TE Bescheid 1991/06/12 02/32/2/91

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Veröffentlicht am 12.06.1991
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Betreff

Keine Rechtsverletzung durch Festnahme des Bfr zur Feststellung seiner Identität nach StVO-Übertretungen; kein Lichtbildausweis; Firmenwagenaufschriften, Visitenkarten oder telefonische Personenbeschreibung sind zur Identitätsfeststellung nicht geeignet; kein Rechtsanspruch auf Erlag einer vorläufigen Sicherheitsleistung zur Abwendung einer Festnahme;

Spruch

Die Beschwerde wird gemäß § 67c Abs 3 AVG als unbegründet abgewiesen.

Text

Begründung:

Vorerst wird darauf hingewiesen, daß beide Parteien auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichteten und der Unabhängige Verwaltungssenat Wien die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung auch nicht für erforderlich hielt, da sich die im Akt befindlichen Angaben des Beschwerdeführers in allen wesentlichen Punkten mit jenen der belangten Behörde in der Anzeige decken. Der Beschwerdeführer brachte in seiner Beschwerde folgendes vor (Blatt 4):

"Es ist richtig, daß ich den Kombi meiner Firma XYZ am 2.1.1991 gelenkt habe. Meine Ausweispapiere hatte ich zuhause in meiner anderen Jacke vergessen, meine Identität wäre sehr leicht zu verifizieren gewesen. Ich sagte dem übereifrig dienstbeflissenen Inspektor meinen Namen (der steht übrigens auch übergroß auf meinem Firmenwagen), zeigte ihm meine Visitenkarte, Zahlscheine, Kalender und einiges mehr. Ich sagte ihm auch, daß ich der Besitzer des Antiquitätengeschäftes auf der F-straße unweit des Kommissariates sei. Weiters erzählte ich ihm auch, daß ich am Kommissariat persönlich bekannt sei (zB dem Dr K, dem Dr W, dem Dr M und einigen anderen). Das hat den jungen Mann aber alles überhaupt nicht interessiert. Zu guter Letzt erreichte ich mittels meines Funktelefons eine mir bekannte, am Kommissariat seit langem tätige Schriftführerin bzw Beamtin (Frau M wird das bestätigen können) und bot dem Herrn Inspektor zweimal an, mit eben dieser zu sprechen. Meine Frage, ob er Frau M kenne, beantwortete er glücklich mit "Ja", aber telefonisch erledige er gar nichts."

Aufgrund dieser Tatsachen wolle er Beschwerde gegen die rechtswidrige Festnahme erheben, da es nicht stimme, daß seine Identität nicht sofort feststellbar gewesen sei.

In der am 12.6.1991 beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eingelangten Stellungnahme (Bl 18) wiederholte der Beschwerdeführer sein früheres Vorbringen und führte zusätzlich noch aus, daß sich die Festnahme erübrigt hätte, wenn der Meldungsleger telefonisch nach "eventueller Personsbeschreibung" bzw "durch Anfrage über Funk bei Wachzimmer oder Meldeamt" seine Person hätte feststellen können oder wenn er ihn (den Beschwerdeführer) gleich bei Eintreffen im Wachzimmer dem Juristen vorgeführt hätte. Auch sei nicht die Möglichkeit einer Sicherheitsleistung geprüft worden.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß Art 1 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit vom 29. Nov 1988, BGBl 684, darf niemand aus anderen als in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen festgenommen oder angehalten werden.

Nach Art 2 desselben Bundesverfassungsgesetzes darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise zB dann entzogen werden, wenn er bei einer Verwaltungsübertretung auf frischer Tat betreten wird und die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung erforderlich ist. Hierzu führt § 35 lit a VStG näher aus, daß eine Festnahme dann zulässig sei, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht feststellbar ist.

Wie aus dem beigeschafften Verwaltungsstrafakt (insbesondere der Anzeige, Blatt 1/1 verso, und der Stellungnahme, Blatt 13) hervorgeht, erachtete der gegen den Beschwerdeführer einschreitende Sicherheitswachebeamte aufgrund eigener dienstlicher Wahrnehmung den Beschwerdeführer mehrerer Verwaltungsübertretungen der StVO und des KFG für verdächtig. Der Beschwerdeführer wurde bei seinem in zweiter Spur geparkten Fahrzeug angehalten und (auch) insofern bei der Begehung einer Straftat betreten.

Der Beschwerdeführer war dem Sicherheitswachebeamten unbekannt. Er hatte aber unbestrittenermaßen auch keine Lichtbildausweise bei sich (vgl das Beschwerdevorbringen, Blatt 4, wonach der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben die Ausweispapiere zu Hause vergessen hatte), aufgrund welcher der Sicherheitswachebeamte die Identität des Beschwerdeführers an Ort und Stelle feststellen hätte können.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien teilt nicht die Ansicht des Beschwerdeführers, daß

a)

die bloße Angabe des Namens,

b)

die Angabe, der Besitzer eines bestimmten Geschäftes zu sein,

c)

die Behauptung, am Kommissariat mehreren Beamten persönlich bekannt zu sein,

 d) das Vorzeigen von Zahlscheinen und Visitenkarten (auch wenn sie den angegebenen Namen des Angehaltenen enthalten) etc

e)

der Namenszug auf einem Firmenwagen

f)

eine telefonische "Identifizierung" sowie

g)

die Ermittlung von Meldedaten

zur Feststellung der Identität einer Person ausreichen. Gerade ein Firmenfahrzeug, das - meist zwecks Werbung - die Aufschrift der Firma und/oder den Namen des Geschäftsinhabers trägt, wird meist nicht nur vom Geschäftsinhaber gelenkt; die Aufschrift auf dem Fahrzeug bietet daher keinen Beweis dafür, daß der Lenker bzw der beim Fahrzeug Befindliche auch der Firmeninhaber ist.

Auch das Mitführen von Visitenkarten oder Erlagscheinen dient nicht der Feststellung der Identität einer Person, da es nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens widerspricht, daß ein Firmeninhaber seine geschäftlichen Visitenkarten (mit Adresse und Telefonnummer des Geschäfts) auch seinen Angestellten zwecks Verteilung an Kunden überläßt oder einen seiner Angestellten ersucht, für ihn Geldbeträge mit Erlagscheinen auf der Bank oder am Postamt einzuzahlen oder zu überweisen.

Umsoweniger kann die bloße Angabe eines Namens oder die bloße Behauptung, der Besitzer eines Geschäfts zu sein, zur Identifizierung einer Person beitragen, zeigt doch die allgemeine Lebenserfahrung, daß manche beamtshandelten Personen - aus welchen Gründen auch immer - nicht ihre wahre Identität preisgeben, sondern den Namen eines anderen (und sogar dessen Adresse) vorschieben.

Auch die Überprüfung von Meldedaten ist daher nicht zielführend, da Meldedaten keineswegs eine Person identifizieren, sondern nur darüber Auskunft geben, an welcher Anschrift eine namentlich genannte Person gemeldet ist.

In diesem Zusammenhang ist noch anzumerken, daß es keine rechtliche Verpflichtung des Sicherheitswachebeamten gibt, eine Person, die sich nicht auszuweisen vermag, an ihren Wohnort oder Arbeitsplatz zu geleiten; dies auch (abgesehen von den Fällen der absichtlichen Falschangaben) deswegen, weil nicht jeder Angehaltene in der Nähe des Tatortes wohnt oder arbeitet (sondern zum Teil weit entfernt oder sogar außerhalb Wiens) und weil so mancher nicht dort wohnt bzw übernachtet und seine Ausweise vergißt, wo er gemeldet ist; dazu kommt noch, daß sich bei vergessenen Ausweisen manchmal herausstellt, daß diese doch nicht zu Hause, sondern woanders vergessen oder liegengelassen wurden als ursprünglich vermutet. Trotz aller berechtigten Forderungen nach der Bürgerfreundlichkeit von Behörden, erscheint eine derartige Verpflichtung von Polizeibeamten im Hinblick auf den erforderlichen Zeitaufwand (mag er in einem Einzelfall einmal auch nicht hoch sein) daher nicht durchführbar.

Wegen des erforderlichen Zeitaufwands haben Erhebungen, die nicht an Ort und Stelle durchgeführt werden können, vom Wachzimmer oder Kommissariat aus zu erfolgen.

Der Sicherheitswachebeamte gestattete dem Beschwerdeführer aber am Tatort sein Funktelefon zu benutzen.

Der Beschwerdeführer hätte mit dessen Hilfe einen Identitätszeugen ersuchen können, zum Ort der Amtshandlung zu kommen. Dies gelang dem Beschwerdeführer jedoch unbestrittenerweise nicht. Bemerkt wird, daß die Feststellung der Identität einer Person auf bloß akustischem Weg (hier: per Funktelefon des Beschwerdeführers) dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien nicht zweckmäßig erscheint, zumal der Beschwerdeführer auch gar nicht dargelegt hat, wieso ihn die Beamten im Bezirkspolizeikommissariat Schmelz so gut und genau kennen, daß sie ihn nicht nur anhand seines Aussehens, sondern auch aufgrund seiner Stimme identifizieren hätten können. Eine Personenbeschreibung per Telefon reicht zur Identifizierung einer Person ebenfalls nicht aus, da ja bloß die (ungefähre) Körpergröße, Haar- und Augenfarbe durchgegeben werden kann, die auf andere Personen genauso zuzutreffen vermag. Daß der Beschwerdeführer ein ganz besonderes Merkmal (zB eine ganz spezifische Tätowierung oder ein Feuermal an einer ganz bestimmten Stelle) aufweist, das einerseits die Beamten im Kommissariat kennen und telefonisch mitteilen hätten können und das andererseits vom Meldungsleger an Ort und Stelle überprüft werden hätte können, hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Die vom Beschwerdeführer angeführten und unmittelbar am Tatort vorhandenen oder noch einholbar gewesenen Indizien - Firmenaufschrift am Fahrzeug, Visitenkarten etc., telefonische Personenbeschreibung, Einholung von Meldedaten - reichten daher auch in ihrer Gesamtheit nicht zu seiner Identifikation aus. Zur Rüge des Beschwerdeführers, daß die Möglichkeit einer Sicherheitsleistung nicht in Betracht gezogen worden sei, wird darauf hingewiesen, daß eine Sicherheitsleistung gem § 37 VStG mit Bescheid vorzuschreiben ist und daher nicht am Tatort eingehoben werden kann; die Einhebung einer vorläufigen Sicherheit gem § 37a VStG aber, die schon am Tatort festgesetzt werden kann und die der Beschwerdeführer vermutlich meint, hängt einerseits von einer entsprechenden behördlichen Ermächtigung des Sicherheitswachebeamten ab und liegt andererseits im Ermessen des einschreitenden Beamten; da der einzelne somit keinen Rechtanspruch darauf hat, eine ihm drohende Festnahme nach § 35 lit a VStG durch Erlag einer vorläufigen Sicherheitsleistung abzuwenden, war im ggst Fall vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien auch nicht zu prüfen, ob der Meldungsleger zur Einhebung einer vorläufigen Sicherheitsleistung überhaupt berechtigt gewesen wäre und - bejahendenfalls - warum er davon nicht Gebrauch gemacht hat.

Der Sicherheitswachebeamte handelte aus den aufgezeigten Gründen nicht rechtswidrig, als er die Identität des Beschwerdeführers für nicht festgestellt erachtete und ihn um 14.45 Uhr gemäß § 35 lit a VStG festnahm.

Die Beschwerde, die sich ausschließlich gegen die Festnahme richtete, war daher als unbegründet abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird noch ausgeführt, daß der Sicherheitswachebeamte den Beschwerdeführer mit dem Streifenkraftwagen ins Bezirkspolizeikommissariat Schmelz überstellte, wo Bezirksinspektor W die Identität des Beschwerdeführers bestätigen konnte, worauf der Beschwerdeführer um 15.05 Uhr, also bereits 20 Minuten nach seiner Festnahme, entlassen wurde. Ob der Beschwerdeführer - wie er meint - die Kürze der Haft nur einem Zufall verdankt (Stellungnahme, Bl 18, letzter Abs) - bzw wielange es gedauert hätte, einen Identitätszeugen entweder im Kommissariat selbst zu finden oder dorthin zu bestellen, ist reine Spekulation und  und hätte auch dann, wenn der Beschwerdeführer nicht nur die Festnahme, sondern auch die Länge der Anhaltung in Beschwerde gezogen hätte, nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien sein können.

Schlagworte
Festnahme;
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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