RS UVS Burgenland 2007/08/07 166/10/07024

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Veröffentlicht am 07.08.2007
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Rechtssatz

Über Ersuchen des Bundesasylamtes tätigte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz Erhebungen bei der zuständigen schweizer Behörde. Im Zuge dieser Erhebungen kam hervor, dass die Angaben des Beschwerdeführers korrekt waren und er sich tatsächlich für einen Zeitraum von nahezu vier Monaten (04.08.2007 bis 24.11.2007) in der Schweiz und somit außerhalb des räumlichen Bereiches der Europäischen Union aufgehalten hatte. Dies teilte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz am 20.07.2007 dem Bundesasylamt mit. Ab Kenntnis des Erhebungsergebnisses ging das Bundesasylamt davon aus, dass (wegen Art. 16 Abs. 3 Dublin-II-Verordnung) die Zuständigkeit der Slowakei nicht (mehr) besteht, sondern vielmehr diese erloschen ist und nunmehr die Zuständigkeit Österreichs zur Führung des Asylverfahrens gegeben war. Es konnte daher nun nicht mehr mit gutem Grund davon ausgegangen werden, dass es zur Erlassung einer Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 kommen werde. Dass das Bundesasylamt bei der Slowakei noch anfragte, ob diese ihre Zuständigkeit dennoch (aus allfälligen dem Bundesasylamt nicht bekannten Umständen) akzeptieren würde, änderte nichts daran, dass ab 20.07.2007 keine konkreten Umstände mehr darauf hindeuteten, dass es zu einer Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 kommen werde. Dass die Slowakei wegen des mehr als dreimonatigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Schweiz ihre Zuständigkeit tatsächlich ablehnte, stand aufgrund einer am 06.08.2007 beim Bundesasylamt eingelangten Mitteilung definitiv fest.

Besteht aber keine begründete Annahme mehr, dass es zu einer Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 kommen wird, so ist auch die Sicherung eines diesbezüglichen Ausweisungsverfahrens nicht mehr zulässig. Daran änderte auch nichts, dass das Bundesasylamt im Asylverfahren die Zulassung noch nicht formell aussprach (bzw. die Zulassung noch nicht durch Aushändigung einer Aufenthaltsberechtigungskarte vornahm) und das Ausweisungsverfahren noch nicht formell einstellte. Genauso wie es zur rechtmäßigen Begründung einer Schubhaft nicht erforderlich ist, einen formellen Schritt im Ausweisungsverfahren zu setzen, weil es ausreichend ist, dass mit gutem Grund angenommen werden kann, es werde zu einer Ausweisung kommen, ist es für die Rechtswidrigkeit einer Anhaltung in Schubhaft nicht erforderlich, die formelle Einstellung des Ausweisungsverfahrens abzuwarten, wenn bereits zu einem früheren Zeitpunkt hinreichend klar ist, dass nicht mehr mit gutem Grund davon ausgegangen werden kann, dass es zu einer Ausweisung kommen werde.

Dass die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See zumindest bis 26.07.2007 (an diesem Tag langte bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See der Fremdenpolizeiakt der Bezirkshauptmannschaft Bludenz ein, in dem das Erhebungsergebnis festgehalten war) keine Kenntnis vom weiteren Stand der von der Asylbehörde veranlassten Erhebungen hatte, änderte nichts daran, dass sich die Schubhaft auch in der Zeit von 20.07.2007 bis 26.07.2007 als rechtswidrig erwies. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG hat die Behörde darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich andauert; gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaft nur solange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung wegfällt oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Im gegenständlichen Fall diente die Schubhaft der Sicherung eines Ausweisungsverfahrens, das von der Asylbehörde durchzuführen war. Nach der Konzeption des Fremdenrechtspaketes 2005 ist es systemimmanent, dass in jenen Fällen, so wie er hier vorliegt, die Schubhaft von der Fremdenpolizeibehörde verhängt wird, das Ausweisungsverfahren aber nicht von ihr, sondern von der Asylbehörde geführt wird. Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland verkennt nicht, dass die Bewältigung der fremdenpolizeiliche Aufgabe infolge Trennung der schubhaftverhängenden Behörde einerseits und der das aufenthaltsbeendende Verfahren führenden Behörde andererseits, der Mitwirkung der Asylbehörde bedarf und einen nicht unbeträchtlichen organisatorischen Mehraufwand bedeutet. Es ist aber daher iSd. § 80 Abs. 1 und Abs. 2 FPG umso mehr Aufgabe der Fremdenpolizeibehörde den Fortgang des Ausweisungsverfahrens zu beobachten und aus ihren Beobachtungen die Konsequenzen hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Schubhaft zu ziehen. Zwar hat die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See zwischenzeitig Auszüge aus dem AIS angefertigt und so Einsicht in den Verfahrensgang beim Bundesasylamt genommen, jedoch hat sie aus den dort zum Verfahrensablauf ersichtlichen Einträgen keine Konsequenzen gezogen. Weder tätigte die Bezirkshauptmannsch

aft Neusiedl am See eine Nachfrage beim Bundesasylamt über den konkreten Verfahrensstand und Verfahrensinhalt (insbesondere ob nach dem damaligen der Asylbehörde vorliegenden Erhebungsstand nach wie vor begründet von der Erlassung einer Ausweisung ausgegangen werden kann) noch leitete sie nach konkreter Kenntnis des Erhebungsergebnisses der Bezirkshauptmannschaft Bludenz Erhebungen ein noch zog sie daraus irgendwelche Konsequenzen für die Schubhaft. Dass das Bundesasylamt der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See nicht umgehend das Ergebnis der Erhebungen der Bezirkshauptmannschaft Bludenz sowie ihre eigenen Schlussfolgerungen zur fehlenden Wahrscheinlichkeit der Erlassung einer Ausweisung mitteilte, musste sich die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See im Rahmen der von ihr zu vertretenden Schubhaft unter Berücksichtigung ihrer eigenen Untätigkeit zurechnen lassen.

Schlagworte
Schubhaft, Asylwerber, Dublin-Verfahren
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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