Kein Notstand bei wieder einmal, also nicht überraschend, aufgetretener Übelkeit
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Die Berufungswerberin hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 200,-- , das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.
Begründung:
Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, am 4.10.1990 um 8.18 Uhr in Wien 22, Pirquetgasse 9 das Kraftfahrzeug XY im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels während der Betriebszeit (nicht nur kurz zum Ein- oder Aussteigen) abgestellt zu haben.
Die Verwirklichung des Tatvorwurfes in objektiver Hinsicht stellte die Berufungswerberin außer Frage, brachte aber in ihrem Rechtsmittel vom 12.6.1991 in subjektiver Hinsicht im wesentlichen folgendes vor:
Sie habe ihr Kraftfahrzeug nicht willkürlich im Haltestellenbereich abgestellt, sondern aus zwingendem Grund. Übelkeit und Kreislaufstörungen seien aufgrund ihrer Schwangerschaft aufgetreten. Natürlich kündige sich eine Kreislaufschwäche an, doch gerade deshalb wäre es von ihr unverantwortlich gewesen, noch weiterzufahren, wodurch jedenfalls andere Verkehrsteilnehmer gefährdet worden wären. Sie sei geradezu verpflichtet gewesen, stehenzubleiben. Sie ersuche daher den Umstand einer Schwangerschaft (deren Verlauf durch eine Krebskrankheit sehr beeinträchtigt gewesen sei) zu berücksichtigen, wie auch den Umstand, daß eine Kreislaufschwäche nicht vorhersehbar sei.
Mit ihrem Vorbringen machte die Berufungswerberin eine notstandsähnliche Situation geltend.
Unter Notstand ist ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten zu verstehen, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein durch Begehung einer im allgemeinen strafbaren Handlung retten kann. Weiters gehört es zum Wesen des Notstandes, daß die Gefahr zumutbarerweise nicht anders als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlungen zu beheben und die Zwangslage nicht selbst verschuldet ist (VwGH 17.6.1987, 85/01/0172, 15.9.1987, 86/04/0036, 30.5.1989, 88/08/0168).
Dazu ist aber zu bemerken, daß die Berufungswerberin in ihrem Schreiben vom 15.10.1990 vorbrachte, daß ihr im gegenständlichen Fall wieder einmal ihr Kreislauf ein Übelkeitsgefühl verursacht habe, welches in den ersten Monaten einer Schwangerschaft durchaus normal sei. Derartige Beschwerden waren somit nicht zum ersten Mal und für sie daher auch nicht überraschend aufgetreten. Daß die Berufungswerberin unter diesen, ihr ja bereits bekannten, Umständen dennoch ein Kraftfahrzeug lenkte, stellt sich als geradezu unverantwortlich dar. Sie hat damit nämlich nicht nur sich selbst sondern auch das werdende Leben, ganz abgesehen von anderen Straßenbenützern, in Gefahr gebracht und ihre Zwangslage (vorschriftswidriges Abstellenmüssen ihres Kraftfahrzeuges infolge Kreislaufstörungen und Übelkeit) selbst verschuldet. Der Berufung war daher keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen.
Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:
Bei der Übertretung des § 24 Abs 1 lit e StVO 1960 handelt es sich um kein Erfolgsdelikt, bei welchem erst der Eintritt einer Verkehrsbeeinträchtigung die Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes bedeutet. Der Eintritt einer Verkehrsbeeinträchtigung findet vielmehr bei der Bemessung der Strafe einen Niederschlag. Die der Bestrafung zugrundeliegende Handlung schädigte in bedeutendem Maße das Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen, weshalb der Unrechtsgehalt der Tat beträchtlich war, zumal es offensichtlich ist, daß durch die Aufstellung eines Kraftfahrzeuges im Haltestellenbereich eines Massenverkehrsmittels (im gegenständlichen Fall des Linienbusses) während der Betriebszeiten die Linienbusse an der Zufahrt zur Haltestelle gehindert werden und in zweiter Spur halten müssen. Das Verschulden der Berufungswerberin war als erheblich anzusehen, da sie - wie bereits ausgeführt - grob fahrlässig gehandelt hat. Bei der Strafbemessung waren zwei auf der gleichen Neigung beruhende Verwaltungsvorstrafen als erschwerend zu werten. Die bescheidenen Einkommensverhältnisse, die Vermögenslosigkeit und die Sorgepflicht für zwei Kinder wurden berücksichtigt. Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis S 10.000,-- reichenden Strafsatz ist die verhängte Geldstrafe von S 1.000,-- durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal weitere Milderungsgründe nicht hervorgekommen sind. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.
Auf die Möglichkeit der Einbringung eines mit S 120,-- Bundesstempelmarken zu versehenden Ratenansuchens bei der Behörde erster Instanz wird hingewiesen.
Gemäß § 51e Abs2 1.Fall VStG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.