TE UVS Wien 1991/07/26 03/15/398/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.07.1991
beobachten
merken
Betreff

Parken am Gehsteig; kein Notstand bei geschäftlicher oder beruflicher Eile

Spruch

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten hat:

"Sie, Herr K, haben am 30.11.1990 um 15.20 Uhr in Wien 2, Lassallestraße 40 den Kombinationskraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen XY mit dem rechten Vorderrad am Gehsteig abgestellt gehabt und jenen somit vorschriftswidrig benützt."

Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 80,-- , das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Text

Begründung:

Unbestritten ist geblieben, daß der Berufungswerber sein Kraftfahrzeug zur Tatzeit am Tatort mit dem rechten Vorderrad am Gehsteig abgestellt gehabt hat.

Im Laufe des Verwaltungsstrafverfahrens brachte der Berufungswerber jedoch im wesentlichen vor, daß er eine unaufschiebbare Reparaturarbeit an der Kühlanlage der in Wien 99, L-Straße 00 etablierten Backstube durchführen habe müssen. Er sei dreimal im Einbahnsystem die weite Strecke umhergefahren, bis er zufällig vor der Backstube eine Parklücke gefunden habe, die allerdings zum Parallelparken des Werkstättenbusses zu kurz gewesen sei. Er habe daher den Wagen mit dem rechten Vorderrad auf den Gehsteig stellen müssen. Fußgänger seien hiedurch in keiner Weise behindert worden.

Als er kurze Zeit später vom Reparaturort zum Fahrzeug gekommen sei, um seine Werkzeugkiste (etwa 40 kg schwer) zu holen, habe er auf der Windschutzscheibe einen Lenkerverständigungszettel vorgefunden, wonach ihm Gelegenheit geboten worden sei, im Wachzimmer 2, Praterstern, für das begangene Delikt eine Organmandatsstrafe zu bezahlen, da sonst die Anzeige erstattet werden müßte.

Etwa 10 - 15 Minuten später habe die Möglichkeit bestanden, den Wagen korrekt in die Parklücke zu stellen, was er ohnehin sofort getan habe.

Sein Vater habe sich in das Wachzimmer begeben, um den Sachverhalt zu klären, dies allerdings ohne Erfolg, da der Anzeigeleger trotz Vorlage des Arbeitsberichtes nicht bereit gewesen sei, vom Inkasso des Strafmandates Abstand zu nehmen.

Da der Vater des Berufungswerbers kein Geld bei sich gehabt habe, habe der Beamte erklärt, beim Fahrzeug vorbeizukommen. Dort sei der Berufungswerber aufgefordert worden, das Pannendreieck, den Verbandskasten und die Fahrzeugpapiere vorzuweisen, worauf er an den Beamten die Frage gerichtet habe, ob dieser ihn "häkerln" wolle, denn wenn er das Strafmandat bezahlen müsse, erübrige sich wohl jede weitere Amtshandlung. Dabei habe er dem Beamten eine Hundertschillingbanknote hingehalten, worauf jener kurz und barsch erwidert habe: "Ich brauche nichts mehr, auch kein Geld, ich zeige Sie an."

Dazu ist zunächst auszuführen, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einerseits kein Rechtsanspruch darauf besteht, daß eine Verwaltungsübertretung nur mittels Organstrafverfügung geahndet wird (VwGH 20.1.1966, 1012/65, 22.5.1986, 86/02/0061, 9.7.1986, 86/03/0065) bzw daß eine im Verwaltungsstrafverfahren verhängte Strafe nur im Ausmaß eines in Betracht gekommenen Organstrafbetrages bemessen wird (VwGH 20.1.1966, 1012/65, 15.2.1979, 2295/77, 23.3.1988, 87/03/0183) und andrerseits erst mit der Behändigung einer Ausfertigung der Organstrafverfügung das Wahlrecht des Wacheorgans erlischt, eine Organstrafverfügung zu verhängen oder die Anzeige zwecks Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens zu erstatten. Für die Annahme, daß der Wachebeamte, sobald er einmal dem Beanstandeten gegenüber erklärt, mit einer Organstrafverfügung vorgehen zu wollen und dieser ein Zeichen des Einverständnisses gibt oder ausdrücklich erlärt, dieser Erledigung zuzustimmen, unwiderruflich an seine Erklärung gebunden und nicht mehr berechtigt wäre, statt einer Erledigung mit Organstrafverfügung eine Anzeige zwecks Einleitung des ordentlichen Strafverfahrens der zuständigen Behörde vorzulegen, gibt es nämlich keine Stütze im Gesetz (VwGH 24.2.1966 Slg 6874 A).

Das übrige Vorbringen des Berufungswerbers bezog sich ausschließlich auf die subjektive Tatseite, zumal auf ein Tatmotiv (Parkplatzprobleme, unaufschiebbare Reparaturarbeit) verwiesen wurde.

Dieses Tatmotiv ist aber aus folgenden Gründen zur Entlastung des Berufungswerbers nicht geeignet:

Jeder Kraftfahrer muß damit rechnen, in bestimmten Gebieten, wozu der Stadtbereich zählt, keinen Parkplatz zu finden. Stellt er sich nicht darauf ein und hat er deshalb eine Notstandssituation selbst verschuldet, so kann von einem die Schuld ausschließenden Notstand nicht gesprochen werden (VwGH 24.4.1974, 1999/73, 27.10.1977, 1967/76, 11.9.1979, 1374/79 uva).

Geschäftliche oder berufliche Eile stellt keineswegs einen zwingenden Grund oder gar einen Notstand dar, Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zu übertreten (VwGH 7.11.1966, 965/66, 17.1.1975, 1309/74, 14.11.1978, 1840/78). Dringliche unaufschiebbare berufliche Termine sind daher nicht geeignet, den Schuldausschließungsgrund des Notstandes zu erfüllen (VwGH 23.9.1985, 85/18/0301).

Der Berufung war somit keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen.

Die Abänderung im Spruch diente der genaueren Tatumschreibung. Die der Bestrafung zugrundeliegende Handlung gefährdete in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen, weshalb der Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das Kraftfahrzeug des Berufungswerbers nur ca 10 - 15 Minuten vorschriftswidrig abgestellt war, nicht gering war.

Das Verschulden des Berufungswerbers war als erheblich anzusehen, da er vorsätzlich gehandelt hat.

Bei der Strafbemessung wurden der Umstand, daß dem Berufungswerber der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugutekommt, die unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse, die Vermögenslosigkeit und das Fehlen einer gesetzlichen Sorgepflicht berücksichtigt.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und auf den bis S 10.000,-- reichenden Strafsatz ist die verhängte Geldstrafe von S 400,-- durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal besondere Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind. Eine Herabsetzung der Geldstrafe kam daher nicht in Betracht. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.

Gemäß § 51e Abs 2 1.Fall VStG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Schlagworte
Parken am Gehsteig, Notstand nicht bei beruflicher oder geschäftlicher Eile
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten