TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/20 99/11/0248

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Veröffentlicht am 20.09.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §66 Abs4;
KFG 1967 §75 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. Friedrich Fuchs, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Köllnerhofgasse 6/6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Juli 1998, Zl. MA 65 - 11/81/97, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/11/0160, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der im Instanzenzug ergangene Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. Februar 1995, mit dem der Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen worden war, dass ihr auf die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Maßgebend für diese Entscheidung war, dass das amtsärztliche Gutachten, auf welches sich der angefochtene Bescheid stützte, unvollständig war.

Im wieder offenen Berufungsverfahren forderte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 3. April 1998 die Beschwerdeführerin gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 auf, "binnen zwei Monaten ab Zustellung dieses Bescheides einen Befund der Universitätsklinik für Psychiatrie, Allgemeines Krankenhaus Wien, 1090 Wien, beizubringen". Im Falle des fruchtlosen Verstreichens dieser Frist werde der Beschwerdeführerin die am 5. September 1978 erteilte Lenkerberechtigung für die Gruppe B gemäß § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 zu entziehen sein. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/11/0160, habe der Verwaltungsgerichtshof den Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. Februar 1995 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Es sei daher unter Beachtung der in diesem Erkenntnis dargelegten Rechtsanschauung ein neuerlicher Berufungsbescheid zu erlassen. Dem aufgehobenen Berufungsbescheid sei ein amtsärztliches Gutachten vom 11. Jänner 1995 zu Grunde gelegen. Diesem wiederum sei ein von einem Sachverständigen der Forensischen Ambulanz der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien erstellter Befund von 13. Dezember 1994 zu Grunde gelegen, in welchem der Sachverständige zusammenfassend ausgeführt hätte, es sei auf Grund der verminderten Reaktionsfähigkeit der Beschwerdeführerin und wegen der erst zurückliegenden Exazerbation (laut PSCHYREMBEL, Klinisches Wörterbuch: "Verschlimmerung, Steigerung, Wiederaufbrechen") der schizoaffektiven Psychose "derzeit die Gewährung eines Führerscheins nicht zu empfehlen". Zur Erstellung eines abschließenden amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der entsprechenden Gruppe sei daher die Beibringung eines verkehrspsychologischen Befundes der Universitätsklinik für Psychiatrie erforderlich. Da die Beschwerdeführerin (laut Schreiben der Universitätsklinik für Psychiatrie vom 18. Februar 1998) nach zweimaliger Terminvergabe zur Untersuchung nicht erschienen sei, sei sie gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 bescheidmäßig aufzufordern, den erforderlichen Befund zur Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens beizubringen. Dieser nach der Aktenlage am 14. April 1998 zugestellte Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom 21. Juli 1998 gab der Landeshauptmann von Wien der wieder offenen Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich keine Folge, änderte den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid jedoch dahingehend ab, dass der Beschwerdeführerin die am 5. September 1978 erteilte Lenkerberechtigung für die Gruppe B gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 entzogen werde. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Wien im Wesentlichen aus, zur Erstellung eines abschließenden amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der entsprechenden Gruppe sei die Beibringung eines verkehrspsychologischen Befundes der Universitätsklinik für Psychiatrie erforderlich. Da die Beschwerdeführerin laut Schreiben der Universitätsklinik für Psychiatrie vom 18. Februar 1998 nach zweimaliger Terminvergabe zur Untersuchung nicht erschienen sei, sei sie gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 mit rechtskräftigem Bescheid vom 3. April 1998, zugestellt am 14. April 1998, aufgefordert worden, den erforderlichen Befund zur Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens binnen zwei Monaten ab Zustellung dieses Bescheides beizubringen. Weiters sei die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen worden, dass bei nicht fristgerechter Vorlage dieser bescheidmäßig angeforderten Unterlagen die Lenkerberechtigung gemäß § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 entzogen werden müsse. Nach Mitteilung der Universitätsklinik für Psychiatrie vom 23. Juni 1998 sei die Beschwerdeführerin nach dreimaliger Terminvergabe (letzter Termin 23. Juni 1998) nicht zur Untersuchung erschienen. Nach der zwingenden Bestimmung des § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 sei Besitzern einer Lenkerberechtigung, die einer rechtskräftigen Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen oder die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen, keine Folge leisten, die Lenkerberechtigung zu entziehen. Der Berufung habe demnach der Erfolg versagt bleiben müssen, jedoch sei der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Rechtsgrundlage der Entziehung spruchgemäß abzuändern gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Das Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin war bereits am 1. November 1997, dem Tag des Inkrafttretens des FSG, anhängig. Gemäß § 41 FSG ist für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides daher die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des FSG maßgeblich.

Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des KFG 1967 lautet in der Fassung der 19. KFG-Novelle (auszugsweise):

"§75. ...

(2) ... Leistet der Besitzer einer Lenkerberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderliche Befunde zu erbringen oder die Lenkerprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, so ist ihm die Lenkerberechtigung zu entziehen.

..."

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dem rechtskräftigen Aufforderungsbescheid vom 3. April 1998 nicht nachgekommen zu sein, bringt aber diesbezüglich vor, für die Einleitung eines Verfahrens gemäß § 75 KFG 1967 seien begründete Bedenken der Behörde notwendig. Cholerisches Reagieren bei einer Verkehrskontrolle reiche nicht aus, um eine entsprechende Aufforderung gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 zu rechtfertigen. Auch habe es die belangte Behörde im Bescheid vom 3. April 1998 unterlassen anzugeben, worüber überhaupt ein Befund zu erstellen sei. Es liege somit keine verbindliche und normative Aufforderung vor, sodass die darauf gestützte Entziehung der Lenkerberechtigung rechtswidrig sei.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Vor dem Hintergrund des Verwaltungsgeschehens ergibt sich unzweifelhaft, dass die belangte Behörde ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B einholen wollte. § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 bietet der Kraftfahrbehörde die Möglichkeit, Besitzer einer Lenkerberechtigung, wenn hinsichtlich ihrer geistigen oder körperlichen Eignung Bedenken bestehen, mit Bescheid aufzufordern, sich ärztlich untersuchen zu lassen oder zur Erstellung des Gutachtens erforderliche Befunde beizubringen. Eine Beurteilungshilfe für den medizinischen Sachverständigen zur Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens stellt ua. ein verkehrspsychologischer Befund dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zl. 98/11/0004). Aus der Begründung des Aufforderungsbescheides vom 3. April 1998 ergibt sich eindeutig, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet werden sollte, einen solchen verkehrspsychologischen Befund beizubringen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin handelt es sich beim Bescheid vom 3. April 1998 daher nicht etwa um einen "Nichtbescheid".

Leistet der Besitzer einer Lenkerberechtigung einem rechtskräftigen Aufforderungsbescheid nach § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 keine Folge, so ist ihm die Lenkerberechtigung zu entziehen, ohne dass sich die Behörde mit seiner geistigen oder körperlichen Eignung auseinander zu setzen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zl. 97/11/0375, mwN.). Die Rechtmäßigkeit des Aufforderungsbescheides ist hingegen hier nicht mehr zu untersuchen, weil dieser Bescheid unbestritten in Rechtskraft erwachsen ist.

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 nicht als rechtswidrig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. September 2001

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999110248.X00

Im RIS seit

29.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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