RS UVS Oberösterreich 2007/10/02 VwSen-590170/2/BP/AB/Se

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Veröffentlicht am 02.10.2007
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Rechtssatz

§ 76 Tierseuchengesetz - TSG, RGBl Nr. 177/1909, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I 54/2007 normiert, dass gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes erhoben werden kann.

Gemäß § 66 Abs.1 AVG hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Gemäß Abs.4 leg.cit. hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Im vorliegenden Fall ist aus dem Akt nicht ersichtlich, inwieweit das Parteiengehör der Bw im erstinstanzlichen Verfahren gewahrt wurde. Auch wenn ein diesbezüglicher allfälliger Mangel von Seiten der Bw zunächst nicht gerügt wurde, sah sich der Oö. Verwaltungssenat veranlasst, im Sinne des Effizienzgebotes nach § 66 Abs.1 AVG sowie dem Unmittelbarkeitsgrundsatz vor seiner Entscheidung der Bw die Möglichkeit zur Stellungnahme explizit einzuräumen, obwohl insbesondere der Sachverhalt unwidersprochen war.

Gemäß § 4 Abs.1 TSG sind Sendungen im Sinne dieses Bundesgesetzes Tiere, tierische Rohstoffe und Produkte sowie Gegenstände, die Träger des Ansteckungsstoffes einer Tierseuche sein können. Es ist unbestritten, dass Kälberblut - wohl als tierischer Rohstoff - unter diese Bestimmung zu subsumieren ist.

Gemäß § 4 Abs.2 TSG dürfen Sendungen nur ein- oder durchgeführt werden, wenn vom Absender und Empfänger die zur Verhinderung der Einschleppung von Tierseuchen erforderlichen Maßnahmen getroffen werden. Derartige Maßnahmen sind durch Verordnung festzulegen. Aufgrund ua. des § 4 TSG wurde die Veterinärbehördliche Einfuhr- und Binnenmarktverordnung 2001 - EBVO 2001, BGBl II 355/2001, zuletzt geändert durch BGBl II 129/2006, erlassen. Gemäß deren § 11 ist insbesondere auf gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen Bedacht zu nehmen.

Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde im Zuge der Überwachung des innergemeinschaftlichen Verbringens bei Tieren, Waren oder Gegenständen Tatsachen fest, die auf die Gefahr einer Seuchenverbreitung schließen lassen, so hat sie gemäß § 60 Abs.1 Z2 leg.cit. bei Waren oder Gegenständen deren unschädliche Beseitigung anzuordnen. Gemäß Abs.2 leg.cit. kann sie eine andere Behandlung im Sinne des § 61 zulassen, wenn sichergestellt ist, dass hierbei eine Verbreitung von Tierseuchen ausgeschlossen ist.

Die belangte Behörde zog diese Bestimmung grundsätzlich zu Recht heran, da sie auf das innergemeinschaftliche Verbringen von tierischen Erzeugnissen Bezug nimmt. Allerdings ist im hier konkreten Fall zu hinterfragen, ob die Tatsache, dass eine Ware - wenn man der belangten Behörde folgt - auf Grund ihrer Herkunft aus einer Region eines Drittstaats, aus der keine Einfuhr von Bluterzeugnissen zulässig ist, nicht für den EG-Binnenmarkt abgefertigt werden hätte dürfen, schon als Tatsache, die auf die Gefahr einer Seuchenverbreitung schließen lässt, anzusehen ist. Nachdem jedoch die Beschränkungen der Einfuhr von Bluterzeugnissen durch das Gemeinschaftsrecht nicht aus handelsspezifischen Gründen sondern aus solchen der öffentlichen Gesundheit, Hygiene bzw. Tierseuchenbekämpfung nur aus Drittstaaten gestattet ist, die aus den letztgenannten Gründen völlig unbedenklich sind, kann wohl - entgegen der Ansicht der Bw - bei Zuwiderhandeln zumindest von einer potentiellen Gefahr einer Tierseuchenverbreitung ausgegangen werden. Aus der Formulierung der zitierten Verordnungsbestimmung wird klar, dass das Bekanntwerden von Tatsachen, die auf die bloße Gefahr einer Tierseuchenverbreitung schließen lassen, ausreicht. Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates sind davon auch bekannt gewordene potentielle Gefährdungen im oben beschriebenen Umfang umfasst. Wenn die Bw vorbringt, dass sie bislang in gleicher Weise, von der niederländischen Veterinärgrenzkontrollstelle akzeptierte Importe vorgenommen habe und dieses unter anderem auf eine nicht dokumentierte Nachfrage beim "zuständigen Ministerium" stützt, ist ihr entgegenzuhalten, dass allein aufgrund des nicht Bekanntwerdens eines potentiellen Zuwiderhandelns gegen Rechtsvorschriften dieses nicht automatisch rechtmäßig wird. Im Übrigen muss von einem Unternehmen nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erwartet werden, dass es sich über die Einfuhrbestimmungen in einem wie hier höchstsensiblen Bereich entsprechend informiert und hierzu die einschlägigen Rechtsvorschriften konsultiert. Eine bloße telefonische Nachfrage einer von der Bw beauftragten Importfirma - wenn diese auch stattgefunden haben sollte - kann hier nicht als ausreichend angesehen werden.

Konsequenterweise ist es auch möglich, die im § 61 EBVO beschriebene Maßnahme (ohne Überprüfung des räumlichen Anwendungsbereiches gemäß § 61 Abs.1 EBVO) unter den daran geknüpften Auflagen bei Zurücksendungen nach § 60 Abs.2 EBVO betroffenen Unternehmen anzubieten.

Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass Tiere, Waren oder Gegenstände aus einem anderen Mitgliedstaat der EG aus anderen als den in § 60 genannten Gründen den veterinärrechtlichen Vorschriften nicht entsprechen, so kann sie gemäß § 61 Abs.1 leg.cit. deren Rücksendung anordnen, wenn

1. der Verfügungsberechtigte dem zustimmt und der Herkunftsmitgliedstaat dies zulässt, und

2. andere von der Rücksendung betroffene Mitgliedstaaten der EG benachrichtigt worden sind.

Dies gilt auch für alle Sendungen aus den in Anlage 20 lit. B und C genannten Gebieten.

Hier ist nun nicht das Vorliegen von Tatsachen, die auf die Gefahr einer Tierseuchenverbreitung schließen lassen, gefordert, sondern andere veterinärrechtliche Gründe, worunter zweifellos auch der Import einer veterinärrechtlich nicht importfähigen Ware zu subsumieren ist. Diese Bestimmung setzt jedoch voraus, dass Herkunftsland der Ware ein Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. des EWR oder ein assoziierter Staat zur EU ist. Herkunftsland im vorliegenden Fall ist A, weshalb diese Bestimmung per se nicht anwendbar ist.

Eine Kompetenzbegründung könnte für die belangte Behörde jedoch auch unmittelbar aus gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ableitbar sein. Im Sinne der Judikatur des EuGH haben in solchen Fällen die Mitgliedstaaten - auch wenn sie in ihrer Rechtsordnung dafür keine Grundlage finden - Instrumentarien bereitzustellen, die die Durchsetzbarkeit von EG-Recht gewährleisten. Diese Instrumentarien haben dann ihre Grundlage und die Rechtfertigung für das Vorgehen der Behörden nicht im nationalen Recht, sondern werden unmittelbar aus EG-Recht abgeleitet.

Die Einfuhr von Blut- bzw. Blutprodukten in den EG-Binnenmarkt wie im ggst Fall wird in ausschließlicher EG-Kompetenz durch die Verordnung (EG) 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte geregelt. Eine nationale Parallelregelung ist auch im Hinblick auf die Judikatur des EuGH zu Rs. 34/73, Variola S.p.A./Amministrazione italiana delle Finanze, Slg. 1973, S. 981 ff - Urteil vom 10. Oktober 1973 nicht zulässig. Folgend auf das Urteil des EuGH Rs. C-213/89, The Queen gegen Secretary of State for transport, ex parte: Factortame Ltd. u.a., Slg. 1990, S. I-2433 ff - Urteil vom 19. Juni 1990 ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten in jedem Fall Vorkehrungen zur Durchsetzung von unmittelbar anwendbarem EG-Recht, was im Fall der ggst Verordnung vorliegt, gewährleisten müssen. Nachdem die hier relevanten Einfuhrbestimmungen und deren Vollzug grundsätzlich von EG-Recht zu regeln sind, im ggst Fall rechtsrichtig die EBVO in § 61 den ihr zugewiesenen Kompetenzbereich allein innerhalb vom EG-, EWR- und Assoziationsstaaten normiert, muss, um die Durchsetzbarkeit von EG-Recht zu sichern, ein Instrumentarium im Nationalstaat geboten werden. In diesem Sinn sind die von den §§ 60 f festgeschriebenen Maßnahmen geeignet, um einen gemeinschaftskonformen Vollzug von EG-Recht zu gewährleisten. Diese Maßnahmen gründen hier jedoch nicht im nationalen Recht, sondern sind als Instrumentarien zur Administration von Gemeinschaftsrecht anzusehen und finden dort auch ihre Deckung. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob man, der belangten Behörde und der Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats folgend, die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 EBVO nationalrechtlich als gegeben annimmt oder das Vorgehen der belangten Behörde im Gemeinschaftsrecht gedeckt sieht.

Die belangte Behörde hat den bekämpften Bescheid und die darin angeführten Bedingungen somit zu Recht auf die Vorgaben im Sinne der §§ 60 f EBVO gestützt.

Anhang VIII Kapitel IV der Verordnung (EG) 1774/2002, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) 829/2007 vom 28. Juni 2007, regelt unter B. die Vorschriften zur Einfuhr von Blut und Blutprodukten, wobei Z 2. dieser Bestimmung hinsichtlich der Einfuhr von Blut auf die Vorschriften des Kapitels XI verweist. In der Stellungnahme vom 3. Oktober 2007 bezieht sich die Bw auf Anhang VIII Kapitel IV A., was jedoch hier nicht als einschlägig anzusehen ist, da es im konkreten Fall zunächst um die Beurteilung der Zulässigkeit der Einfuhr und erst sekundär um das Inverkehrbringen geht. Weiters subsumiert die Bw die ggst Sendungen Kälberblut offensichtlich unter den Begriff "Blutprodukt". Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats ist Kälberblut, wenn auch in eingefrorenem und palettiertem Zustand, nicht als vom Begriff "Blutprodukt" umfasste bearbeitete, veränderte oder vermengte Substanz anzusehen, zumal die einschlägige Rechtsnorm als eigenständigen Begriff auch "Blut" per se vorsieht, dem bei grammatikalischer Interpretation des Wesenskerns zweifellos der Vorrang zu geben ist. Diese Unterscheidung führt jedoch im Ergebnis zur selben Rechtsfrage bzw. schlussendlich zur selben einschlägigen Rechtsnorm (Entscheidung 79/542/EWG, Anhang II Teil 1), weshalb deren Lösung für die Beurteilung des vorliegenden Falles von nur untergeordneter Bedeutung ist.

Unter den in der Verordnung (EG) 1774/2002, Anhang VIII Kapitel XI angeführten kumulativ geforderten Voraussetzungen wird unter Z 1. normiert, dass tierische Nebenprodukte für die Herstellung von unter anderem pharmazeutischen Erzeugnissen aus Drittländern, die auf der Liste gemäß Anhang XI Teil VII stehen, stammen müssen. Anhang XI Teil VII verweist unter A. hinsichtlich (unter anderem) unverarbeitetem Material von Rindern auf Teil I des Anhangs der Entscheidung 79/542/EWG. Insbesondere normiert er, dass die Einfuhr von Rinderblut nur aus den Drittländern bzw. Drittlandgebieten des genannten Anhangs zulässig ist, aus denen auch die Einfuhr aller Kategorien von frischem Fleisch der betreffenden Arten zugelassen ist.

Anhang II der Entscheidung 79/542/EWG, zuletzt geändert durch die Entscheidung 2006/463/EG vom 27. Juni 2006 führt in Teil 1 "Liste von Drittländern und Teilen von Drittländern" unter dem Gebietscode AR-1 unter anderem die argentinische Provinz B A an. Bei Staaten bzw. Gebieten dieser Liste sind nach dem Wortlaut Einfuhren von Frischfleisch nicht in allen Kategorien erlaubt, sondern gemäß Spalte 6 hinsichtlich Innereien (ausgenommen Rinderzwerchfelle und -kaumuskeln) unzulässig.

Wie im Sachverhalt dargestellt, stammen die ggst. Sendungen Kälberblut aus der Provinz B A in A. Aus den eben dargestellten Normen ergibt sich zweifelsfrei, dass die Einfuhr in den EG-Binnenmarkt rechtswidrig erfolgte, da Frischfleischimporte aus der Region B A nicht in allen Kategorien gestattet und somit die Voraussetzung des Anhanges XI Teil VII A. nicht gegeben ist, weshalb schlussendlich Anhang VIII Kapitel VI B. 2. iVm. Kapitel XI Z 1. leg.cit. als Grundlage für eine rechtmäßige Einfuhr ausscheiden. Wenn die Bw anmerkt, dass diese Beurteilung rein formaljuristisch zwar zulässig, mit dem Normzweck und insbesondere der Warenverkehrsfreiheit jedoch nicht vereinbar sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass zweifelsohne beim Import von Blut auch aus sachzwingenden Gründen von Relevanz ist, wenn der Import von Innereien, mit denen Blut in primärer Verbindung steht, untersagt ist. Die Grundsätze des freien Warenverkehrs im konkreten Fall heranzuziehen, erscheint zwiefach unzulässig, da zum Einen der freie Warenverkehr grenzüberschreitend innerhalb des Binnenmarkts und nicht im Außenhandel Platz greift, und zum Anderen diese Grundfreiheit gerade in besonderer Weise durch den Rechtfertigungsgrund des Verbraucherschutzes beschränkt werden kann (vgl. Rs. 120/78, Rewe-Zentral-AG/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (Cassis de Dijon), Slg. 1979, S. 649 ff). Der Spruch des bekämpften Bescheides enthielt keine Angabe über die Herkunftsregion B A (A), die im Sinn der Entscheidung 79/542/EWG durchaus von Bedeutung ist, weshalb die im Spruch dieses Erkenntnisses dargestellte Ergänzung im Hinblick auf § 66 Abs.4 AVG vorzunehmen war.

Hinsichtlich der verfügten Auflagen sowie des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung betreffend die Anordnungen über die Lagerung (Wegtransports-, Öffnungs- und Bearbeitungsverbot) folgt das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates im Wesentlichen der belangten Behörde. Da diesbezüglich auch keine Einwendungen seitens der Bw vorliegen, erübrigt sich eine nähere Erörterung

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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