TE Vfgh Erkenntnis 1998/10/15 B2761/97

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Veröffentlicht am 15.10.1998
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Index

97 Vergabewesen
97/01 Vergabewesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Richtlinie des Rates vom 18.06.92. 92/50 / EWG, über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentl Dienstleistungsaufträge
AVG §76
ABGB §1294

Leitsatz

Keine willkürliche oder denkunmögliche Entscheidung des Bundesvergabeamtes betreffend die Versagung von Nachprüfungsverfahren bzw hinsichtlich der Gebühren für Sachverständige im Zuge der Vergabekontrolle öffentlicher Aufträge; keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler hinsichtlich Ermittlungsverfahren und Bescheidbegründung

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Das Bundesvergabeamt (BVA) hat der beschwerdeführenden Gesellschaft mit Bescheid vom 17. September 1997 den Ersatz von Barauslagen vorgeschrieben, die ihr durch Heranziehung eines Sachverständigen erwachsen waren, den sie in einem von der beschwerdeführenden Gesellschaft initiierten Nachprüfungsverfahren beigezogen hatte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des Eigentumsrechtes, des Gleichheitsgrundsatzes und des Rechtes auf ein faires Verfahren behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Das BVA legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

a) Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985, 11650/1988) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).

b) Der Bescheid stützt sich auf §76 Abs1 AVG; ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung sind Bedenken weder vorgebracht worden, noch aus Anlaß dieses Verfahrens sonst entstanden. Die beschwerdeführende Gesellschaft wirft der belangten Behörde allerdings vor, Sachverständigengebühren zu Unrecht und in überhöhtem Ausmaß zuerkannt zu haben. Insbesondere habe der Sachverständige seinen Gebührenanspruch verspätet geltend gemacht. Die Frist gemäß §53a Abs2 AVG habe nämlich mit Erstattung des (ergänzenden) Gutachtens des Sachverständigen, und nicht erst mit seiner Teilnahme an einer Beratung des entscheidenden Senats des BVA zu laufen begonnen. Damit werden aber keine in die Verfassungssphäre reichende Fehler geltend gemacht; von einer verfassungswidrigen oder denkunmöglichen Gesetzesanwendung kann keine Rede sein.

Die Behörde hat ihre Entscheidung plausibel und nachvollziehbar begründet. Sie hat die Entscheidung weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt; ob das Verfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde und ob die Entscheidung rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10565/1985, 10659/1985, 12697/1991).

Der Vorwurf schließlich, die belangte Behörde habe ihr keine Gelegenheit gegeben, den Sachverständigen zu befragen, richtet sich nicht gegen das der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorausgegangene Verfahren, sondern gegen das Nachprüfungsverfahren selbst.

c) Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Vergabewesen, Verwaltungsverfahren, Ermittlungsverfahren, EU-Recht Richtlinie, Bescheidbegründung, Kostenersatz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B2761.1997

Dokumentnummer

JFT_10018985_97B02761_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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