RS UVS Oberösterreich 2006/11/23 VwSen-550305/7/Kl/Pe

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Veröffentlicht am 23.11.2006
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Rechtssatz

Das gegenständliche Vergabeverfahren wurde nach Inkrafttreten des BVergG 2006 eingeleitet und unterliegt daher materiellrechtlich den Vorschriften des BVergG 2006. Die Marktgemeinde H ist öffentliche Auftraggeberin iSd Art.14b Abs.2 Z2 lit.a B-VG. Dies hat zur Folge, dass gemäß Art.14b Abs.3 B-VG die Gesetzgebung und Vollziehung in den Angelegenheiten der Nachprüfung der Vergabe von Aufträgen durch Gemeinden Landessache ist. Die Bestimmung des 4. Teils des BVergG 2006 (Rechtsschutz) sind daher im gegenständlichen Fall nicht anwendbar. Das Rechtsschutzverfahren unterliegt in Beachtung der RL 2004/18/EG vom 31.3.2004, der Rechtsmittelrichtlinie und des Art.14b Abs.3 B-VG, zumal vom Landesgesetzgeber bislang keine neue Regelung getroffen wurde, weiterhin den Bestimmungen des Oö. Vergabenachprüfungsgesetzes, LGBl. Nr. 153/2002.

Der Auftragswert der gegenständlichen Ausschreibung überschreitet nicht den Schwellenwert im Sinn des § 12 BVergG 2006; es sind daher die gesetzlichen Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

Gemäß § 2 Oö. VNPG obliegt dem unabhängigen Verwaltungssenat die Nachprüfung von Entscheidungen gemäß § 1 Abs.1 leg.cit. Bis zur Zuschlagserteilung ist der unabhängige Verwaltungssenat zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das Bundesvergabegesetz und die dazu ergangenen Verordnungen zuständig

1.

zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie

2.

zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers bzw. Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte. Gemäß § 6 Abs.2 Z2 Oö. VNPG ist der Antrag unzulässig, wenn er nicht innerhalb der im § 9 genannten Fristen gestellt wird. Gemäß der Anlage zu § 9, Teil II Z3 ist die Frist zur Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung im nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit der Frist gemäß § 100 Abs.2 BVergG festgelegt. Gemäß § 100 Abs.2 BVergG 2002 darf der Zuschlag bei sonstiger Nichtigkeit nicht innerhalb einer Stillhaltefrist von 14 Tagen ab Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß Abs.1 erteilt werden. Im Fall der Durchführung eines nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung verkürzt sich die Stillhaltefrist auf sieben Tage. Auch nach § 132 Abs.1 BVergG 2006 beträgt die Stillhaltefrist 14 Tage und verkürzt sich diese Stillhaltefrist auf sieben Tage im Unterschwellenbereich.

Aus den vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass mit Schreiben vom 30.10.2006 die ausschreibende Stelle ein Schreiben an die Firma M-B P in betreffend gegenständliches Vorhaben verfasst hat und dieses dem genannten Unternehmen sowie sämtlichen weiteren Bietern, darunter auch der Antragstellerin mit Telefax am selben Tage zugestellt hat. Dieses Schreiben wird eindeutig als "Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung" bezeichnet und enthält die Information, dass in der Gemeinderatssitzung am 28.9.2006 beschlossen wurde, den Zuschlag der genannten Firma zu erteilen. Es wurde daher mit diesem Tage die Zuschlagsentscheidung bekannt gegeben und begann daher die gesetzlich festgelegte Stillhalte- bzw. Anfechtungsfrist zu laufen. Die Frist endete somit mit Ablauf des 6.11.2006.

Der Nachprüfungsantrag wurde nachweislich aber erst am 13.11.2006 persönlich beim Oö. Verwaltungssenat eingebracht. Es wurde daher die Antragsfrist nicht eingehalten und war daher gemäß § 6 Abs.2 Z2 Oö. VNPG der Antrag unzulässig.

Wenn sich hingegen die Antragstellerin auf das Schreiben der Auftraggeberin vom 7.11.2006, eingelangt am 8.11.2006, beruft und dieses Schreiben als Mitteilung der Zuschlagsentscheidung wertet, so ist ihr entgegenzuhalten, dass diese Beurteilung aus dem Schriftverkehr nicht zu entnehmen ist. Diesem Schreiben geht nämlich eine Anfrage der Antragstellerin vom 31.10.2006 unter Bezugnahme auf das Fax vom 30.10.2006 (Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung) voraus, in welcher gemäß § 100 Abs.3 BVergG "um die Bekanntgabe der Gründe für die Nichtberücksichtigung unseres Angebotes" und "die Merkmale und Vorteile des erfolgreichsten Angebotes" gebeten wurde.

§ 100 Abs.3 BVergG 2002, welcher nicht mehr in Geltung steht, bezog sich eindeutig auf die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung. Danach konnten nicht erfolgreiche Bieter innerhalb einer Frist von sieben Tagen, im Fall der Durchführung eines nicht offenen Verfahrens ohne vorherige Bekanntmachung innerhalb einer Frist von drei Tagen, nach Zustellung der Zuschlagsentscheidung schriftlich die Bekanntgabe der Gründe für die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes beantragen. Der Auftraggeber war gemäß § 100 Abs.4 BVergG 2002 gehalten, unverzüglich nach Eingang des Antrages, jedenfalls drei Tage vor Ablauf der Stillhaltefrist dem nicht erfolgreichen Bieter die Vergabesumme sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben.

Es ging daher die Antragstellerin mit ihrem Ersuchen vom 31.10.2006 selbst von der bereits erfolgten Bekanntgabe einer Zuschlagsentscheidung gemäß der von ihr zitierten Gesetzesstelle aus.

Das daraufhin ergangene Antwortschreiben der Auftraggeberin vom 7.11.1006, welches die Vergabesumme des erfolgreichen Bieters sowie den Namen des erfolgreichen Bieters aufweist, stellt daher ein entsprechend § 100 Abs.3 BVergG 2002 vorgesehenes Mitteilungsschreiben dar. Es ist jedoch nicht mit der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gleichzuhalten.

Es ist aber der Antragstellerin einzuräumen, dass nach der geltenden Rechtslage, nämlich § 131 BVergG 2006, welcher auch für dieses Vergabeverfahren anzuwenden war, in der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung den verbliebenen Bietern auch das jeweilige Ende der  Stillhaltefrist gemäß § 132, die Gründe für die Ablehnung ihres Angebotes, die Vergabesumme sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes mitzuteilen sind. Diese Mitteilung enthält die angefochtene Zuschlagsentscheidung vom 30.10.2006 nicht. Sie ist daher mangelhaft. Diese Mangelhaftigkeit bedeutet aber nicht, dass sie nicht zustande gekommen ist (nach der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts und der Vergabekontrollbehörden würden diesfalls die übergangenen Bieter des Rechtsschutzes beraubt werden), sondern ist vielmehr eine solche Zuschlagsentscheidung ein tauglicher Anfechtungsgegenstand und sind derartige Mängel im Rahmen der Anfechtung bzw. des Nichtigerklärungsverfahrens aufzugreifen und zu beurteilen. Unter Zugrundelegung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vom 12.6.2004, B190/02-16, welche zu § 53a BVergG 1997 (gleichlautend § 100 BVergG 2002) ergangen ist, muss eine verspätete Auskunftserteilung durch den Auftraggeber zu einer entsprechenden Verlängerung der Stillhaltefrist führen.

Im Gegensatz zu der der Judikatur zugrundeliegenden Rechtslage ist dem § 131 BVergG 2006 eine Mindestfrist, die dem Bieter nach Auskunftserteilung innerhalb der Stillhaltefrist noch offen stehen muss, nicht enthalten. Im Sinne der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes könnte daher in analoger Anwendung eine Verlängerung der Stillhaltefrist um jenen Zeitraum, um den die Stillhaltefrist durch die verspätete Auskunftserteilung des Auftraggebers überschritten wurde, als gerechtfertigt angesehen werden. Da die siebentägige Stillhaltefrist (Anfechtungsfrist) am 6.11.2006 endete, die Auskunftserteilung durch die Auftraggeberin erst am 8.11.2006 der Antragstellerin zukam, wäre daher der Zeitraum der Überschreitung der Anfechtungsfrist um zwei Tage zum Tag der Auskunftserteilung hinzuzurechnen, sodass sich die Stillhaltefrist bzw. Anfechtungsfrist bis zum Ablauf des 10.11.2006 verlängert. Für die Antragstellerin ist aber auch aus dieser analogen Anwendung nichts gewonnen, da die Einbringung des Nachprüfungsantrages am 13.11.2006 jedenfalls verspätet war.

Schlagworte
Anfechtungsfrist, Rechtslage, mangelhafte Zuschlagsentscheidung, Verlängerung der Sperrfrist
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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