RS UVS Oberösterreich 2007/03/21 VwSen-420497/7/Ste/FJ

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 21.03.2007
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Verwaltungsgerichtshofbeschwerde anhängig Rechtssatz

Der Bf wurde als Schubhäftling des PAZ W im Auftrag des Bezirkshauptmanns des Bezirks Vöcklabruck der nigerianischen Botschaft mit Sitz in Wien vorgeführt. Dabei wurde dem Bf gegenüber kein Zwang ausgeübt; er hat sich gegen die Durchführung dieser Vorführung in keiner Weise geäußert; sie fand daher dem Grunde nach freiwillig statt. Der UVS verkennt dabei nicht, dass sich der Bf durch die Anhaltung in Schubhaft an sich in einem besonderen Verhältnis befand. Eine in diesem Zusammenhang allerdings stattfindende weitere "Maßnahme" wie etwa im vorliegenden Fall kann jedoch nicht selbständig angefochten werden, es sei denn es käme zu einem Exzess mit besonderer Gewaltanwendung (vgl. etwa eine Verletzung des Art.3 EMRK). Dies ist aber im vorliegenden Fall weder ersichtlich, noch wurde solches behauptet. Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Selbst wenn man von einer besonderen Maßnahme ausgehen würde, wäre die Beschwerde dagegen im vorliegenden Fall im Ergebnis unbegründet. Es wäre nämlich zu beurteilen, ob für diese "Maßnahme" (die Vorführung des Bf vor die Botschaft seines Heimatstaates) eine Rechtsgrundlage vorhanden wäre bzw. im Zeitpunkt der Amtshandlung vorhanden gewesen wäre.

Der Bf brachte in seiner Beschwerde zwar vor, die Vorführung vor die Botschaft sei gegen seinen Willen erfolgt. Er legte aber weder in der Beschwerde selbst noch in der aufgetragenen Verbesserung dar, welche Handlungen er gesetzt haben oder zumindest welche Äußerungen er getroffen haben soll, in denen sich manifestiert hätte, dass diese Amtshandlung gegen seinen Willen durchgeführt worden wäre. Eine Anordnung der Schubhaft ist gem. § 76 Abs.2 Z3 FPG auch dann möglich, wenn gegen den Fremden vor der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz, eine durchsetzbare Ausweisung vorlag. Im vorliegenden Fall wurde gegen den Bf die angeordnete Schubhaft auch auf § 76 Abs.2 Z3 FPG gestützt, weil gegen ihn im Zeitpunkt der Beantragung der Gewährung internationalen Schutzes, eine rechtskräftige Ausweisung vorlag.

Aus § 46 Abs.1 FPG ist ersichtlich, dass Fremde auch gegen ihren Willen zur Ausreise verhalten werden können (Abschiebung); Zur Sicherung der Abschiebung (aber auch des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung) kann auch die Schubhaft verhängt werden (§ 76 Abs.2 FPG). Um aber diese Abschiebung zu ermöglichen, wird es allenfalls erforderlich sein, vom Heimatstaat ein Heimreisezertifikat zu erlangen, was jedoch die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Fremden voraussetzt. Dementsprechend hat auch der Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Juli 1995, Zlen. 94/02/0117, 0231, 0278) in seiner Rechtsprechung zur alten, insofern aber vergleichbaren, Rechtslage eine Mitwirkungspflicht des Fremden zur Erlangung des erforderlichen Heimreisezertifikates oder eines nationalen Reisepasses bejaht. Dies habe sich aus § 48 Abs.4 Z2 und Z3 Fremdengesetz (wonach sich die Schubhaft verlängert, wenn der Fremde an der Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht im erforderlichen Ausmaß mitwirkt oder weil er die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staaten nicht besitzt) ableiten lassen (vlg. dazu auch das Erkenntnis des VwGH vom 28. Februar 1997, Zl. 96/02/0405).

Die geltende Rechtslage nach dem FPG ist in diesem Punkt mit der damaligen Rechtssituation vergleichbar. § 80 FPG regelt die zulässige Dauer der Schubhaft. Gemäß § 80 Abs.4 FPG kann die grundsätzliche Höchstdauer der Schubhaft von zwei Monaten (§ 80 Abs.2 FPG) bis zu einer Gesamtdauer von 10 Monaten innerhalb von zwei Jahren überschritten werden, wenn die Abschiebung eines Fremden deswegen nicht möglich ist, weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich ist (§ 80 Abs.4 Z1 FPG) oder weil die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt (§ 80 Abs.4 Z2) und die Nichtvornahme der Abschiebung dem Verhalten des Fremden zuzurechnen ist. Eine Anordnung der Schubhaft ist dabei gemäß § 76 Abs.2 Z3 FPG auch dann möglich, wenn gegen den Fremden vor der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz, eine durchsetzbare Ausweisung vorlag. Es besteht daher auch nach den gesetzlichen Bestimmungen des FPG weiterhin eine Mitwirkungspflicht des Fremden an der Erlangung eines Heimreisezertifikates oder eines nationalen Reisepasses. Das Begehren der Vertretung des Heimatstaates, vor Ausstellung eines Heimreisezertifikates die Identität und Staatangehörigkeit des Fremden allenfalls auch durch persönliche Kontaktaufnahme zu prüfen kann daher auch im Wege einer sogenannten "faktischen Amtshandlung" durchgesetzt werden. Damit wird dem Erfordernis Rechnung getragen, die Abschiebung auch in dieser Hinsicht rechtlich und faktisch zu ermöglichen (vgl. dazu das Erkenntnis des VwGH vom 20. Dezember 1996, Zl. 95/02/0572 und das Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 96/02/0405). Dass die aktuelle Rechtslage nach dem FPG in diesem Punkt zu jener nach dem außer Kraft getretenen Fremdengesetz vergleichbar ist wurde bereits oben dargelegt.

Damit geht aber die Ausführung des Bf in Leere, wonach seine Vorführung zur nigerianischen Botschaft gegen seinen Willen erfolgt sei. Es kann im vorliegenden Fall in der bloßen Vorführung des Bf daher keine Verletzung seiner Rechte erblickt werden. Die Beschwerde wäre demzufolge jedenfalls abzuweisen.

Zur Frage der Übermittlung von Daten an die nigerianische Botschaft im Rahmen der Vorführung am 1. März 2007:

Nach § 90 SPG hat die Datenschutzkommission gemäß § 31 des Datenschutzgesetzes 2000 über Beschwerden wegen Verletzung von Rechten durch Verwenden personenbezogener Daten in Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung entgegen den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes zu entscheiden. Davon ausgenommen ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt. Eine Prüfung dieser Frage durch den Oö. Verwaltungssenat kommt demnach nur in Frage, wenn im Rahmen der Vorführung eine Verletzung von Rechten durch das Verwenden von Daten erfolgte. Die Rechtmäßigkeit von Ermittlungsmaßnahmen zur Erhebung personenbezogener Daten im Rahmen der Sicherheitspolizei, die keine Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt sind, ist nämlich ausschließlich von der Datenschutzkommission zu überprüfen (vgl. dazu Erkenntnis des VwGH vom 29. Juni 2007, Zl. 2005/01/0032). Wie oben festgestellt wurde, handelte es sich bei der Vorführung des Bf vor die Botschaft von Nigeria - mit dem Zweck die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu erwirken - um keinen Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Nur wenn es sich um einen solchen gehandelt hätte, wäre der Oö. Verwaltungssenat dazu berufen zu beurteilen, ob dadurch in die Rechte des Bf eingegriffen worden wäre.

Der Bf brachte aber schon keine Behauptungen vor, die die Annahme rechtfertigen würden, anlässlich der Vorführung am 1. März 2007 sei es tatsächlich zu einer Datenübermittlung gekommen. In der Maßnahmenbeschwerde vom 1. März 2007 findet sich lediglich die Behauptung, dass bei einer Vorführung vor eine Botschaft mit dem Zweck der Erwirkung eines Heimreisezertifikates naturgemäß auch die Übermittlung personenbezogener Daten erfolge. Der Bf legte aber weder in seiner Beschwerde vom 1. März 2007 noch in der aufgetragenen Verbesserung vom 15. März 2007 dar, in welchen Akten im konkreten Fall eine Datenübermittlung zu ersehen sei. Dagegen ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dass personenbezogene Daten des Bf, nämlich dessen Fingerabdrücke, zwei Fotografien und eine Niederschrift zur Datenbefragung bereits am 2. Juni 2006 an die Botschaft von Nigeria übermittelt wurden. Diese Übermittlung erfolgte in Vorbereitung einer Vorführung vor die nigerianische Botschaft, die für den 6. Juli 2006 geplant war, jedoch in der Folge, wie oben bereits dargestellt, unterblieb. Es ist aber nicht ersichtlich, dass es, wie der Bf unsubstantiiert behauptete, im Rahmen der tatsächlich stattgefundenen Vorführung am 1. März 2007 zu einer nochmaligen Datenübermittlung kam. Dagegen sprechen der vorgelegte Verwaltungsakt und die Stellungnahme der belangten Behörde. Derartiges erfolgte auch nicht in Vorbereitung dieser Vorführung.

Die allenfalls stattgefundene Übermittlung von Daten war daher wohl am 2. Juni 2006 abgeschlossen und es kann daher nicht davon gesprochen werden, dass diese Übermittlung einen Teil der Vorführung vom 1. März 2007 darstellte. Was aber vom Bf auch ohnedies nicht behauptet wurde. Es will auch der vom Bf in Treffen geführte § 57 Abs. 10 AsylG 2005 alleine die Übermittlung personenbezogener Daten eines Asylwerbers an den Herkunftsstaat verhindern, weil alleine daraus eine Gefahr für den geschützten Personenkreis droht. Daraus resultiert, dass im vorliegenden Fall die Datenverwendung am 2. Juni 2006 als isolierter Akt auf ihre Zulässigkeit hin zu beurteilen ist. Es muss nicht abgewartet werden, dass die ursprünglich beabsichtigte faktische Amtshandlung, die dann unterblieb, nachgeholt wird. Entsprechend § 90 SPG entzieht sich aber aus diesem Grund, weil keine Erhebung von Daten in Zusammenhang mit einem Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt stattfand, die Frage der Verletzung von Rechten durch das Verwenden personenbezogener Daten der Beurteilung durch den Oö. Verwaltungssenat.

Entsprechend den oben getroffenen Feststellungen ging das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates in der Frage, ob der Bf durch die Übermittlung personenbezogener Daten an die nigerianische Botschaft in seinen Rechten verletzt wurde, davon aus, dass in diesem Punkt entsprechen § 90 SPG eine ausschließliche Zuständigkeit der Datenschutzkommission gegeben sei.

Nach den Verfahrensergebnissen war keine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermittlung von Daten durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorzunehmen, was gem. § 90 Satz 2 SPG eine Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates begründet hätte (vgl. zu dieser Frage auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 2006, Zl. 2005/01/0032).

§ 6 AVG sieht vor, dass die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen hat; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die Zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Entsprechend dieser Bestimmung wurde das Anbringen des Bf zusammen mit der erstatteten Verbesserung, zur Beurteilung der datenschutzrechtlichen Frage, mit Schreiben vom 15. März 2007, VwSen-420497/6, an die Datenschutzkommission weitergeleitet.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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