TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/19 2000/16/0309

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2001
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
33 Bewertungsrecht;

Norm

BAO §236 Abs1;
BAO §295 Abs1;
BewG 1955 §71 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des K R in G, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. Februar 2000, GZ RV 0462-09/04/98, betreffend Nachsicht von Rechtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erwarb mit Notariatsakt vom 13. Oktober 1993 die gesamten Geschäftsanteile an der C. GmbH im Nominale von S 501.000,-- um den Abtretungspreis von S 300.000,--.

Mit Bescheid des Finanzamtes Wiener Neustadt vom 6. Februar 1990 war der gemeine Wert der Gesellschaftsanteile der C. GmbH zum 1. Jänner 1989 mit S 3.136,-- je S 100,-- Nennkapital festgestellt worden. Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien schrieb dem Beschwerdeführer hierauf mit Bescheid vom 30. Dezember 1993 gemäß § 33 TP 21 Abs 1 Z 2 GebG der auf den Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung Rechtsgebühr in Höhe von S 314.227,-- vor.

In der mit 2. Februar 1994 datierten Berufung gegen den Gebührenbescheid wurde insbesondere ausgeführt, es seien bereits im November 1993 beim Finanzamt Baden die "diesbezüglichen Erklärungen" eingebracht und alle erforderlichen Anträge gestellt worden. Es sei daher damit zu rechnen, dass das Finanzamt Baden den gemeinen Wert der Anteile mit ca S 100,-- je S 100,-- Stammkapital festsetzen werde.

Die Berufung gegen den Gebührenbescheid wurde mit Bescheid vom 7. April 1994 als unbegründet abgewiesen.

Die Behandlung der gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. Juni 1994, B 1001/94, abgelehnt. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom 11. März 1994, G 127-129/93, VfSlg 13726, - mit dem § 71 Abs 2 erster Satz BewG 1955 als verfassungswidrig aufgehoben worden war - wurde von diesem Gerichtshof auf die Unangreifbarkeit der aufgehobenen Bestimmung hingewiesen. Die an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom 18. August 1994, Zl 94/16/0176, als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof ging in den Gründen dieses Erkenntnisses davon aus, dass eine Verpflichtung der Abgabenbehörde, mit der Erlassung eines abgeleiteten Bescheides bis zur Erlassung bzw Abänderung des Grundlagenbescheides "zuzuwarten", nicht bestehe. Im Übrigen könnten Einwendungen gegen die Höhe des gemeinen Wertes der Anteile nicht gegen den Gebührenbescheid, sondern allein im Verfahren betreffend die einheitliche oder gesonderte Feststellung des gemeinen Wertes von inländischen Anteilen gemäß § 75 BewG der damals geltenden Fassung erhoben werden.

Mit einer Eingabe vom 21. Jänner 1998 ersuchte der Beschwerdeführer um Nachsicht eines Abgabenbetrages in Höhe von S 308.227,--. In der Begründung wurde ausgeführt, das Finanzamt habe den Einheitswert des Betriebsvermögens (der C GmbH) zum 1. Jänner 1993 mit S 438.000,-- festgesetzt. Damit sei erwiesen, dass der innere Wert der Gesellschaft und damit auch der gemeine Wert der Anteile zum Übertragungszeitpunkt wesentlich geringer gewesen sei. Das Bewertungsgesetz in der damaligen Fassung habe keine Möglichkeit vorgesehen, bei wesentlichen Änderungen der Wertverhältnisse der Gesellschaft die Neuberechnung des gemeinen Wertes zu beantragen. Im § 71 BewG sei nur vorgesehen gewesen, dass eine Neuberechnung durchzuführen ist, wenn eine Kapitalerhöhung oder Herabsetzung stattgefunden hat. Einige Auswirkungen der Beibehaltung der Bestimmungen des Bewertungsgesetzes seien dem Gesetzgeber nicht bewusst gewesen. Der Gesetzgeber hätte ansonsten den Hauptveranlagungszeitpunkt für die Vermögensteuer und für die Feststellung von gemeinen Werten mit derselben Regelmäßigkeit wie bis zum 31. Dezember 1989 auch danach vorgesehen. Dadurch, dass die Besteuerung des Kaufpreises mehr als 100 % des Kaufpreises ausgemacht habe, sei ein vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigtes Ergebnis eingetreten.

Mit Bescheid vom 3. April 1998 wurde das Nachsichtsgesuch abgewiesen. In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde insbesondere vorgebracht, der Gesetzgeber habe die entsprechenden Paragraphen des Bewertungsgesetzes im Hinblick auf ihre Unzulänglichkeit mit Wirkung vom 1. Jänner 1994 beseitigt. Es lägen daher sachliche Unbilligkeitsgründe erheblichen Ausmaßes vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen die Auffassung vertreten, es liege im Beschwerdefall eine Auswirkung der (bis zum gegenstandlichen Anteilerwerb) allgemein geltenden Rechtslage vor, die alle vom Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise betroffen habe. Billigkeitsmaßnahmen würden einer "offenen Umgehung" der Gesetzesbestimmung gleichkommen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Abweisung des Nachsichtsgesuchs in seinen Rechten verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, dass zu beurteilen ist, ob die Einhebung der in Rede stehenden Rechtsgebühr auf Grund eines im Steuergegenstande gelegenen Sachverhaltselementes unbillig iS dieser Bestimmung ist (so genannte sachliche Unbilligkeit). So ist der Beschwerdeführer der Auffassung, durch die Anwendung des § 71 Abs 2 erster Satz BewG 1955, welche Bestimmung bereits mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1994, G 127-129/93, VfSlg 13726, aufgehoben worden war, und die dadurch bewirkte "Erstarrung" der Wertfestsetzung sei es zur Gebührenfestsetzung in der dargestellten Höhe gekommen, worin seiner Meinung nach im Hinblick auf die "vollständige wertmäßige Enteignung" eine sachliche Unbilligkeit gelegen war. Demgegenüber ist die belangte Behörde der Auffassung, die Gebührenvorschreibung sei eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage. Damit übersehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aber Folgendes:

Die Gebührenvorschreibung erging auf der Grundlage der bescheidmäßigen Wertfeststellung zum Stichtag 1. Jänner 1989. Entsprechend den Bestimmungen des § 71 BewG 1955 idF vor dem StRefG 1993, BGBl Nr. 818/1993 (mit dem die §§ 71 bis 75 BewG 1955 aufgehoben worden sind), war der gemeine Wert der in Rede stehenden Anteile zum Stichtag 1. Jänner 1992 festzustellen. In der gegen den Gebührenbescheid erhobenen Berufung vom 2. Februar 1994 wurde von dem - von einem Wirtschaftstreuhänder vertretenen - Beschwerdeführer mitgeteilt, er habe beim Finanzamt Baden alle erforderlichen Anträge gestellt. Aus welchen Gründen es nicht zu einer Feststellung des gemeinen Wertes zu dem auf den 1. Jänner 1989 folgenden Hauptveranlagungsstichtag gekommen ist bzw warum der Beschwerdeführer gegen die offenkundige Säumnis der für diese Feststellung zuständigen Abgabenbehörden keine entsprechenden Rechtsbehelfe erhoben hat, kann weder der Beschwerdeschrift noch den von der belangten Behörde vorgelegten Akten entnommen werden. Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben, ergibt sich doch aus dem Gesagten, dass Ursache des Bestehens der Abgabenschuldigkeit, um deren Nachsicht der Beschwerdeführer angesucht hat, keineswegs die - im Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG begründete - Anwendung des (mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1994, G 127-129/93, VfSlg 13726, aufgehobenen) ersten Satzes des § 71 Abs 2 BewG 1955 und damit allenfalls eine so genannte sachliche Unbilligkeit iSd § 236 BAO ist. Vielmehr besteht die Abgabenschuldigkeit deswegen in der oben angeführten Höhe, weil ein Feststellungsbescheid zu dem dem 1. Jänner 1989 folgenden nächsten Hauptveranlagungsstichtag (1. Jänner 1992) erkennbar nicht erlassen wurde. Von einem solchen Feststellungsbescheid wäre aber - worauf der Verwaltungsgerichtshof in dem hier zur Gebührenvorschreibung ergangenen Erkenntnis vom 18. August 1994, Zl 94/16/0176, ausdrücklich hingewiesen hat - ein im Sinne des § 295 Abs 1 BAO abändernder Gebührenbescheid abzuleiten gewesen. Auf diesem vom Verwaltungsgerichtshof deutlich vorgezeichneten Weg wäre es somit zu einer dem Wertverfall der GmbH-Anteile entsprechenden Gebührenvorschreibung gekommen.

Daraus folgt aber, dass der in der Beschwerde relevierte Nachsichtsgrund der sachlichen Unbilligkeit infolge der Verfehlung der Anlassfallwirkung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000160309.X00

Im RIS seit

31.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten