, der bzw. die ein Interesse am Abschluss eines dem BVergG unterliegenden Vertrages hatte, nach erfolgter Zuschlagserteilung bzw. nach Widerruf einer Ausschreibung, sofern ihm bzw. ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist, beim Unabhängigen Verwaltungssenat die Feststellung beantragen, dass die Wahl der Direktvergabe nicht zu Recht erfolgte.

Gemäß § 2 Abs.4 Oö. VNPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat nach Zuschlagserteilung zuständig festzustellen, ob bei Direktvergaben die Wahl des Vergabeverfahrens zu Recht erfolgte.

Gemäß § 8 Abs.2 Oö. VNPG ist ein Antrag gemäß § 2 Abs.4 unzulässig, wenn er nicht spätestens sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Zuschlages oder ab dem Zeitpunkt, in dem man davon hätte Kenntnis haben können, längstens jedoch innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten, nachdem der Zuschlag erteilt wurde, gestellt wird. Ferner ist ein Antrag gemäß § 2 Abs.4 unzulässig, sofern der behauptete Verstoß im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 3 geltend gemacht hätte werden können (§ 8 Abs.3 Oö. VNPG). Gemäß § 27 Abs.1 Z2 BVergG ist eine Direktvergabe nur zulässig, bei allen übrigen Leistungen, wenn der geschätzte Auftragswert ohne Ust. 20.000 Euro nicht erreicht. Die für die Durchführung eines Verfahrens gemäß Abs.1 maßgeblichen Gründe sind schriftlich festzuhalten. Die bei der Durchführung eines Verfahrens gemäß Abs.1 gegebenenfalls eingeholten Vergleichsangebote sind entsprechend zu dokumentieren (§ 27 Abs.2 BVergG).

Der Nachprüfungsantrag vom 14.4.2005 richtet sich gegen die Wahl des Vergabeverfahrens bei Direktvergabe; der Zuschlag ist glaublich am 30.11.2004 erfolgt.

Zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages:

Die Antragstellerin konnte mit der Darlegung der Beschaffung im vorausgegangenen offenen Verfahren, in welchem die Antragstellerin als Bestbieterin ermittelt wurde, sowohl ihr Interesse am Vertragsabschluss sowie auch ihren Schaden glaubhaft machen. Auch der übrige Antragsinhalt gemäß § 8 Abs.1 Oö. VNPG ist gegeben. Gemäß § 8 Abs.2 Oö. VNPG ist aber der Antrag spätestens sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Zuschlages zu stellen. Aus den vorgelegten Schriftstücken und Unterlagen, insbesondere aus dem Schriftverkehr zwischen Antragstellerin und Auftraggeberin ist aber eine konkrete Zuschlagserteilung nicht ersichtlich. Der Zuschlagszeitpunkt wurde vielmehr erst anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.7.2005 vor dem Oö. Verwaltungssenat ermittelt. Allein aus dem Umstand, dass die Antragstellerin über Gespräche in der Branche von Verhandlungen der Auftraggeberin mit einem Mitbewerber hinsichtlich des Beschaffungsvorganges Kenntnis erlangte, reicht für eine Kenntnis des Zuschlages nicht aus. Gleiches gilt auch für die durchgeführten Erhebungen der Antragstellerin im Internet bezüglich der Anbietung zum Verkauf der alten Drehleiter, woraus geschlossen werden kann, dass eine Neubeschaffung im Gange ist bzw. abgeschlossen ist. Auch daraus ist eine tatsächliche Kenntnis einer Zuschlagserteilung, nämlich eines Vertragsabschlusses, nicht abzuleiten. Auch aus der bekannt gegebenen Tendenz der Auftraggeberseite, ein Vorführfahrzeug des Mitbewerbers zu beschaffen bzw. auch aus dem Ablehnen von weiteren Verhandlungen mit der Antragstellerin, ist noch keine Kenntnis des Zuschlages abzuleiten. Auch steht das Antwortschreiben der Auftraggeberin vom 15.11.2004, wonach "die Anschaffung eines Vorführgerätes eines Mitbewerbers in Form einer Direktvergabe nicht geplant ist", der Kenntnis eines Zuschlages entgegen. Vielmehr wird darin die Ausschreibung einer Leasingfinanzierung bekannt gegeben. Auch die Schreiben vom 8.3. und 12.4.2005 enthalten keine Aussagen über einen Vertragsabschluss. Wie Hahnl, BVergG, Kommentar, Seite 690, E4, ausführt, ist für die Rechtzeitigkeit des Nachprüfungsantrages entscheidend, wann die Antragstellerin Kenntnis vom Zuschlag und Zuschlagsempfänger erlangt hat. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter "Kenntnis" ein Wissen und nicht ein bloßes Vermuten zu verstehen. Unter "Kenntnis" ist volle Gewissheit über die Tatsache des Zuschlages und die Identität des Zuschlagsempfängers zu verstehen, da die Kenntnis dieser Umstände Voraussetzung für das Stellen eines Nachprüfungsantrages ist und ein solches behördliches Verfahren nicht auf Grundlage von Mutmaßungen angestrengt werden kann. Schon im Hinblick auf eine möglicherweise fehlende Vertretungsbefugnis desjenigen, der den Antragsteller bloß fernmündlich informiert, wird ein Bieter grundsätzlich nur aufgrund einer schriftlichen Mitteilung des Auftraggebers, die ihm ausdrücklich Zuschlag und Zuschlagsempfänger mitteilt, volle Gewissheit über diese Umstände erlangen und wird die Frist daher grundsätzlich erst ab einer solchen ausdrücklichen schriftlichen Verständigung über Zuschlag und Zuschlagsempfänger ausgelöst werden. Dieser Auffassung schließt sich auch der Oö. Verwaltungssenat an. Eine schriftliche Mitteilung über Zuschlag und Zuschlagsempfänger behauptet aber nicht einmal die Auftraggeberseite. Auch kann von einer tatsächlichen Gewissheit der Antragstellerin nicht ausgegangen werden. Es ist daher der gegenständliche Antrag jedenfalls rechtzeitig. Eine Unzulässigkeit gemäß § 8 Abs.2 Oö. VNPG ist daher nicht gegeben.

Wenn hingegen von der Auftraggeberin eine Unzulässigkeit des Antrages gemäß § 8 Abs.3 Oö. VNPG eingewendet wird, weil der behauptete Verstoß im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 3 geltend gemacht hätte werden können, so wird diesem Vorbringen entgegen gehalten, dass die gleichen Maßstäbe (siehe vorstehender Absatz) auch vor Zuschlagserteilung zu gelten haben. Wie die Sachverhaltsermittlungen und die öffentliche mündliche Verhandlung aber gezeigt haben, wurde dem Vertreter der Antragstellerin vor dem tatsächlichen Zuschlagszeitpunkt am 30.11.2004 keinesfalls schriftlich aber auch nicht mündlich mitgeteilt, dass eine Beschaffung im Wege der Direktvergabe des gegenständlichen Vorführfahrzeuges erfolgen sollte. Vielmehr wurde anlässlich der "Retter"-Messe Anfang Oktober 2004 nur von einer Tendenz der Beschaffung bei einem Mitbewerber gesprochen, eine definitive Willensbildung wurde aber nicht bekannt gegeben. Auch in dem Schreiben vom 15.11.2004 der Auftraggeberin wird ausdrücklich eine Direktvergabe in Abrede gestellt und gleichzeitig eine Ausschreibung einer Leasingvariante angekündigt. Eine solche Ankündigung schließt aber eine Direktvergabe aus. Auch hier ist nach dem gleichen Maßstab eine bloße Vermutung der Antragstellerin, dass das Vorführfahrzeug trotzdem im Wege der Direktvergabe beschafft werden soll, für eine Antragstellung in einem Nachprüfungsverfahren vor Zuschlagserteilung nicht ausreichend. Es ist daher auch der Grund der Unzulässigkeit nach § 8 Abs.3 Oö. VNPG nicht gegeben.

Der Nachprüfungsantrag ist daher zulässig, er ist auch begründet.

Aus dem Ermittlungsverfahren ist erwiesen, dass hinsichtlich des gegenständlichen Vorführfahrzeuges weder eine Bekanntmachung, noch eine schriftliche Einladung zur Angebotslegung, Ausschreibungsunterlagen, Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung oder Niederschrift über die Gründe für die Wahl des Verfahrens vorliegen. Es hat daher weder ein nicht offenes Verfahren noch ein Verhandlungsverfahren im Sinne des BVergG stattgefunden. Vielmehr wurden im Grunde der Zuschlagsentscheidung vom 15.9.2004 und des Umstandes, dass das beste Angebot das Budget der Auftraggeberin überstieg, umgehend mündliche direkte Verhandlungen mit dem Mitbewerber L-M hinsichtlich des näher bezeichneten Vorführfahrzeuges durchgeführt, welches bereits aus dem vorausgegangenen offenen Vergabeverfahren und der dort stattgefundenen Vorführung der Geräte bekannt war. Weitere Unternehmer wurden zu einer Angebotslegung auch nicht mündlich aufgefordert, auch nicht die Antragstellerin. Es ist daher ohne Zweifel von der Wahl der Direktvergabe für die Beschaffung des Vorführfahrzeuges auszugehen. Der Wert der Leistung liegt weiter über dem Schwellenwert von 20.000 Euro für die Direktvergabe. Der Auftragswert liegt sogar im Oberschwellenbereich, sodass in diesem Bereich von vornherein eine Direktvergabe ausgeschlossen ist. Wenn sich hingegen die Auftraggeberin auf eine Leasingvariante stützt, so ist einerseits aus dem Leasingvertrag ersichtlich, dass auch dieser Vertrag die Grenze von 20.000 Euro überschreitet. Darüber hinaus wird aber auf die vorstehenden Ausführungen hingewiesen, wonach das Fahrzeug eindeutig von der Firma L-M von der Auftraggeberin erworben wurde und nicht von einem Leasingunternehmen (vgl. den Vertrag vom 30.11.2004 und Auftragsbestätigung vom 3.12.2004), die als Leasing ausgeschriebene und vergebene Leistung hingegen stellt eine weiters von der Auftraggeberin eingeholte Finanzdienstleistung dar. Diesbezüglich wurde ja von der Auftraggeberin selbst vorgebracht und dargelegt, dass in einem nicht offenen Verfahren ohne Bekanntmachung die Finanzierung ausgeschrieben und vergeben wurde. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser Vergabe war aber im gegenständlichen Verfahren keine Entscheidung zu treffen. Es wurde daher klar gegen § 27 BVergG verstoßen. Auch gibt es keine schriftlichen Unterlagen, die die maßgeblichen Gründe für die Durchführung dieses Verfahrens darlegen. Selbst bei einer Direktvergabe sind Vergleichsangebote einzuholen. Auch solche haben nicht stattgefunden. Es war daher dem Nachprüfungsantrag Folge zu geben und die Rechtswidrigkeit der Wahl der Direktvergabe festzustellen. Wenn sich hingegen die Auftraggeberin auf die Bestimmung des § 25 Abs.2 Z1 BVergG stützt, wonach Lieferaufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung vergeben werden können, wenn ein durchgeführtes offenes oder nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung kein oder kein im Sinn dieses Bundesgesetzes geeignetes Angebot erbracht hat, die ursprünglichen Bedingungen für den Lieferauftrag nicht grundlegend geändert werden und der Kommission ein Bericht vorgelegt wird, so ist ihr entgegenzuhalten, dass die zitierten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Insbesondere hat das vorausgegangene offene Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung sehr wohl mehrere Angebote erbracht und waren diese Angebote auch "im Sinne dieses Bundesgesetzes geeignete Angebote". Nicht hingegen gefordert ist nach diesem Bundesgesetz, dass die Angebote für die Auftraggeberin nicht geeignet sind. Dies wurde im Vorbringen übersehen. Darüber hinaus ist aber auch wesentlich, dass für den nachfolgenden Auftrag betreffend Vorführfahrzeug die "ursprünglichen Bedingungen für den Lieferauftrag" grundlegend geändert wurden, zumal ein Unterschied ist, ob ein Neufahrzeug oder eben ein Vorführfahrzeug oder ein Gebrauchtfahrzeug beschafft werden soll. Darüber hinaus sind aber auch gemäß § 25 Abs.7 BVergG die für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens maßgeblichen Gründe schriftlich festzuhalten. Auch diesem Umstand wurde nicht Rechnung getragen, sodass schon mangels Nachweisbarkeit der dezidierten Wahl eines Verhandlungsverfahrens die Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens in Zweifel zu ziehen ist. Darüber hinaus aber sind auch in diesem Verhandlungsverfahren eine Einladung an Bieter auszuschicken und Kriterien festzusetzen und die Vergabeentscheidung zu dokumentieren und bekannt zu geben. Auch solche Schritte wurden nicht gesetzt. Ein allein mündliches Vorgehen, auf das sich die Auftraggeberin stützt, reicht nach dem BVergG hiefür nicht aus.

Auch die Ausnahmetatbestände gemäß § 25 Abs.2 Z3 und 4 BVergG liegen nicht vor, zumal die öffentliche mündliche Verhandlung gezeigt hat, dass auch andere Bieter anbieten könnten, allerdings zu einem Angebot nicht eingeladen wurden, und dass rein die Tatsache, dass nur im Jahr 2004 eine besondere Förderaktion des Landes gelaufen ist, keinen solchen dringlichen zwingenden Grund für die Wahl des Verhandlungsverfahrens ohne Bekanntmachung darstellt. Insbesondere liegt die Wahl des Zeitpunktes der Beschaffung in der Sphäre des Auftraggebers und hat er entsprechende Vorsorge für eine rechtzeitige Ausschreibung zu treffen. Dem Nachprüfungsantrag wird Folge gegeben und festgestellt, dass die Wahl der Direktvergabe nicht zu Recht erfolgte.

Schlagworte
Lieferauftrag, Schwellenwert, Direktvergabe, kein Verhandlungsverfahren
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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